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Sie doch an die Chinesen. Das sind nun mal die Realitäten.« Angesichts seines treuherzigen Blicks fällt es erstaunlich leicht, einfach zustimmend zu nicken.

      »Also (Frau Wilks schenkt sich erneut Ouzo nach): Wir brauchen Spezialisten, die vielleicht in der Lage sind, so etwas wie Festplatten zu erkennen und genau zu sagen, welche Teile des übrigen Systems fotografiert oder ausgebaut werden müssen. Wie steht es mit der Möglichkeit, dafür einen ferngesteuerten Roboter einzusetzen?«

      Widme mich nun vorsichtshalber erst einmal der Beschäftigung, mein Grillfleisch so klein wie möglich zu schneiden. Dieses ganze Gerede über Kontamination hat mich aufs Unangenehmste daran erinnert, weshalb ich hier bin: Bei erstbester Gelegenheit sollte ich Teile dieses Essens in ein Probentütchen packen. Nicht zu fassen, dass ich bislang an überhaupt nichts gedacht hab vor lauter Sonne und Hunger! Aber das Fleisch wurde ja auch nicht zugeteilt, jeder hat sich selbst bedient, so etwas wiegt in Sicherheit. Bislang wohl keine Larven, seltsamen Fäden oder schwarze Bröckchen gar, vermutlich im Abendessen besser zu kaschieren. Dann auch viel weniger Licht. Und: Die Viecher können sich eine ganze weinselige Nacht ungestört entwickeln, während etwaige Nebenwirkungen auf Alkohol geschoben werden. Dieses Wochenende hat schließlich gerade erst begonnen, Holzauge, sei bloß wachsam.

      8 – Ein unmoralisches Angebot

      Der Verdauung wegen schlägt Ingo vor, die Zeit bis zum Abendessen für ein wenig Bewegung in bereits leicht abgesunkener Temperatur zu nutzen. Nach einiger Unschlüssigkeit geselle ich mich zur Minigolf-Gruppe, dort gibt es viel Schatten. Zudem leitet mich auch die Hoffnung, dort unsportlich am wenigsten aufzufallen.

      Krampfhorst beim Spielen zuzuschauen, ist jedoch desillusionierend. Solange er alle Kraft in seine Schläge legen kann, ist er durchaus zielsicher. Sobald es hingegen um Feingefühl geht, gerät unser MdB ins Schwimmen wie eine Bleiente. Augenblicklich kämpft er mit einem erhöht liegenden Loch. Für diese neue Herausforderung stellt er sich seitlich hinter die Kugel, prüft seine Beinstellung durch abwechselnde Gewichtsverlagerung, federt dann mehrfach in den Knien, setzt schließlich den Schläger an und lässt ihn zur Einübung drahtig-sorgsam in gewählter Schlagrichtung hin- und herpendeln. Sobald alles derart gründlich vorbereitet ist, versteift er sich und schlägt zu. Erneut verfehlt der Ball sein Loch um einen guten halben Meter und nutzt den ansteigenden Boden als Sprungschanze, um eiligst von der Bahn zu fliehen. Einen Moment verharrt Krampfhorst aus unverständlichen Gründen irritiert, hat vielleicht als einziger einen anderen Ausgang erwartet, geht dann außen herum, sucht seinen Ball, platziert ihn nach diversen Peilungen penibel am äußersten Rand der markierten Abschlagsersatzstelle und beginnt sein Ritual erneut. Es ist klar, dass er auch die verbliebenen drei Schläge auf diese Weise zubringen wird. Ich hoffe, dass es an der Sonne liegt, der er dabei die ganze Zeit schutzlos ausgesetzt ist.

      Zur Ablenkung von diesem insgesamt eher ein wenig traurig stimmenden Spektakel habe ich mich in den angenehm zitronig riechenden Spätnachmittagsschatten einer Grünen Douglasie geflüchtet. Obwohl der Baum noch sehr jung sein muss, schätzungsweise aus dem großen Einwanderungsschub nach dem Zweiten Weltkrieg, ist das Borkenmuster seiner Schuppen bereits recht ausgeprägt: Leblos-dunklere Grate heben sich deutlich von hellem Kork ab, als hätte herabrinnendes Wasser Furchen gegraben, dazwischen feine Linien fleißiger Borkenkäfer und vereinzelte Tränen bernsteinigen Oregonbalsams. Etwa 35 Meter, würde ich schätzen, und auch hier hat man ringsum zwecks Wachstumsförderung eine Groupie-Gruppe Zweifarbiger Lacktrichterlinge stehengelassen, kleiner Willkommenschor für einen gutartigen Neophyten.

      Schuester, nach seinem schweißtreibenden Tennismatch inzwischen in Businesskleidung mit blauer Krawatte samt Jackett, schlendert gemächlich zu mir hinüber, natürliche Affinität amerikanischer Gewächse vielleicht. Dabei strahlt er mit jeder sporttriefenden Bewegung jene Zuversicht von Leuten aus, für die das Leben aus offenen Türen besteht, schwer mitanzusehen. Aus der Nähe wirkt er gar wie jemand, der seine Zahnpflege vollumfänglich zu bewältigen weiß. Eine Zeitlang folgt er meinen Blicken Richtung Douglasie, weiß letztlich aber wohl nicht viel damit anzufangen. Gerade will ich ihn fragen, wie er in den USA wohnt, ein schönes Vorstadthaus vielleicht mit Garten, was er denn darin anzupflanzen plant (fertig ist man ja nie), als er unvermittelt gänzlich andere Worte an mich zu richten beginnt: »Wissen Sie, Herr Müller, Ihre Vorsicht („Vorsiecht“, sagt er) und Ihr wohlüberlegtes Abwägen (Betonung auf langem Ä) vorhin haben mich sehr beeinDRuckt.« Bin ehrlich überrascht: Noch nie hat mir jemand derart positive Synonyme für Destruktivität angeboten, Schuester versteht sein Metier.

      Aus wirklich braunen Augen wirft er mir einen langen bis langmütigen Blick zu, wartet auf eine Reaktion, doch für Gespräche mit Höhergestellten habe ich mir einen kleinen Trick angewöhnt: Weiß ich selbst nicht, was ich sagen soll, so schaue ich auffordernd mein Gegenüber an, den Kopf leicht schräg mit gehobenen Brauen, pantomimische Version eines Mir-kannst-du-es-doch-sagens. Manch Minister stutzt zwar anfänglich, letztlich aber reden sie alle weiter. Derartige Taktiken gehören jedoch auf einige wenige Personen begrenzt, sonst greifen sie früher oder später aufs Privatleben über, soziales Abseits vorprogrammiert. Fragen Sie ruhig Jasmin.

      Auch bei Schuester wirkt es. Widerstrebend legt er seine nächste Karte auf den Tisch, offenbar deutlich früher als geplant: »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich für einen Posten im Aufsichtsrat zu bewerben? Mit operativer Verantwortung sind Sie doch verTRaut.« Mein Herz schlägt schneller: Zwar ist mir die Bedeutung dieses Neusprech-Gebildes nicht gänzlich klar, aber als Aufsichtsrat von PrimAct hätte ich auf jeden Fall Zugang zu Informationen ganz, ganz anderer Art. War doch klar, dass jemand im Umweltministerium für die ein gefundenes Fressen darstellt. Interessiert blinzle ich mich daher nun aus der Starre heraus, die mich bei der Beobachtung Krampfhorsts überfiel. »Das... wäre in der Tat eine Überlegung wert«, zwinkere ich. »Zu wann sucht PrimAct denn, Herr Schuester?«

      Offenbar bin ich jedoch immer noch zu schnell vorgeprescht, Schuester löst seine Irritation in warm-dezentem Lachen. »Ach, Herr Müller, da haben wir uns geRade missverstanden. Sehen Sie, Herr Halberstedt arbeitet für ein renommiertes Lobbyismus-Unternehmen, das Kontakt zu ganz unterschiedlichen Wirtschaftszweigen unteRhält. Er hat miR im Vorfeld zu verstehen gegeben, dass die StrahlendSchön vielleicht Interesse („InTResse“, sagt er natürlich) hätte. Ich dachte miR, hier unter vier Augen könnte ich gewissermaßen ein wenig aus dem, wie sagt man? Nähkästchen plaudern.« Die Rs rollt er offenbar auch nur so, wie andere Leute Kommas benutzen.

      Innerlich schlucke ich erstmal: AKW-Lobby also. Somit vermutlich ein Arbeitsaufwand, der sich eher im monatlichen als wöchentlichen Bereich bewegt, schätzungsweise mehr als anderthalb Millionen Aufwandsentschädigung pro Jahr. Und zwar nur für die warme Hoffnung, mich durch Aktienbeteiligung und ein wenig Einblick hinter die Kulissen dazu zu bringen, hier und da die richtige Entscheidung zu erwirken, durch entsprechende Beratung und Vorsortierung von Informationen darauf hinzuwirken. Normaler Weise wird eine solche Zusammenarbeit aber doch schrittweise aufgebaut: Wo käme man denn da hin, alleine auf den guten Willen seines Handelspartners vertrauen zu müssen, dass dieser sich auch an die unausgesprochenen Vereinbarungen hält? Was ist aus diesen kleinen Gelegenheitsgefälligkeiten geworden, mit denen man sich nach und nach selbst so kompromittiert, dass man als verlässlich gelten kann? Entweder ist Schuester einer von der besonders eiligen Sorte, oder aber er hat die Backhus bereits abgeschrieben und braucht nun schnell Ersatz. Ich als Notnagel, das würde passen.

      Mein Überlegen dauert Schuester jedoch zu lange, womit sich trotz allem noch Nervosität verrät. Für irgendetwas braucht er mich: »Sie sehen also, Martin, dass es sich lohnen könnte, Herrn Halberstedt ein wenig zu imponieRen. Kommen Sie, Junge: Zeigen Sie, was in Ihnen steckt!« Wie er Junge sagt, schwingt da zumindest für meine Ohren noch das boy der Dienstboten mit. Speichellecker des Speichelleckers werden? Nur der Himmel weiß, in wessen Hintern der schon kroch. Zeit demnach, alles auf eine Karte zu setzen: Entweder bin ich wichtig für Schuester oder eben nicht. »Wissen Sie, Mr. Schuester, so leid es mir tut: Dieser

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