Kümmer dich ums Kätzchen. Sara Jacob

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Kümmer dich ums Kätzchen - Sara Jacob

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du liest zu viel Mumpitz. Mach dir keine Sorgen.«

      Frank wickelt Tabak ein, leckt das Papier der Länge nach an und rollt es zu einer perfekten Röhre. »Außerdem fahren wir überhaupt nicht nach Italien.«

      Wohin fahren wir? Haben wir überhaupt ein Ziel? Oder wollen wir nur unterwegs sein, ohne anzukommen. Wenn überhaupt jemand ein Ziel hat, bin ich das. Aber das muss ich ihnen nicht erzählen. Vielleicht weiß ich es auch selbst nicht.

      »Wollen wir eigentlich ins Disneyland?«, fragt Maike. Ich habe davon gelesen, es hat erst seit ein paar Wochen geöffnet. Die Feier war überall in den Medien. Kulturimperialismus, und das auch noch in Frankreich. Wieso eigentlich nicht Frankreich? In der Mitte Europas?

      Katja ist nicht begeistert. Ich hätte nichts dagegen. Ein großer Spielplatz voll mit Micky-Maus-Figuren. Das hört sich doch aufregend an. Vielleicht auf dem Rückweg, beschließen wir.

      Was erwartest du? Ich erwarte eine Antwort, erwarte, dass ich Frieden finde, einen Ausweg aus meiner Sackgasse. Ich erwarte Freiheit. Und ein wenig freue ich mich auf das Unbekannte.

      Ich freue mich darauf, meinen Big Mac bald in Gulden, Francs, Peseta und Escudo zu bezahlen und meine Unterschrift auf Rechnungen in Französisch, Spanisch und Portugiesisch zu setzen. Hoffentlich kann ich mit meiner brandneuen EC-Karte problemlos Geld aus den Automaten in Amsterdam, Paris, Madrid und Lissabon ziehen.

      2.

      Die Bremsen quietschen erst wieder in Amsterdam, gerade als die Wolkendecke aufbricht und Sonnenstrahlen durchlässt. Keine Zeit zum Nachdenken. Mein Rucksack ist so leicht wie eine Feder. Auf dem Vorplatz des Bahnhofes mache ich den ersten Schritt in die große, weite Interrail-Welt.

      Ich bin wacher als sonst, meine Augen gieren nach Licht. Nur in meinem Hinterkopf schwirrt plötzlich der Name eines Platzes herum wie eine hektische Stubenfliege an einer schmutzigen Fensterscheibe: Leidseplein.

      Vor ein paar Jahren las ich auf dem Cover eines Pornos, dass sich auf dem Leidseplein die Schwulen treffen, um sich gegenseitig in den Arsch zu ficken. Leidseplein, der Ort für Schwule, käuflichen Sex, ausgelebte erotische Fantasien. Jetzt bin ich diesem Ort näher, als jemals gedacht. Auf dem Bahnhofsvorplatz in Amsterdam mache ich einen großen Schritt in eine neue, nie gedachte Fantasiewelt.

      Der erste Geldautomat spuckt holländische Gulden aus. Ich hebe Geld für Katja ab, die ihre Urlaubskasse auf mein Konto eingezahlt hat. Ich hätte im Gegensatz zu ihr eine EC-Karte, zudem doch auch bestimmt nichts dagegen und keinen besseren Vorschlag. Dumme Nuss. Keine eigene EC-Karte.

      Der Wind fegt unangenehm kühl über den Bahnhofsvorplatz, über den unablässig Straßenbahnen rumpeln. Ein Sommerurlaub fühlt sich anders an. Fabian schimpft auf seinen Schlafsack, der immer wieder von seinem Rucksack rutscht. Gregor fragt, wer ihm den Ghettoblaster abnehmen kann. Wenn wir nicht nur Phillip Boa und New Model Army hören würden, täte ich es. Geht aber nicht, weil ich keine Kassetten dabei habe.

      Frank will direkt zum ersten Coffeeshop, Gregor auch, die anderen zur Jugendherberge. Frank und Gregor haben das Nachsehen. Die zweite Entscheidung: Einzelfahrten? Tageskarte? Gruppenticket?

      Maike will ein Tagesticket für 10 Gulden kaufen, um nicht zu viel zu Fuß gehen zu müssen. Gregor hält die Distanzen zwischen Museum, Kanälen und Herberge für zu kurz, um mit der Straßenbahn zu fahren. Mir ist es egal, Fabian auch, Frank denkt an die Urlaubskasse, Katja sowieso. Gregor setzt sich durch. Einfache Fahrt.

      Eine Straßenbahn trägt uns zur Jugendherberge am Vondelpark. Kein Familienzimmer verfügbar, wir müssen mit Etagenbetten im Schlafsaal vorlieb nehmen. Kiffen ist auch im Bistro nicht gestattet. Pizza hat für Frank und Gregor nur zweite Priorität.

      »Erst ne Runde absoften«, sagt Gregor. Fahrig wischt er sich mit der Gipshand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wirkt gehetzt.

      »Und dann langsam um die Ecke ditschen«, ergänzt Frank. Er raucht gelassen eine Selbstgedrehte.

      Links Kanal, rechts Fahrradweg, Touristen queren, die Stadt ist voller Autos mit Parkkrallen, Brücken, Kontorhäuser, Verkehrsschilder auf Holländisch. Fabian und Maike motzen sich an.

      Sie sind seit fast einem Jahr zusammen, seine erste richtige Freundin für mehr als Händchenhalten, mehr als Rumknutschen, für den ersten Sex. Zu Beginn war ich mehr als eifersüchtig, denn Maike ist auf eine merkwürdige unregelmäßige Weise hübsch. Manchmal gefällt mir ihr breites, augenloses Grinsen, sehe ich ihre bemerkenswert großen Titten, die bei jedem Schritt auf und ab wippen. Doch wenn ich wichsend vor meinem Bett knie, denke ich nie an Maike.

      Ihr leichtes Übergewicht, ihre spröde Art, ihre kurzgeschnittene, blondierten Haare und die vielen Leberflecke auf den Armen sind nicht Teil meines Traums. Ansonsten komme ich sehr gut mit Maike aus und rede ich gerne mit ihr.

      Mich regt nur manchmal auf, dass sie nicht sofort versteht, wovon ich rede. Aber wer tut das schon. Vielleicht drücke ich mich auch immer zu undeutlich aus. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass ich nichts zu sagen habe.

      Fabians ständiges Problem ist, wie er mir unter der Hand gerne erzählt, Maike zu verstehen, doch besonders rätselhaft bleibt ihm, warum sich Maike im Herbst den Spaß an Twin Peaks verdorben und zu Beginn der Serie auf der Teletext-Seite von SAT.1 den Namen des Mörders nachgelesen hat.

      Nicht selten hat sie Fabian im letzten Herbst aus der Reserve gelockt, indem sie ihm immer wieder androhte, den Namen des Mörders laut auszusprechen. Und jeden Freitagabend um Viertel nach Neun hoffte ich, sie würde es wenigstens erst tun, wenn sie alleine waren. Zur Beginn der zweiten Staffel verriet sie es ihm schließlich, und weil Fabian nicht alleine leiden wollte, trompetete er den Namen gleich im Anschluss aus. Es war ein verdammt mieser Herbst.

      Neben mir zupft Katja Fäden aus ihrem Pulli. Zwischen jedem Faden ein Blick zu Gregor. Seinem Vater gehört eine Reihe von gut laufenden Autohäusern in der Provinz. Volkswagen ist für ihn keine Marke wie die anderen, es ist eine Lebenseinstellung. Ein Automobil für den bodenständigen Mann.

      Er pilgert nach Wolfsburg und betet jeden Sonntag in der Dorfkirche. Doch sein heimlicher Götze ist der Mammon. Ich mag seinen Vater nicht, einen lauten, ziemlich übergewichtigen Mann mit einem zu großen Selbstbewusstsein, eine Mischung aus Helmut Kohl und Dieter Thomas Heck. Zum 18. Geburtstag hat er Gregor einen nagelneuen Golf III geschenkt. Für Gregor eine Selbstverständlichkeit. Seitdem kommt er nicht mehr mit dem Bus zur Schule. Nicht mehr mit Katja. Fabian und ich sehen da einen Zusammenhang.

      Gregor und Frank sind immer zwei schnelle Schritte voraus. Schwarzer Afghane oder Roter Libanese oder doch lieber Gras - sie werden aufgeregter, je näher wir einem Coffeeshop kommen. Die Tür zum Paradies, zwei Kinder im Spielzeugladen, das Schlaraffenland.

      Vierzig Gulden später sitzen wir in einem Touristenrestaurant. Das erste Mal gehen wir in einem Restaurant essen. Und nachdem wir die Rechnung gesehen haben vermutlich auch das letzte Mal. Für Interrailer viel zu teuer. Allein die Getränke kosten das Doppelte dessen, was wir zuhause dafür bezahlen.

      Im Vondelpark vor der Herberge dreht Frank den ersten Joint meines Lebens. Dazu klebt er drei Blättchen aus seinem Zigarettenpapier zusammen, rollt aus einem Stück Pappe einen Filter und legt feingeschnittenen Tabak in die Rinne. Mit dem Feuerzeug erhitzt er das Haschisch.

      Ein würziger Duft breitet sich aus. Niemand im Park nimmt Notiz von uns, obwohl wir wissen, dass öffentliches Kiffen nicht erlaubt ist. Schließlich leckt er die Klebefläche des Blättchens an und rollt den Joint zusammen, zwirbelt sogar die Spitze zwischen den Fingern. Ein Bild von einem

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