Kümmer dich ums Kätzchen. Sara Jacob
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Katja wiederum fand in Gregor, einem Freund von Fabian und mir, ihre verlorene Hälfte. Ihr Traummann, unser Traumpärchen. Beide katholisch und aus Meggelde, einem Kaff vor den Toren unserer Kleinstadt. Meggelde – wer aus diesem Dorf kommt, kann nur einen Schuss haben. Klingt wie eine Krankheit. Entschuldigung, sagt der Arzt nach der Untersuchung, aber Sie haben Meggelde.
Jeden Morgen kamen sie mit dem Schulbus, jeden Nachmittag fuhren sie wieder zusammen zurück. In der Folge wurden die Partys, die regelmäßig im Haus von Fabians Eltern stattfinden, um einige Personen erweitert.
Maike brachte Bettina mit. Ihr Freund, der Rüpel, entpuppte sich nach dem Fall einiger Masken als handzahm. Er war mit dem langhaarigen Musiker unseres Jahrgangs befreundet. Der Musiker kannte Frank. Frank war schwer in Ordnung. Die Kontakte verschränkten, das Netz verdichtete sich.
Der Kuppelvirus grassierte ein Jahr, bis wir nacheinander immun wurden. Die ersten Anzeichen der Resistenz zeigte ich bereits nach einem Monat, anschließend brachen die Beziehungen Schritt für Schritt auseinander. Bettina und Rüpel – Geschichte. Streberherzen – gebrochen. Fabian und Maike sind die letzten Infizierten, denn kurz vor unserem Interrailurlaub trennten sich auch Gregor und Katja.
Wochenlang erlebten wir eine griechische Tragödie auf dem Schulhof. Tränen, Flehen, Flüstern, die Kann-ich-dich-mal-sprechen-Frage, die Partys, auf denen Gregor stundenlang mit Katja im Garten stand und sich anhörte, was er nicht wissen wollte. Hoffnung in Katjas Augen, Distanz in Gregors Blick, und die ersten blöden Witze über sie. Wir waren dennoch in dieser Konstellation losgefahren.
Gregor war schließlich unser Freund, ohne den wir nicht fahren wollten. Ohne Gregor, der sich zwei Wochen vor der Fahrt den linken Arm gebrochen hat und auf der Reise einen leichten, unkomplizierten Gips um den Unterarm trägt, blättert in einem Buch von T.C Boyle, von dem ich noch nie etwas gehört habe. Wir finden, dass er sich damit von seinem Vater abgrenzen will, dem Autoverkäufer, dem Proleten. Sein größtes Ziel ist ein Medizin- oder Jurastudium in Hannover mit dem Geld seines Vaters. Fabian betont gerne, dass Gregors Unterhose mehr kostet als mein gesamtes Outfit.
»Das war ein Scherz, Katja«, sagt Gregor, schlägt sich mit der freien Hand an die Stirn und zieht eine Grimasse.
»Dafür gibt es Sechserabteile, vor allem in Schlafwagen. Ist doch super«, sagt Fabian. So kenne ich ihn. Loyal, nie auf Streit aus. Lange Jahre war Fabian mein einziger Verbündeter. Immer auf der Suche nach dem Mädchen, das ihm gefiel und dem er sich anvertrauen konnte. Genauso erfolglos wie ich, genauso wählerisch, genauso einsam.
Zusammen gehen wir jede Woche ins Kino oder gucken nächtelang Video. Anschließend reden wir nicht über die Filme, das brauchen wir nicht. Wir verstehen uns wortlos. Meine Mutter kam einmal sogar in mein Zimmer, um zu sehen, was wir so treiben. Nichts, natürlich, außer Video gucken. So ein Quatsch, als ob ich jemals mit Fabian irgendetwas treiben würde.
Ich mag Fabian wie einen Bruder.
Wir waren eines Abends bei Gregor auf einer Party und hatten die Nacht durchgemacht. Morgens saßen wir im Arbeitszimmer von Gregors Vater auf unseren Schlafsäcken und quatschten über Mädchen. Wir hatten beide Beulen in den Unterhosen. Nichts war passiert. Was wir so treiben. So ein Quatsch. Wir waren Leidensgenossen. Mehr nicht.
Bis zu dem Sommer vor einem Jahr, als er Maike fand. Sie wohnt bei ihm um die Ecke. Das ist sehr bequem. Manchmal glaube ich, diese Bequemlichkeit spielt eine größere Rolle als ihr Charakter, ihr Aussehen oder ihre Liebe. Aber das streitet Fabian ab. Nur einmal hat er mir nach einer dieser Fragen Neid vorgeworfen, weil er eine Freundin hat und ich nicht. Dabei gönne ich ihm sein Glück mit Maike wirklich.
Der Zug rattert über eine Weiche, schwankt, lärmt. Jemand reißt die Tür zum Abteil auf. Ein verpeilt aussehender Typ mit langen Haaren und Grungebart lässt seinen Blick über die sechs belegten Plätze gleiten. Wie zugedröhnt musst du sein, um nicht schon vom Gang aus zu sehen, dass hier kein Platz mehr ist. Wortlos schließt er die Tür wieder, zu schwungvoll, denn sie springt wieder auf. Im Gang raucht jemand. Fabian beschwert sich und zieht die Abteiltür zu.
Ich habe nicht gedacht, dass wir mal zusammen in den Urlaub fahren. Doch es ist die einzige Rettung in diesem Sommer. 31 Tage lang muss ich nicht die Stufen zu unserer kleinen Wohnung in der vierten Etage in der hässlichsten Wohnsiedlung von Burghausen nehmen, mich nicht in mein schmales Bett legen, meiner Mutter nicht beim Heulen in der Küche zuhören.
Der letzte Urlaub mit meiner Mutter war ein Alptraum. Wir haben meine Großeltern besucht, letzten Sommer. Nur sie und ich, und zuhause wartete die Austauschschülerin von Maike, eine niedliche Französin, die mich so sehr fasziniert hatte, wie kein fremder Mensch zuvor, der ich auf einer Party in den ersten Ferientagen die Frage stellte, was Cul hieße, Teil des Titels eines Film von Roman Polanski, und Katja, die immer besser Französisch sprach und Francoise, die Austauschschülerin, kicherten verlegen.
Ich weiß, wie ich überrascht zurücklächelte. Ob ich keine Ahnung habe, was es bedeuten könne, und ich sagte, der Rest des Titels laute de Sac, Cul des Sac, und die beiden lachten, nicht verlegen sondern freundlich.
»Das heißt Sackgasse«, sagte Francoise. »Und Cul alleine heißt Hintern.«
Als ich rot wurde, lachten Katja und Francoise wieder. Meine Mutter machte mit diesem blöden Trip zu meinen Großeltern nach München alles kaputt. Als ich zurückkam, war Francoise wieder in ihrer Heimat und ich um eine Chance ärmer. Nie wieder fahre ich mit meiner Mutter in den Urlaub, ich werde sie nicht einmal anrufen, ich werde ihr einen Brief schreiben und sie bitten, mich in Ruhe zu lassen.
Der Zug rattert unruhig über eine Weiche. Vor dem Fenster huscht eine Landschaft vorbei, regennass, dunkelgrün, satt und von Zäunen begrenzt. Ab und zu ein rotes Haus. Kulissen, ohne Tiefe, abgetrennt von einer dünnen Scheibe aus Glas, durch die du alles sehen und nichts anfassen kannst. Dir bleibt, zu staunen und dich von dem, was du siehst, erregen zu lassen.
»Was erwartet ihr von diesem Urlaub?«, fragt Maike grinsend. Ich will irgendetwas Kluges antworten, aber mir fällt so schnell nichts ein. Ein Ticket und ein Rahmenplan: Fünf Länder in vier Wochen. Was erwarte ich? Was? Anzukommen?
»Ich erwarte, dass ihr euch benehmt«, sagt Frank ungerührt und holt ohne aufzusehen aus seiner Jackentasche einen Beutel Tabak. Gregor prustet vor Lachen. Ach, ich wäre gerne so cool wie Frank.
»Nee, jetzt mal ehrlich, was erwartet ihr?«
Fabian kratzt sich am Kopf. »Kannst du nicht einmal versuchen, weniger gezwungen tiefsinnig zu sein?«
»Du bist so blöd.« Maike wirft trotzig den Kopf nach hinten Sie hat ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, was sich besonders bei ihren großen Titten bemerkbar macht, aber Fabian scheint das zu mögen, jedenfalls hat er sich noch nie abfällig über ihr Gewicht geäußert. Für mich wäre das nichts. .»Also, ich will, dass wir uns bis zum Schluss gut verstehen.«
Katja nestelt an ihrem Pullover. »Ich will neue Eindrücke gewinnen.«
»Ich erwarte, dass ihr mein Zelt nicht ruiniert…«
»…weil es deinem Nachbarn gehört, ich weiß«, sage ich. Das hat er mindestens drei Mal erzählt. Wer soll schon sein Zelt kaputt machen?
»Ich hab gehört, dass in italienischen Zügen das Gepäck aus dem Zug geworfen wird, nachdem es ausgeplündert