Tod auf den Gleisen. Elisa Scheer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tod auf den Gleisen - Elisa Scheer страница 8
„Ach nein? Dort ist es totenstill!“
„Also, erstens stehen dort zwei Rechner!“
„Ja, und? Außer leisem Klicken verursachen die auch keine Geräusche. Die Lautsprecher sind deaktiviert.“
„Aber der Elektrosmog!“
„Das ist doch Unsinn. Außerdem ist der Raum sogar klimatisiert. Alle freien Radikale werden auf der Stelle abgesaugt.“
„Machen Sie sich über mich lustig?“
„Würde ich nie wagen. Der Raum ist wirklich ungefährlich. Und zweitens?“
„Was?“
„Sie hatten noch einen zweiten Grund?“
„Was? Ach so – ja. Nebenan kriegt man doch nichts mit!“
„Frau Uhl, beides können Sie nicht haben. Wenn Sie hier alles mitkriegen wollen, müssen Sie auch die entsprechenden Geräusche dulden. Entscheiden Sie sich. Aber hier gibt es kein Redeverbot.“ Die Uhl trollte sich ärgerlich, und Luise verdrehte kurz die Augen zum Himmel, fuhr sich durch die dunklen Locken, grinste und sagte: „Ich muss dann mal wieder…“
„Himmel, ich auch gleich! Dass Freistunden immer so schnell vorbei sind?“
Der Geographiekurs war lustlos und schlecht vorbereitet. Doro bemühte sich vergeblich, sie mitzureißen, und fragte schließlich gereizt: „Was habt ihr heute bloß? So kenne ich euch ja gar nicht!“
„Ach, Frau Fiedler, wir schreiben nachher ein Mathe-Ex…“
„Alle? Seid ihr alle im gleichen Mathekurs?“
„Nein… aber die Suttner hat was angedeutet -“
„Frau Suttner. Soviel Zeit muss sein.“
„Frau Wintrich, Frau Körner, Herr Liegnitzer und Herr Meidlinger. Die haben sich alle abgesprochen, ist das nicht eine Gemeinheit?“
„Mir kommen die Tränen. Na, aber wenn ihr schon Bescheid wisst, dann seid ihr doch sicher gut vorbereitet. Besser kann´s doch gar nicht kommen?“
„Aber wir können das doch nicht!“
„Ach nein? Was macht ihr denn gerade?“
„Ableiten“, äußerte Verena aus der ersten Reihe voller Ekel. „Wozu das gut sein soll, weiß hier auch keiner.“ Doro verdrehte die Augen. „Leute, mit der Haltung kommt ihr aber in der Oberstufe nicht weit.“
„Sie klingen schon wie die – äh, wie Frau Suttner.“
„Die hat ja auch ganz Recht. Also, welche Ableitungsregeln solltet ihr draufhaben?“
„Potenzregel!“, rief Max von ganz hinten.
„Babykram“, äußerte Doro verächtlich und griff zur Kreide. Der Kurs folgte ihrer knappen Erklärung und den zwei Beispielen atemlos.
„Woher können Sie so was? Geben Sie auch Mathe?“
„Gotteswillen, nein! Leute, ich hab Abitur. Und ab und zu mal aufgepasst. Und ein gutes Gedächtnis. Was ist mit der Produktregel?“
Binnen zehn Minuten hatte sie alle Regeln vorgestellt und betrachtete ihren Kurs missvergnügt. „Wisst ihr, ich habe echte Schwierigkeiten, zu glauben, dass eure Mathelehrer euch das nicht schon mehrfach erklärt und mit euch geübt haben. Passt ihr eigentlich nicht auf? Macht ihr keine Hausaufgaben?“
„In der Oberstufe muss man doch keine Hausaufgaben mehr machen!“, erklärte Susi, die vorne neben dem Fenster saß und sich offenbar auch jetzt keine Notizen gemacht hatte.
„Wie kommst du denn auf den Blödsinn?“
„Hat die Frau Suttner gesagt!“
„Quatsch, du dumme Nuss!“, rief Annika quer durchs Zimmer. „Sie hat gesagt, das ist unsere Sache, sie kontrolliert bei erwachsenen Leuten nicht die Haushefte. Aber sie bespricht die Hausaufgaben doch!“
„Eben“, kommentierte Doro. „Also, wer in der Oberstufe keine Hausaufgaben macht – und bzw. oder sich nichts notiert, liebe Susi, der wird hier nicht alt. Besser gesagt, er oder sie wird hier alt und grau, bis er oder sie endlich mal ein ganz schlechtes Abitur hat oder ganz ohne rausfliegt. Glaubt ihr eigentlich, wir können euch die Fähigkeiten, die ihr später braucht, anhexen?“
„Fähigkeiten? Wozu brauchen wir den Kram denn?“
Doro fand ohnehin, dass Susi in der Oberstufe fehl am Platz war. Dumm und faul – ach nein, das hieß überfordert und ungenügender Arbeitseinsatz. Und jede zweite Stunde fehlte sie obendrein. Das konnte nichts Rechtes werden!
„Zunächst mal, liebe Susi – und das gilt auch für alle anderen, die damit noch Probleme haben – die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren. Zu überlegen, was man erreichen will, was man dafür tun muss, wann welche Aufgaben anstehen und wie man sich selbst motiviert. Dass man nicht immer Lust hat zu arbeiten, ist schließlich ganz normal.“
„To-do-Liste!”, krähte jemand.
„Ja, zum Beispiel. Dann die Fähigkeit, Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Logisch zu denken. Naturwissenschaftliche Sachverhalte graphisch darzustellen. Die Verbindungen zwischen Mathematik und Naturwissenschaften zu erkennen. Seine Erkenntnisse in korrekter Fachsprache darzustellen. In verschiedenen Sprachen, wenn möglich, aber mindestens in Deutsch und Englisch. Reicht das fürs Erste?“ Susi nickte ermattet.
„Okay, ich gebe euch für alle Regeln noch ein paar Beispiele, die probiert ihr jetzt mal schnell, und dann machen wir mit Entwicklungsländern weiter.“
Sie schrieb ein paar geeignete Funktionen an die Tafel und lehnte sich ans Fenster, während fast alle eifrig rechneten. Susi schaute, als würde sie am liebsten in der Nase bohren, schrieb dann pro forma zwei Zeilen und schaute wieder in die Luft.
Doro trat neben sie und murmelte: „Susi, bist du sicher, dass du in der Oberstufe richtig bist? Willst du dich nicht mal beraten lassen, bei Frau Zirngiebel zum Beispiel? Oder bei Frau Suttner? Vielleicht würde dir etwas anderes ja viel mehr Freude machen?“
„Weiß nicht“, murrte Susi leise. „Ja, vielleicht.“
Als sich Unruhe breit machte, schrieb Doro schnell die Lösungen neben die Aufgaben. „So, habt ihr´s richtig? Fünf Minuten könnt ihr das noch kontrollieren, dann machen wir mit Geo weiter.“
Von wegen! Erst mussten sie ausführlich vergleichen, dann mussten sie noch ausführlicher Fragen stellen und sich schließlich ganz besonders ausführlich bedanken. In die Danksagungen hinein läutete es. Doro grinste mäßig zufrieden. „Leute, wenn ihr so arg Zeit schindet, helfe ich euch so bald nicht mehr!“
„Och, Frau Fiedler, wir sind doch soo dankbar! Ehrlich, das war keine Absicht!“
„Ja, ja.“ Verlogene Bande! „Aber macht in Zukunft wenigstens eure Mathehausaufgaben – sonst steht ihr gleich wieder vor