Tod auf den Gleisen. Elisa Scheer
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Maja war nett, fand sie. Alle waren nett, außer dem dämlichen Trattner, diesem eitlen Affen, und natürlich der hysterischen Mendel.
Mit diesem Ederer hatte sie noch nie ein Wort gewechselt – und mit einer Menge anderer aus dem Kollegium auch nicht. Bestimmt brauchte sie ein Jahr, bis sie alle kannte. Und bei einigen von den Referendaren lohnte es sich wahrscheinlich auch gar nicht. Bis sie deren Namen drauf hatte, kehrten sie an die Seminarschule zurück oder wechselten an eine andere Einsatzschule.
So, das erste Regal stand!
Ein bisschen korrigieren?
Nein, erst das zweite Regal. Das Ex hatte wirklich Zeit bis Montag. Das Regal, dann beide schön einräumen, einige leere Kisten in den Keller, den Unterricht für morgen vorbereiten – und dann korrigieren. Wenn sie dann noch Lust hatte, hieß das!
Konnte es eigentlich sein, dass es an dieser Schule so harmonisch zuging? Sie kannte ja nur zwei andere Schulen, aber dort waren Cliquenbildung und richtig giftige Zänkereien im Lehrerzimmer gang und gäbe gewesen, die Kollegen hängten sich gegenseitig beim Schulleiter hin und da, wo sie im Zweigschuleinsatz gewesen war, hatte die Chefin das auch ausgenutzt – divide et impera, offensichtlich. Und hier war alles Friede, Freude, Eierkuchen?
Wahrscheinlich blickte sie nur noch nicht richtig durch, überlegte sie, während sie das zweite Regal fertig aufbaute und es mit dem ersten verband. Probehalber rüttelte sie an der Konstruktion: stabil. Vor allem, wenn sie jetzt noch ihre Ordner ins unterste Fach stellte.
Das Einräumen war ein Genuss – plötzlich war ihr ganzer Schulkrempel übersichtlich untergebracht und sie fand beim Leeren der letzten Kisten noch Klarsichthüllen, Eckspanner und den Klebestift, den sie letzte Woche vergeblich gesucht hatte. Und die Bücher waren auch alle wieder da!
Sie faltete die überflüssigen Kisten zusammen und lehnte sie im Flur an die Wand. Was jetzt?
Vorbereiten.
Ach nein, später. Neben dem Bett konnte sie doch zwei Kisten als Regalersatz aufbauen und ihre Pullis und T-Shirts darin stapeln… vielleicht tauchte dabei ja auch der ominöse Blazer wieder auf?
Die einzige Zimtzicke, die an die Schulen aus der Referendarzeit erinnerte, war die Mendel. Aber die hatte dafür schon krass einen an der Waffel, fand Doro, während sie ungeahnte Schätze aus einer Kleiderkiste holte, alles auf dem Bett aufstapelte, die Deckflächen nach innen drückte und die Kiste mit dem Boden zur Wand und der Öffnung nach vorne neben dem Bett platzierte. Burnout reichte da wirklich nicht – vielleicht ein Schicksalsschlag? Oder ein Gehirntumor? Oder ein Suchtproblem?
Dass der Mendel nicht wirklich mal einer eins überzog? Musste es da nicht manche dauernd im Handgelenk jucken, bei dem dummen Geschwätz? Oder dachten sich Leute wie Hilde Suttner dann doch nur Leck mich und fragten andere, ob sie eine Aufsicht übernehmen könnten?
Unfair wäre das aber wirklich – so käme die Mendel völlig ohne Arbeit davon! Man müsste sie in eine Situation bringen, wo Dr. Eisler nicht mehr anders konnte als ein Disziplinarverfahren einzuleiten… Also, wenn sie eine Möglichkeit sah, jemandem wie Luise Wintrich dabei zu helfen, dann würde sie es auch tun – aber hallo!
Sie arrangierte die Bücher noch etwas besser, faltete ihre beiden Strickjacken ordentlich, platzierte noch eine zweite stabile Kiste auf der ersten und faltete ihre paar Jeans – die dunkelblauen, die grauen, die braunen, die roten Cordjeans, die rehbraunen Chinos. Gar nicht so übel, fand sie.
Das reichte für heute! Sie schleifte die übrigen Kisten in den Keller – der war bei Gelegenheit auch mal fällig! – und setzte sich unlustig an den provisorischen Schreibtisch. Abendessen? Erst mal planen und ein bisschen vorbereiten, es war ja erst halb sechs. Morgen hatte sie sowieso bloß drei Stunden. Und Sprechstunde! Also fuhr sie ihren Rechner hoch, trug die Noten von dieser Woche ein, druckte die aktuellen Klassenlisten aus und packte sie in die Sprechstundenmappe. Immer das erste, was die Eltern wissen wollten: Wie steht er/sie denn jetzt? Sie nahm sich nun doch das Ex vor und blätterte ein bisschen darin herum. Okay, die erste Frage!
Nach der Hälfte verlor sie etwas die Lust. Lieber dachte sie sich ein neues Ex für morgen im Deutschkurs aus, wenn die schon so brav mitgearbeitet hatten!
Das ging flotter; zufrieden zog sie die fertige Angabe aus dem Drucker und tütete sie ein. Halb sieben… gut, etwas Gemüse, ein hartes Ei und eine kleine Scheibe Vollkornbrot. Abends wenig Kohlenhydrate, das war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, und so war es auch nicht schwer, die Figur zu halten. Schwierig war es eher, während des Schultags das Essen nicht ganz zu vergessen.
Und danach lief sie am besten eine halbe Stunde durch die rührend altmodischen Innenhöfe, die es hier in Selling überall gab.
Während sie an Teppichklopfstangen und Garagenhöfen vorbeijoggte, überlegte sie weiter, ob sie das Kollegium eigentlich richtig einschätzte. Eigentlich war es mit ihrer Menschenkenntnis ja nicht arg weit her – immer schon hatte sie gestaunt, wenn ihr jemand erzählt hatte, wer es angeblich mit wem trieb…
Gab es am Mariengymnasium eigentlich Pärchen? Sie musste wirklich mal versuchen, auf so etwas zu achten!
Dieser Trattner war offenbar hinter Katja Herzberger her, aber die zeigte wenig Interesse. Ob die Mendel verheiratet war? Vielleicht ging der Alte fremd und sie war deshalb so durchgeknallt und fühlte sich von der ganzen Welt verfolgt?
Wahrscheinlich waren die meisten anderen brav und bieder verheiratet. Wintrich und Suttner waren bestimmt auch schon vergeben, die sahen ja auch schon so toll aus…
Obwohl, die Wintrich war so der Inbegriff der Karrierefrau. Und ein bisschen kaltschnäuzig. Klasse, aber hatten Männer vor solchen Frauen nicht Angst?
Vor ihr hatte noch nie einer Angst gehabt. So erfolgreich war sie eben nicht! Deswegen war sie aber trotzdem schon länger solo.
Huch, die Boutique in der Düsseldorfer Straße machte Räumungsverkauf? Gaben die auf? Wieso das denn - viel wichtiger: Gab´s da Schnäppchen? Doro drehte bei und spähte in die Schaufenster.
Ach, die hatten immer noch auf? Um die Zeit ging doch in dieser braven Gegend niemand mehr einkaufen, da saßen doch alle beim Abendessen? Oder schon vor den Fernsehnachrichten.
Sie trat ein und wurde von einem Ständer mit Blazern magisch angezogen. Die meisten waren riesig, Größe 46 und mehr, aber sie fand auch einige 38er. Der braune Tweedblazer war schön… nur 49 Euro? Gekauft! Und der beige-blau karierte? Scheußliche Knöpfe. Aber der camelfarbene Boucléblazer war tadellos. Sie schlüpfte hastig in beide – sie saßen auch gut. Und diese graue Flanellhose, ach, auch 38? Und von 129 auf 24 Euro runtergesetzt? Da musste man doch mal ganz schnell in die Kabine…
Perfekt!
Sie freute sich, dass sie die Karte dabeihatte, zahlte und joggte mit einer riesigen Papptüte nach Hause zurück.
Nein, da hatte das blöde Ex jetzt leider Pech gehabt: Jetzt musste sie ihre Neuerwerbungen aufhängen. Und das Pfeffer-und-Salz-Ding suchen.
Wohin aufhängen? Verflixt, sie brauchte einen Kleiderschrank! Sie wusste genau, wo er stehen sollte (gleich nachher ausmessen) – schließlich konnte ja nicht alles an ihren dürftigen zwei Türklinken baumeln.
Sie packte vergnügt aus, hängte so viel an die Türklinken wie irgend möglich, wühlte nach dem Blazer – und fand vergessene Schuhe, die dunkelbraune Strickjacke