Kreaturen der Nacht. Thomas Riedel

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Kreaturen der Nacht - Thomas Riedel

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Türrahmen stand eine junge Frau vor ihnen. Sie mochte Anfang bis Mitte dreißig sein. Mit einem herzlichen Kuss auf die Wange und einer Umarmung begrüßte sie zunächst ihren Bruder. Dann wandte sie sich Blake zu und musterte ihn neugierig.

      »Detective Chief Inspector Blake von Scotland Yard«, stellte ihn Kincaid vor, und an Blake gewandt: »Meine Schwester Kimberly.«

      Blake schaffte es nicht seinen Blick von der attraktiven Frau abzuwenden. So müssen die Feen aus den alten schottischen Sagen ausgesehen haben, schoss es ihm durch den Kopf. Völlig fasziniert starrte er sie an. Ganz besonders ihre strahlenden Augen, die in einem unwahrscheinlichen Blau leuchteten, hatten es ihm angetan. Sofort assoziierte er mit ihr Aphrodite, die Göttin der Liebe, der Schönheit und sinnlichen Begierde aus der griechischen Mythologie. Ihr wie gemalt wirkendes Gesicht war umgeben von einer wahren Flut lockiger Haare, die bis weit über die Schultern hinunterfielen und in ihrer Färbung geschmolzenem Kupfer glichen. Ein betont sinnlicher Mund schmückte ihr bezauberndes Antlitz, und Blake spürte, wie es ihm in der Magengegend sonderbar heiß wurde.

      Blake ärgerte sich über seine auch ihm ungewohnte tollpatschige Art, die er in diesem Augenblick an den Tag legte. Er brauchte alle Willensstärke, um sich zusammenzureißen.

      »Miss Kincaid!«, brachte er murmelnd hervor.

      Die junge Frau lächelte, als sie ihm ihre Hand entgegenstreckte. Er nahm diese leicht nach oben, beugte ehrerbietig seinen Nacken und deutete respektvoll einen gekonnten Handkuss auf ihren dargebotenen Handrücken an. Es blieb offen, ob sie diesen Kuss als besondere Wertschätzung, Ergebenheit, Demut, Bewunderung, Huldigung oder als Verehrung ihr gegenüber ansah.

      Anthony Kincaid schien von der unvermittelten Gefühlsaufwallung seines Gastes nichts bemerkt zu haben – zumindest ließ er sich nichts anmerken. Bei ihr war sich Blake aber keineswegs sicher.

      Die attraktive Schönheit führte die beiden in einen reich mit kostbaren Stilmöbeln und wertvollen Teppichen ausgestatteten Raum.

      Dicht vor der großen Fensterfront, die einen herrlichen Panoramablick bis weit hinaus über den ganzen ›Beauly Firth‹ ermöglichte, nahmen sie auf einer eleganten Polstergarnitur Platz. Anthony Kincaid war an die Bar getreten und mixte zwei Drinks.

      »Cheers!«, prostete er Blake zu, nachdem er diesem eines der beiden Gläser gereicht hatte. »Sie werden sicher sehr gespannt darauf sein, was ich Ihnen über Helmsdale erzählen möchte. Und sicher werden Sie sich auch fragen, warum ich das mache.« Kincaid warf dem Chief Inspector einen ernsten Blick zu. »Des Weiteren möchte ich nicht versäumen, Sie vorbeugend darauf hinzuweisen, dass ich über Dinge sprechen werde, die vom Verstand nicht zu erfassen sind. Möglicherweise werden Sie mich sogar auslachen. Ich bitte Sie deshalb, mich zunächst in aller Ruhe anzuhören. Ich hoffe nämlich sehr, dass ich Sie überzeugen kann.« Er machte eine kurze rhetorische Pause und nippte an seinem Drink. »Wenn mir das gelingt, können wir gemeinsam dem Wirken einer unheilbringenden Macht ein Ende setzen. Aber es muss schnell geschehen, ... sehr schnell geschehen!«

      Chief Inspector Blake nickte dem Privatgelehrten freundlich zu, auch wenn er sich nur mit größter Anstrengung auf die Ausführungen seines Gastgebers zu konzentrieren vermochte. Bei ihm hatte die Schwester Kincaids wie ein Blitz eingeschlagen. Immer wieder wurde sein Blick wie magisch von der entzückenden jungen Frau angezogen, die es sich barfuß und mit angewinkelten Beinen auf der Garnitur bequem gemacht hatte. Sie trug einen raffiniert geschnittenen schwarzen Hausanzug im Tunika-Style, der ihre formvollendete schlanke Figur vorteilhaft zur Geltung brachte.

      Kincaids Schwester musste aus Blakes Blicken gewisse Schlüsse gezogen haben, denn als sie ihn jetzt ansah, funkelte für einen Augenblick ein spöttisches Leuchten in ihren Augen. Kurz darauf erhob sie sich und verließ mit leisen Schritten den Raum.

      »Helmsdale war eine bedeutende Kapazität auf einem Gebiet, das wissenschaftlich nicht anerkannt und mit dem Begriff Parapsychologie nicht voll abgedeckt werden kann«, sagte der Privatgelehrte gerade. »Wenn ich Ihnen jetzt noch erzähle, dass dabei auch finstere, dämonische Praktiken hinzukommen, werden Sie sicher abwinken.«

      Blake lächelte.

      »Ach, wissen Sie«, erwiderte er gedehnt, »so schnell winke ich ganz sicher nicht ab. Inzwischen haben mein Sergeant und ich ein paar, ich möchte es mal so ausdrücken, recht seltsame Begebenheiten hinter uns.«

      Kincaid nickte wissend.

      »Ein Freund von mir kannte Professor Alverston und hat mir von dessen Tod berichtet. Dabei erfuhr ich auch von den Umständen unter denen er ums Leben kam«, klärte er den Chief Inspector auf [2]. »Helmsdale hat sich jahrzehntelang mit der Erforschung des Vampirismus befasst und, wie ich vermute, in dem Bereich übermenschliche Fähigkeiten erworben. Bei seinen Forschungen und Experimenten scheint er auf Dinge gestoßen zu sein, die meiner Meinung nach, schwärzer als die schwärzeste Magie sein dürften. Um es kurz und nüchtern zu sagen: Professor Helmsdale lebt!«

      Blake sah ihn erstaunt an.

      »Und da sind Sie sich vollkommen sicher?«

      Der Privatgelehrte nahm einen Schluck von seinem Drink und nickte.

      »Ja, absolut, Chief Inspector«, gab er zurück. »Nachdem er sein Forschungsziel erreicht hatte, sprengte er seine Villa in die Luft, mit dem Ziel, alles, was auf seine finstere Tätigkeit hindeuten konnte, zu vernichten.« Er warf Blake einen vielsagenden Blick zu. »Helmsdale war es, der dem alten Dunmore das Blut ausgesaugt hat, und er ist es auch gewesen, der Alice Drummond entführt hat.«

      Blake machte ein ungläubiges Gesicht. Er zog seine Zigarettenschachtel hervor. Bevor er seinen Gastgeber um Erlaubnis fragen konnte, war dieser aufgestanden und hatte ihm einen Aschenbecher gebracht.

      »Woher wissen Sie das alles, Mister Kincaid?«, erkundigte sich Blake, während er sich eine Benson & Hedges anzündete.

      Anthony Kincaid zeigte ein grimmiges Lächeln.

      »Wenn ich Ihnen das alles erklären soll, müsste ich Ihre Geduld über Gebühr beanspruchen«, erwiderte er. »Ich bitte Sie einfach mir zu vertrauen.«

      »Daran soll es nicht scheitern«, sagte er schmunzelnd und inhalierte einen Zug.

      Kincaid schien beruhigt.

      »Das freut mich«, stellte er fest. »Schließlich hätten Sie mich ja auch für komplett verrückt halten können.« Er leerte sein Glas. »Es wird einen Kampf geben, Chief Inspector, eine heftige Auseinandersetzung mit einer finsteren, lebenzerstörenden Macht, die sich anschickt Menschen in den Abgrund zu ziehen. Und dieser Sache kann ich mich nicht allein stellen.«

      »Mit anderen Worten: Sie brauchen meine Hilfe!«, schlussfolgerte Blake.

      Anthony Kincaid nickte. Er stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Für einen kurzen Augenblick herrschte absolute Ruhe im Raum. Dann drehte er sich abrupt um und sah den Chief Inspector mit festem Blick an.

      »Wollen Sie wissen, was dieser alte Teufel vorhat?«, fragte er mit leiser Stimme. »Er will sich ein schauerliches Schattenreich erschaffen, mit Sklaven, die ihm zu Diensten sind und Sklavinnen, derer er sich jederzeit bedienen kann.« Kincaid schaute wieder hinaus und stemmte seine Hände auf die Fensterbank. »Und wenn ihm das gelingt, dann wird Professor Helmsdale zum unbestrittenen Weltfeind Nummer Eins!«, fügte er mit düsterer Stimme bedrohlich hinzu.

      Kincaid schaute noch einen Augenblick hinaus, dann ging er zurück und nahm wieder Platz.

      »Sie

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