Raju und Barbara. Wilhelm Thöring

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Raju und Barbara - Wilhelm Thöring

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die Whiskyflasche, halbleer.

      Auf der Couch liegt Rahul, der kaum die Treppen steigen konnte, auch er ist betrunken, und vor ihm auf dem Boden hockt Savita, ihren Kopf auf den Knien, als wäre sie eingeschlafen oder als erwarte sie Schläge; eine Hand hat sie unter Rahuls Gesicht geschoben. Savita rührt sich nicht. Sie erinnert Barbara an die Bettelweiber in den Straßen Kolkatas; die sitzen ebenfalls wie ein Tier auf dem Boden, still und ergeben, dass man mit ihnen machen kann, was einem in den Kopf kommt. Schweigend betrachtet sie die Schwägerin, dann wendet sie sich ab.

      Nebenan in der Küche winselt Brombeere, der ausgesperrt wurde, weil er nicht verbergen kann, was er für Rahul und Savita empfindet.

      „Gib Ruhe, gleich lasse ich dich frei“, knurrt Barbara und gießt sich einen Whisky in Rajus Glas.

      Oben auf der Treppe erscheint für einen Augenblick die alte Mutter, die, als sie Barbara sieht, sogleich wieder in ihre Zimmer verschwindet.

      Barbara berührt Raju an der Schulter. „Was ist los, Raju?“

      Der spricht etwas gegen die Tischplatte. Er spricht in Bengali, so dass Barbara ihn nicht verstehen kann.

      „Wie kommt Savita hierher? Was will sie? Wo hat sie die ganze Zeit gesteckt?“

      Raju zuckt mit der Schulter.

      Heute ist aus Raju nichts herauszubekommen, sie muss bis zum nächsten Morgen warten, um zu erfahren, wie alles gekommen ist und was sich zugetragen hat.

      In der Nacht hat sie aufstehen und Aspirin nehmen müssen, weil sie das Gefühl hatte, ihr Kopf würde auseinander gerissen. Vor ihrem Bett schlief Raju auf dem Fußboden, wie einer ihrer Hunde, neben sich einen halbvollen Wassereimer.

      Im Zimmer der alten Mutter war es dunkel, aber sie hörte Flüstern, eindringlich und erregt. Rahul und seine Frau waren nicht mehr im Wohnzimmer. Sie sind wohl zur alten Mutter schlafen gegangen. Barfuß, leise schlich Barbara nach unten in die Küche, wo Pran neben dem Herd in seine Decke gewickelt schlief; Brombeere drückte sich fest an ihn und hob nicht einmal den Kopf, als sie eintrat. Sie schluckte die Tablette und schlich wieder nach oben, und da sah sie einen Lichtstreif unter der Tür der alten Frau. Und immer noch war ihr, als würde aufgeregt geflüstert ...

      Barbara stieg wieder in ihr Bett, und jetzt wurde Raju wach. Er ging ins Bad, und als er sich wieder auf den Boden legen wollte, schlug Barbara das Moskitonetz zurück.

      „Komm ins Bett.“

      Raju zögerte, dann legte er sich an ihre Seite, ohne sie zu berühren. Lange lagen sie nebeneinander, hellwach, alle beide, und horchten auf den Atem des anderen. Barbara, die den Schlaf herbeisehnte, konnte vor Anspannung und Unruhe nicht müde werden; sie wartete und horchte, ob Raju sich bewegte, ob der Muezzin nicht bald rufen würde, ob im Hof sich der Hund hören ließ.

      Im Osten hellte sich der Himmel auf.

      „Du hast ein Recht, böse zu sein“, hörte sie neben sich Raju sagen. Er lag so dicht, dass sie seinen Atem spürte.

      Barbara ließ sich Zeit, ihm zu antworten. Dann flüsterte sie, und ihre Stimme klang, als müsste sie an der Frage ersticken:

      „Wie kommt Savita hierher? Sag, hattest du deine Finger dabei im Spiel?“

      „Ich weiß nicht, ob Savita noch mit meinem Bruder zusammenlebt. Wenn sie glaubt, bei uns eine Bleibe für längere Zeit zu finden, dann irrt sie; sie muss in ihre Familie zurückgehen. Sie ist selbst der Mutter zuviel!“

      „Hat sie denn vor, hier zu bleiben?“

      „Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts. Plötzlich klopfte es ans Tor – und als Ashim öffnete, da stand sie da.“

      Immer noch wirr und unzusammenhängend erzählte Raju ihr, woran er sich erinnerte, und es dauerte nicht lange, da wurden aus Sätzen Wortfetzen, Silben ... Raju war wieder eingeschlafen.

      An diesem Morgen bleiben Raju und Barbara allein beim Frühstück. Weder die Mutter noch Rahul und seine Frau sind herunter gekommen. Pran hat der alten Frau und den Gästen zur gewohnten Zeit den Tee nach oben getragen; jetzt werkelt er in der Küche, und die Tür hat er zugezogen, als wollte er es der Herrschaft erleichtern, sich auszusprechen.

      Still, mit hängenden Köpfen sitzen beide einander gegenüber. Hin und wieder schielt Raju zu seiner Frau auf, aber er meint, dass sie ihren Kopf nur noch tiefer hängen lässt. Sie muss doch einsehen, dass er nichts dafür kann, dass Savita hier aufgetaucht ist. Wenn sie enttäuscht, gekränkt oder gar verärgert ist, dann deswegen, weil er wieder zur Whiskyflasche gegriffen hat. Er hätte Rahul nicht nachgeben sollen. Aber der stichelte ohne Ende, nannte ihn willenlos, einen Weichling, der sich vor seiner westlichen Frau klein mache und kein indischer Mann mehr wäre. Wenn sie sich in Kolkata vergnüge, dann dürfe doch ihr Mann in seinem Haus einen Whisky trinken. Rahul gab keine Ruhe, bis Raju schließlich den Whisky aus seinem Versteck holte.

      Kann er das seiner Frau erklären?

      Vorsichtig schiebt sich seine große, fleischige Hand über den Tisch zu ihr hin. Und als er sie berührt, lässt sie ihren Löffel fallen und beginnt leise zu weinen.

      „Bärbel ...“

      Eine kurze Zeit erträgt sie seine Berührung, dann schlägt sie plötzlich beide Hände vor ihr Gesicht, schiebt den Stuhl vom Tisch und weint so heftig, dass der ganze Körper geschüttelt wird.

      Raju ist hilflos. Wie soll er sie trösten? Wie sie beruhigen? Er weiß keine Worte. Kann er ihr sagen, wie sehr Rahul ihm zugesetzt, wie er ihn als willensschwach und nachgiebig verhöhnt hat?

      Nein, dann könnte ihre Abneigung gegen den Bruder in offenen Hass umschlagen.

      Ohne es richtig gewollt zu haben, ist er um den Tisch gegangen, um sie in die Arme zu nehmen. Wie bei einem zu tröstenden Kind bewegt er sich hin und her, und dabei lässt er einen tiefen, kaum hörbaren Ton hören, einen in der Brust vibrierenden Ton, den Barbara mehr spürt als hört.

      Als sie oben die Stimmen der Schwiegermutter und des Schwagers hört, macht sie sich aus Rajus Umarmung frei, mit dem Handrücken wischt sie die Tränen ab, lächelt zu ihm auf und läuft zu Pran in die Küche, um ihn wissen zu lassen, dass er abräumen kann.

      Barbara macht sich im Garten an den Blumen zu schaffen. Bei der Garage beschneidet Ashim Büsche, die die Wege versperren. Schwanzwedelnd kommt Himbeere zu ihr und lässt sich schnaufend in den Schatten fallen.

      Es ärgert sie, dass sie sich nicht beherrschen konnte und dem Drang zu weinen nachgegeben hat. Ja, hier in Indien, das sagt sie sich, bricht sie selbst bei Nichtigkeiten in Tränen aus, obwohl das, womit sie gestern überrascht worden ist, keine Lappalie war. Sie möchte mit klaren Gedanken diese Sache ansehen können – wird das noch möglich sein?

      Barbara erschrickt, als vor ihr Rajus Schatten auftaucht – verlegen lächelnd sieht er auf sie herunter, sieht zu, wie sie alles Verblühte von den Zweigen dreht. Schwer atmend, ihre Hand festhaltend, kniet er sich neben sie.

      „Es tut mir leid, Bärbel, so leid ... Vergib mir.“

      „Vergeben? Ich habe Angst, Raju, Angst um dich. Wenn Rahul trinkt, der bei uns wohnt ... Raju, er sieht in dir nur den jüngeren Bruder, über den er sich erheben kann. Immer wieder wird er versuchen, dich zu verführen, weil er weiß, dass er mich damit treffen kann. Ach, Raju, es wird erst

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