Gerrit aus Neukölln. Manfred Rehor

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Gerrit aus Neukölln - Manfred Rehor

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war nicht bereit, sich auf ein Gespräch über die Probleme einzulassen, die Janine mit ihrer Familie hatte.

      Janine ging beleidigt hinaus, vorbei an Gerrits Freunden.

      Gerrit begrüßte die beiden mit Handschlag. Mike und Werner zogen sich jeder eine Cola aus dem Automaten und setzten sich zu ihm.

      Die drei Jungs verhielten sich möglichst unauffällig. Man musste vorsichtig sein, wenn man einer illegalen nächtlichen Beschäftigung nachging. Besonders, wenn man sich direkt unter Joes Augen traf, um darüber zu reden.

      „Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Mike und zeigte auf Gerrits Gesicht.

      Gerrit berichtete von dem Überfall in der Nacht. Aber leise, damit außer seinen beiden Freunden niemand etwas hören konnte. „Wenn der Bulle nicht dazwischen gekommen wäre, hätte ich die drei fertiggemacht“, behauptete er abschließend. „Aber nun sind die Sachen und das Geld weg.“

      „Schlimm. Das wird Ahmed nicht gefallen.“ Mike schüttelte sich. „Bin froh, dass mir das nicht passiert ist.“

      Gerrit war immer der erfolgreichste Hehler der drei gewesen, auch wenn er der kleinste war. Sie sahen in ihm so etwas wie ein Vorbild, was die dunklen Geschäfte anging. Gerrit hatte befürchtet, ihr Respekt vor ihm würde sinken, wenn sie von seinem Pech erfuhren. Nun erkannte er, dass sie um so beeindruckter waren. Was vielleicht an der Art lag, wie er davon erzählt hatte.

      „Wie willst du Ahmed ...“, begann Werner.

      „Still!“ Gerrit hörte, wie Joe sich näherte.

      Der Sozialarbeiter klirrte bei jedem Schritt wegen der Metallketten und der Abzeichen an seiner Bikerjacke. Sein Geldbeutel war durch eine Gliederkette am Gürtel befestigt, die ausgereicht hätte, einen Kampfhund zu bändigen. Joe zog sich einen Stuhl an den kleinen Tisch und setzte sich zu ihnen. „Alles klar?“

      „Alles“, behaupteten Mike und Werner einstimmig.

      Gerrit nickte nur.

      „Glaube ich euch aber nicht. Was ist in euren Taschen?“

      Gerrit und seine Freunde wechselten Blicke. Sie schwiegen einen Moment und fingen dann an, verlegen zu lachen.

      „Leute, so geht das nicht“, brummte Joe. Diese Tonlage war gefährlich. Er setzte sie nur ein, wenn er sich persönlich beleidigt oder angegriffen fühlte. „Ich warte.“

      Nun galt es für Gerrit, seinen Freunden aus der Schwierigkeit zu helfen und Joe nicht zu sehr zu verärgern. Deshalb begann er, Unsinn zu faseln. Meist ging Joe auf solche Scherze ein und eine Krise konnte überwunden werden. „Mike sammelt Zombies“, behauptete Gerrit scheinbar aus vollster Überzeugung.

      Gelächter von Mike und Werner belohnte ihn. Er rief mit seinen Freunden um die Wette: „Und Werner hat Gummibärchen drin - Videos - tausend Kondome.“

      „Ey, Angeber!“

      „Also gut. Hundert.“

      „Hundert Gummibärchen vielleicht.“

      Es klappte: Joe begann zu grinsen. Die Jungs lachten laut, aber es klang unecht. Um so eifriger machten sie weiter.

      „Also im Ernst“, sagte Joe schließlich. „Macht keine krummen Dinger. Wir können es uns nicht leisten, dass die Kiezmäuse einen schlechten Ruf bekommen. Wer sich nicht an die Regeln hält, gegen den verhänge ich ein Hausverbot, verstanden?“

      Kopfnicken war alles, was er erntete. Zweifelnd fuhr er fort: „Mir graut vor dem Tag, an dem die Polizei hier auftaucht und einen von euch mitnimmt. Dann können wir dichtmachen.“

      „Diese Scheißbullen sind doch zu allem zu dämlich“, behauptete Gerrit.

      „Und du musst es wissen“, stimmte Werner ihm zu.

      „Übrigens, Gerrit, für dich habe ich etwas“, sagte Joe. Er stand auf, ging nach hinten und kam mit einem zusammengefalteten Poster zurück. Er entfaltete es und zeigte es herum: Das Bild zeigte eine exotische Strandlandschaft. Darunter stand in verschnörkelter Schrift das Wort „Thailand“.

      „Schenke ich dir“, sagte Joe. „Du träumst ja schon lange davon, mal von hier weg zu kommen.“

      Gerrit bedankte sich artig. Joe ging nach hinten und Gerrit erklärte seinen Freunden: „Mein Vater lebt dort. Er hat mich eingeladen. Ich kann zu ihm kommen. Aber ich brauche ne ganze Menge Geld.“ Er zog den Brief heraus. Die Jungs steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich leise.

      Kurze Zeit später ließ das Aufheulen eines Motors Gerrit hochrucken. Ein schwarzer BMW hielt vor den Kiezmäusen. Laute türkische Musik schallte aus den offenen Seitenfenstern. Am Steuer saß ein fünfunddreißigjähriger Türke mit Goldkettchen, gelglänzenden Haaren und Sonnenbrille: Ahmed!

      Gerrit warf einen prüfenden Blick auf Joe. Der hatte nichts bemerkt - oder tat zumindest so. Gerrit stand auf und nickte seinen beiden Freunden zu. Beinahe hätte er vor Aufregung das Thailand-Poster vergessen. Er ging zurück, nahm es mit, dann marschierten alle drei nach draußen.

      Vor dem Eingang der Kiezmäuse blieben sie stehen. Gerrit, der sich für alles zuständig fühlte, was mit Polizei zu tun hatte, sah sich um. Sein Blick war durch das Zusammenleben mit Mickey geschärft. Ihm entging niemand, der auch nur entfernt ein Polizist hätte sein können. Die Luft war rein: Kein Uniformierter war zu sehen und auch niemand, der wie ein Beamter in Zivil aussah.

      „Okay“, sagte er. „Keine Gefahr.“

      Werner ging zu dem schwarzen BMW. Er öffnete seine Tasche und reichte Ahmed durch das Wagenfenster ein in Zeitungspapier gewickeltes Bündel Geldscheine hinein. Dafür bekam er eine halbvolle Einkaufstüte, die er schnell in seiner Tasche verschwinden ließ. Dann war Mike dran, bei dem dasselbe Ritual ablief.

      Beide hatten das in den letzten Wochen schon oft gemacht. Aber sie fühlten sich ersichtlich unwohl dabei. Gerrit fiel das heute zum ersten Mal auf, weil er selbst Schiss davor hatte, zu Ahmed zu gehen. Obwohl der Türke bisher immer freundlich zu ihnen gewesen war und auch nicht in dem Ruf stand, gewalttätig zu sein.

      Gerrit kontrollierte weiter die Straße. Nicht nur, weil er sich dazu verpflichtet fühlte, sondern auch um seine Nervosität nicht Oberhand gewinnen zu lassen. Er war sich nicht sicher, wie Ahmed das aufnehmen würde, was er zu berichten hatte. Denn es ging jetzt nicht nur darum, den Verlust der Ware und des Geldes zu beichten. Er musste Ahmed auch um einen einträglicheren Job bitten. Gerrit wollte so schnell wie möglich das Geld für seinen Vater zusammenbringen.

      Schließlich war er dran. Mit klopfendem Herzen ging er zu dem Wagen und begrüßte Ahmed. Der hielt den Kopf schief, vermutlich, weil er bemerkte, dass Gerrit keine Tasche dabei hatte.

      „Ich bin letzte Nacht überfallen worden“, erklärte Gerrit. „Alles weg.“

      Ahmed zeigte zur Beifahrerseite. „Steig ein.“

      Gerrit öffnete mit schweißnasser Hand die schwere Wagentür und setzte sich auf den lederbezogenen Sitz. Er traute sich nicht, von sich aus etwas zu sagen. Also starrte er vor sich hin und wartete ab.

      Ahmed drehte die Musik leiser und sah auf die Straße. Man konnte glauben, der Verkehr sei das Interessanteste, was er seit langem

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