Raju und Barbara. Wilhelm Thöring

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Raju und Barbara - Wilhelm Thöring

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sie auf und schaut aus dem Fenster, weil Ashim das große Eisentor öffnet. Es ist nicht Raju, der heimkommt – es ist eine fremde, eine europäische Frau, die mit dem Gärtner, spricht und sich zeigen lässt, wo sie die Herrschaft findet. Der deutet nach dem Haus, und die Fremde kommt eilig und resolut, als machte die Hitze ihr nichts aus, zur Terrasse, wo Barbara auf sie wartet.

      „Sind Sie Frau Sharma“, fragt sie in reiner deutscher Aussprache.

      „Ja, die bin ich.“ Barbara streckt ihr die Hand entgegen. „Wie wohltuend, einmal aus dem Mund eines Fremden meine Muttersprache zu hören!“

      Beeindruckt und anerkennend bestaunt die Fremde das Haus, sie besieht den Garten, wo sich Ashim hinter einem Wald von fast mannshohem, rot blühendem indischen Blumenrohr versteckt, um herzu zu springen, wenn es nötig ist. Himbeere ist über den Besuch so aufgebracht, dass er sie anbinden muss. Aufmerksam, versteckt im Dunkel des Hauses, wacht der Riesenschnauzer Brombeere.

      „Ach, was haben sie nur für ein prächtiges, feudales Haus“, staunt die Fremde. „Hier, so weit draußen von Kolkata, wo es fast schon wie im Dschungel aussieht, vermutet niemand, so etwas anzutreffen. – Bitte, entschuldigen Sie, ich vergaß, mich vorzustellen: Mein Name ist Sonnenberg, Ruth Sonnenberg. Ich bin Pastorin für die evangelischen Deutschen in Kolkata ...“

      Sie drückt noch einmal Barbaras Hand, und das lockt den Riesenschnauzer hervor, der sich wachsam, beobachtend und drohend zwischen Barbara und die Pastorin drängt.

      Im Wohnzimmer nimmt die Pastorin hinter dem Tisch auf der Couch platz, wo sie sich vor dem Hund sicher glaubt. Pran bringt Tee und von den dünnen Pfannkuchen Alu Paratha, die die alte Frau sich gewünscht hat. Die Pastorin bedankt sich bei Pran auf Bengali, der sich sehr freut, dass eine Ausländerin ihn in seiner Sprache anspricht. Abwartend bleibt er in der Tür stehen, aber mehr hat diese Frau ihm nicht zu sagen.

      Eine Weile sitzen die beiden Frauen einander schweigend gegenüber, die Pastorin nippt vom Tee und kostet und lobt die Alu Paratha, dann beginnt sie, um die Hausfrau einschätzen zu können, Barbara behutsam zu befragen, wo sie in Deutschland zu Hause gewesen ist, in welchem Beruf sie gearbeitet und warum es sie jetzt, so spät, nach Indien verschlagen hat.

      Und Barbara erzählt freimütig, wonach die Besucherin fragt. Kinder habe sie keine, fügt sie hinzu, die sie in Europa hätte zurücklassen müssen; so wären sie und ihr Mann übereingekommen, den Lebensabend hier in seiner Heimat zu verbringen.

      Sie schweigt plötzlich, weil die Schwiegermutter lautlos nach unten gekommen ist. Sehr aufrecht und ein wenig von oben herab steht sie in der Tür und betrachtet den Gast. Die Pastorin hat sich erhoben, und so, wie sie mit dem Koch, gesprochen hat, spricht sie die alte Frau in ihrer Sprache an. Die lacht vor Freude laut auf und begrüßt die fremde Frau ehrerbietig. Unaufgefordert setzt sie sich zu den beiden Frauen und redet munter drauflos, sie ist wohl im Glauben, die fremde Frau wäre zu ihr gekommen. Die unterhält sich eine schickliche Zeit mit ihr, dann wendet sie sich wieder der Schwiegertochter zu und redet mit ihr in der Sprache, in der Barbara alles mit Raju bespricht, was sie oft misstrauisch werden lässt, wenn in ihrer Gegenwart diese Sprache gesprochen wird.

      Eine Gesprächspause ist der alten Frau willkommen, selbst in das Gespräch einzugreifen und der Fremden, die so hervorragend ihre Sprache spricht, von ihrem Kummer zu erzählen, dass die jungen Leute nicht an Nachwuchs denken, für den Mann und Frau doch geschaffen wären. Und auch von der Fremden wird ihr erklärt, was sie von ihrem Mann gehört hat, dass für die Schwiegertochter die Zeit des Kinderkriegens lange vorüber wäre.

      Dann müsse der Sohn mit einer anderen Frau Kinder bekommen, sagt sie, das wäre nicht ungewöhnlich.

      Pastorin Sonnenberg lacht. Sohn und Schwiegertochter hätten in Deutschland geheiratet, da gehe es nicht, eine andere Frau zu nehmen und mit ihr Kinder zu bekommen.

      Aber er hätte diese Frau geheiratet, sagt die Schwiegermutter, ohne den Vater oder den älteren Bruder um Erlaubnis zu bitten, und sie hätte auch erst von dieser Heirat erfahren, als die Zeremonie schon vorüber war.

      Die Pastorin wendet sich wieder an Barbara, ohne ihr von dem zu erzählen, was die alte Frau so bedrückt. Sie rät ihr, bald die Landessprache zu lernen, dadurch würde für sie nicht nur der Alltag leichter, sie könne sich auch unabhängiger von ihrem Mann bewegen.

      Die alte Frau will das Gespräch mit der Fremden nicht nur der Schwiegertochter überlassen und still daneben sitzen. Sie kommt immer wieder auf das zu sprechen, was sie bewegt und ihr Kummer bereitet, so dass die Pastorin Sonnenberg sich bald verabschiedet und Barbara einlädt, den Kreis der deutschen Damen zu besuchen, den sie betreue, und zu dem sich nicht nur die evangelischen Frauen träfen, sondern auch Mitglieder anderer christlicher Gemeinschaften, sogar Hindus und eine Muslima wären da. Beim Abschied holt sie eine Einladung aus ihrer Handtasche, auf der die Termine für das erste Halbjahr genannt werden.

      „Ich würde mich freuen, wenn Sie einmal vorbeikämen“, sagt sie. „Ich denke, es wird Ihnen gut tun, von anderen zu hören, die in einer ähnlichen Situation leben.“

      Ja, das werde sie, verspricht Barbara.

      Wenn Raju halbe oder ganze Tage in der Stadt verbringt, dann kann ich gelegentlich auch einmal allein dahin fahren, denkt sie. Vor dem Haus wartet noch die gelbe Taxe, mit der die Pastorin hergekommen ist. Ja, sie nehme die Einladung an und werde sich in jenem Kreis sehen lassen, versichert sie noch einmal und verschließt das große Eisentor; sie geht nicht ins Haus zurück, wo die Schwiegermutter noch am Tisch wartet, sondern sie macht sich im Garten zu schaffen, spielt mit Himbeere, sieht nach dem Lager des Hundes und verbringt viel Zeit mit solchen Dingen.

      Jetzt erst kann sie sich über den Besuch der Pastorin Sonnenberg so richtig freuen. Ja, sie ist fest entschlossen, sie in ihrem Kreis zu besuchen, bald schon.

      2

      Raju ist in der Stadt, als für ihn ein Brief am Tor abgegeben wird. Ashim trägt ihn ins Haus, wo die Schwiegermutter ihn an sich nimmt. Sorgsam, dabei die Lippen bewegend, liest sie, was auf dem Umschlag steht, dann klopft sie mit einem Finger darauf und sagt zu Barbara wie um zu verhindern, dass die Schwiegertochter den Brief öffnet: „Raju! Raju!“

      Dieser Brief bedeutet nichts gutes, denkt Barbara. Wenn sie ihn doch lesen könnte! Da liegt er auf der Anrichte und ruft Unruhe, ja, Beklemmung in ihr hervor, wenn sie ihn ansieht. Vielleicht weiß die alte Frau mehr – die läuft immer wieder einmal dahin, betrachtet ihn und liest den Adressaten, und manchmal dreht sie sich zur Schwiegertochter um und sieht sie mit einem sonderbaren Blick an. Schließlich nimmt Barbara den Brief und trägt ihn ins Schlafzimmer. Jetzt, da er aus dem Zimmer ist, wird sie allmählich ruhiger.

      Es ist schon dunkel, wieder einmal ist der Strom ausgefallen und Ashim hat den Generator im Verschlag hinter dem Haus einschalten müssen, als Rajus Wagen in den Hof fährt. Er hat getrunken, denn Kali muss ihn halten und führen. Und wieder sind seine Augen blutunterlaufen und die wuchtigen und wulstigen Lippen wie bei einem trotzigen Kind vorgeschoben. Die alte Frau geht sofort nach oben, als sie den Sohn sieht.

      Nein, heute wird Barbara ihm den Brief nicht geben, das hat Zeit bis morgen, bis er klar im Kopf und ausgeruht ist. Beim Auskleiden erzählt er, dass Arun und Jasbir sich nach ihr erkundigt hätten.

      „Du hast schönes Haar, sagen sie, wie reifes Stroh.“

      Mit seinen Fingern fährt er durch ihr Haar, als müsste er sich davon überzeugen, dass es so ist, wie die Freunde sagen.

      „Arun meint, ich hätte es nicht leicht mit dir. Westliche Frauen wären eigenwillig, wären

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