Raju und Barbara. Wilhelm Thöring

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Raju und Barbara - Wilhelm Thöring

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Seitdem graut ihr vor den Ärzten und vor Holi. Sie mag nicht die ausgelassenen Menschen, nicht ihr Treiben, ja, sie fürchtet sich; und darum warnt sie alle im Haus, während des Feiertags nicht aus dem Haus zu gehen. Sie bitte Raju, darauf zu achten, dass Ashim das Tor verschlossen hält. Ihren Leuten lässt sie durch Raju sagen, sie sollen nur ganz kleine Farbmengen mitbringen, mit denen sie einander Arme und Stirn bestreichen, nicht mehr! Denn von Raju weiß sie, dass die Menschen sich vor lauter Übermut Flaschen, sogar Eimer mit Farben über den Körper gießen, und dass sie in letzter Zeit dazu nicht nur Naturfarben, sondern auch Industrieprodukte nehmen, die nicht mehr abzuwaschen sind. Er selbst habe sich dabei immer zurückgehalten, erzählt er, und sei dem wüsten Treiben aus dem Weg gegangen. Ja, auch er wünsche es nicht, mit Farbe begossen oder mit Farbbeuteln beworfen zu werden.

      „Ihr habt es gehört: Das Tor bleibt zu!“

      Die Leute stehen aufgereiht vor der Terrasse. Raju sieht einen nach dem anderen drohend an, und die Leute wackeln mit dem Kopf: Ja, sie haben verstanden: Keiner wird das Tor öffnen! Obwohl niemand versteht, warum Spaß und Freude an Holi draußen vor dem Tor bleiben sollen.

      Mit der alten Mutter sitzen sie auf der Terrasse, um sie herum, hinter der Mauer, quieken und kreischen die Leute, die an dem gegenseitigen Einfärben ihre Freude haben. Beide Hunde jagen aufgebracht bellend von einem Ende des Gartens zum anderen und sind durch nichts zu beruhigen.

      Barbara liest, oder sie tut so, denn das Johlen hinter der Mauer lenkt sie ab und lässt Erlebtes wieder lebendig werden. Raju zeichnet, es sieht aus, als sollte es eine Brücke werden. Barbara freut sich, dass er sich damit beschäftigt und sie möchte ihn fragen, was ihm vorschwebt und ob es eine Brücke über einen Fluss oder ein Tal werden soll. Manchmal hebt er den Kopf und lauscht, dann vertieft er sich wieder in die Arbeit.

      Die Mutter legt, wie meistens, Patiencen. Damit verbringt sie viele Stunden am Tag, jetzt, da sie allein ist und nicht mehr den Vater zu bedienen hat. Manchmal sucht sie das Gespräch mit dem Sohn, doch dem steht nicht immer der Sinn danach, er hört sie schweigend an, dann geht er. Und mit den Leuten mag sie auch nicht reden, die sind zurückhaltend und antworten nur, sie erzählen nichts, denn sie ist die Memsahib. Sie würde gerne einmal durch das Tor spähen, aber das gäbe Ärger. Sie hat den Sohn am Morgen gefragt, warum er Holi aussperre; alle Welt freue sich auf diesen Tag, sie auch, ihr ganzes Leben lang hätte sie das Holi-Treiben mitgemacht, und jetzt dürfe es in diesem Haus nicht gefeiert werden.

      Raju blickt von seiner Arbeit auf, als hätte er ihre Gedanken erraten. Eine Weile sieht er sie mit abwesendem Blick an, schiebt die Unterlippe vor, dann vertieft er sich wieder in die Skizze.

      Die Hitze hat nachgelassen und das Treiben hinter der Mauer zugenommen, als mit einem harten Gegenstand ans Eisentor geschlagen wird. Raju will es überhören und nicht nachsehen, aber beide Hund gebärden sich wie wild, sie springen am Tor hoch, sie geifern und überschlagen sich und sind wie von einem Tobsuchtsanfall gepackt und wissen sich nicht zu lassen.

      Der Gärtner kommt mit einer Latte bewaffnet an die Terrasse gelaufen, Raju nickt ihm zu:

      „Geh, sieh nach!“

      Das Tor wird von außen aufgestoßen, als er den Riegel zurückgeschoben hat und Jasbir und Arun drängen, mit unterschiedlichen Plastikflaschen beladen, in den Hof, vom Kopf bis zu den Sandalen sind sie mit dunklem Farbwasser übergossen, so dass sie zuerst nicht zu erkennen sind. Beide sind stark angetrunken. Sie wären gekommen, um mit dem alten Freund und seiner blonden Frau Holi zu feiern, grölen sie und begießen sich gegenseitig noch einmal mit Farbe. Ashim hat die Hunde am Halsband weggeführt, Barbara ist aufgesprungen und ins Haus gelaufen, und die Tür hat sie hinter sich verschlossen. Hinter der Scheibe sieht sie, wie Raju versucht, sie loszuwerden, wie er auf sie einredet und, unterstützt von Ashim, sie auf die Straße zu drängen. Jasbir hat zwei Flaschen entkorkt, deren Inhalt er über den verärgerten und schimpfenden Raju ausgießt. Die alte Mutter, die einschreiten und den Sohn und seine Freunde beruhigen will, bekommt auch ihr Teil ab, aber sie lacht nur darüber und wringt ihren Sari aus. Jetzt möchte sich Jasbir Barbara vornehmen. Er versucht, ins Haus einzudringen, obwohl Raju sich an ihn klammert, um ihn daran zu hindern.

      „Bärbel, komm heraus“, ruft Raju. „Lass es hier draußen über dich ergehen. Komm heraus!“

      In alten Kleidern, die sie schnell angezogen hat, kommt sie auf die Terrasse, wo die beiden unter großem Hallo alles, was sie mitgebracht haben, über ihr ausgießen.

      „Die Dreckskerle hätten es auch in der Wohnung getan“, meint Raju. „Sie sagen, die Farben wären sauber, keine Chemie ... Ich habe ihnen angedroht, dass sie für die Arztkosten aufkommen müssten, wenn einer von uns krank würde.“

      Ninu, die Haushilfe, muss den beiden einen Whisky einschütten, dann drängen Raju und Ashim sie, zu gehen. Raju hakt sich bei beiden unter und führt sie auf die Straße.

      Die Schwiegermutter lacht wieder, sie ist vergnügt wie ein Kind, verreibt das farbige Wasser auf ihrem Körper und klatscht in die Hände und brabbelt ununterbrochen vor sich hin.

      Als Raju hinter ihnen das Tor verriegelt, tritt er dagegen und ruft ihnen nach: „Sala! Toba! (Mistkerl! Tu es nie wieder!)“.

      Er tritt noch einmal, als hätte er einen von beiden vor sich.

      Barbara wischt mit ihrer Kleidung die Farbe vom Gesicht und aus den Haaren.

      „Wenn die das im Haus gemacht hätten! Glaube mir, mir wären die Nerven durchgegangen, Raju! Weiß der Kuckuck, was ich denen angetan hätte ... Wer hat denn diesen Einfall gehabt?“

      „Wer? Natürlich der Jasbir. Arun sagte mir, zuerst hätte er nicht mitkommen und Jasbir davon abhalten wollen, dann, nach etlichen Whisky, wäre er mitgegangen.“

      Sie selbst ist wohl ebenso unkenntlich geworden wie Raju, glaubt Barbara, denn er ist über und über blau, grünlich und lila; seine Kleidung wird sie wegwerfen müssen, und ihre auch. Beinahe flüsternd sagt sie zu ihm:

      „Und mit solchen Leuten triffst du dich! Und du trinkst mit ihnen ...“

      Dann macht sie kehrt, und noch während sie geht, reißt sie sich die nassen und verfärbten Kleider vom Leibe.

      Die alte Mutter sieht ihr verständnislos nach, und kichert, nicht nur aus Schadenfreude, sondern auch darüber, dass sie dennoch zu ihrer Holifreude gekommen ist.

      4

      Seit diesem Überfall am Holifest fährt Raju nicht mehr so häufig in die Stadt. Vielleicht ist er auch mehr mit den Gedanken bei seinem Bruder Rahul, den sie jeden Tag erwarten. Sie fragen sich, ob Savita, seine Frau, ihn begleiten und bei ihm bleiben wird. Hier könnte es ihr gefallen, sie hätte alle Annehmlichkeiten und ließe sich von der Schwägerin und ihrem Personal bedienen, wie sie es von den Hotels kennt, in denen sie viele Male gewohnt hat.

      Jeder Tag, der vergeht, lässt die Anspannung wachsen. Sie horchen auf, wenn ein Auto durch die Straße fährt, wenn jemand etwas ruft oder irgendeine laute Stimme zu hören ist.

      Sogar die alte Mutter hat sich anstecken lassen, aber bei ihr ist es nicht Furcht vor diesem Besuch, sondern Freude.

      Unbemerkt hat sie mit Ninus Hilfe Kleidung für ihren kranken Ältesten nähen lassen und alles unter ihrem Bett versteckt und der Ninu eingeschärft, keinen Karton beim Putzen hervorzuholen, denn es dürfe niemand etwas davon erfahren, schon gar nicht die Memsabib.

      Einmal, nachdem Barbara prüfend durch alle Zimmer gegangen ist, versteckte

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