Kreaturen der Nacht. Thomas Riedel
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Kapitel 7
S
eit mehreren Monaten drehten sich alle Gespräche um den geheimnisvollen neuen Eigentümer von ›Alasdair Castle‹, hoch oben auf dem ›Ben Braeriach‹, nahe dem ›Loch a‘ Choire Ghranda‹. Nicht anders war es an diesem Abend im ›Highland Pub‹, einer heruntergekommenen, düsteren und immerzu völlig verrauchten Kneipe in ›Beinn Dearq‹, einer kleinen Ansiedlung, die man kaum als Dorf bezeichnen konnte.
Der äußerst korpulente McMenamins schaffte es kaum seinen dicken Hintern auf den Barhocker am Tresen zu halten. Nachdenklich betrachtete er den mächtigen Humpen vor sich, in den locker ein Liter Ale passte. Dann schloss der Mann mit dem speckigen Gesicht seine dicken Wurstfinger um den Henkel, hob das schwere Trinkgefäß an den Mund, blies vorsichtig etwas von dem Schaum hinweg und nahm einen mächtigen Schluck.
Nachdem er den Krug um ein gutes Viertel geleert hatte, wischte er sich mit dem behaarten Handrücken seiner Rechten über die nassen Lippen und warf einen bedeutungsvollen Blick in die Runde.
»Irgendetwas, was auch immer es sein mag, irgendetwas ist da oben ganz und gar nicht in Ordnung!«, ließ er mit wichtigtuerischer Miene verlauten. »Ich weiß nur nicht was«, fügte er noch zusätzlich hinzu. Er gab sich einen nachdenklichen Ausdruck, ehe er fortfuhr: »Wie ihr alle wisst, ist ›Alasdair Castle‹ vor knapp einem halben Jahr verkauft worden. Seit dieser Zeit geht es da oben zu wie im Taubenschlag. Eine Instandsetzungsarbeit jagt die nächste.« Verschwörerisch sah er wieder von einem zum anderen. »Ich frage euch, Leute, hat schon einer den neuen Burgherrn überhaupt schon mal gesehen? Selbst die Handwerker, die in und an dem Bau gearbeitet haben, haben ihn nie zu Gesicht bekommen. Ja, selbst die Aufträge mit den Firmen in Edinburgh und Inverness wurden sämtlich per Email abgewickelt. Die Bezahlung erfolgte über anonyme Auslandskonten.«
»Na klar, anonyme Auslandskonten ... alles per Email!«, lachte einer der Anwesenden. »Du bist natürlich mal wieder voll informiert.« Der Mann steckte sich eine Zigarette an und nahm einen Zug, ehe hinzufügte: »Aber man weiß ja, von wem es kommt ...«
»Halt doch die Klappe, Jack!«, wurde er vom Wirt barsch unterbrochen. »Wenn du stänkern willst, setze ich dich ohne mit der Wimper zu zucken vor die Tür. Hast du mich verstanden!?«
McMenamins warf dem mit Jack angesprochenen Weißhaarigen einen bitterbösen Blick zu.
»Ich weiß, was ich weiß«, beharrte er. Dann wandte er sich an den Gastwirt. »Du müsstest doch eigentlich auch einiges wissen, Keith. Immerhin habe ich vor einer Woche deinen Jungen gesehen, wie er wie von Furien gehetzt durch das Burgtor ins Freie stürmte, sofort in den Land Rover sprang und in halsbrecherischer Fahrt an mir vorbei ins Tal gerast ist.« Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Auf mich hat er einen ganz schön verstörten Eindruck gemacht. Und als ich ihn am nächsten Tag auf die Angelegenheit angesprochen habe, wollte er nicht wirklich damit rausrücken. Ich musste ihm das buchstäblich aus der Nase ziehen!« Er gönnte sich einen weiteren Schluck Ale, bevor er weitersprach. »Der Junge hatte wohl etwas am Kamin der Burg gerichtet. Jedenfalls ließ er mich wissen, dass die neuen Bewohner eingetroffen seien. Auf mich wirkte er verängstigt. Gesagt hat er dann auch nicht mehr viel, meinte nur, er hätte es eilig.«
»Fragt sich nur, wie die alle auf die Burg gekommen sein wollen, ohne dass wir hier unten davon etwas mitbekommen haben«, meldete sich einer mit Halbglatze aus der hinteren Ecke.
»Genau«, stimmte ein Vollbärtiger zu. »Klar ist, dass in den letzten zwei Wochen keine Autos oben gewesen sein können. Die Zufahrtsstraße war durch die Regenfälle so verschlammt, dass Reifen ordentliche Spuren hinterlassen hätten.« Er knallte, wie um seine Aussage zu unterstreichen, seinen Humpen auf die Tischplatte. »Ich jedenfalls habe keine gesehen!«
Die blassblauen Augen in Keith Millburns knochigem Gesicht blickten unwirsch in die Runde und blieben dann an McMenamins hängen.
»Geht mir doch alle weg mit eurem dusseligen Gequatsche!«, knurrte Millburn bissig. »Mir ist das doch völlig gleichgültig, wer dort oben wohnt und auf welche Weise die Leute eingezogen sind.« Er wandte sich an den Vollbärtigen. »Mich haben sie bis jetzt nicht gestört! Dich etwa?« Dann sah er den mit der Halbglatze an. »Vielleicht wirst du oder ein anderer hier sogar mit ihnen Geschäfte machen. Na, was denkst du?« Millburn richtete sich wieder an McMenamins. »Siehst du!? Was also sollen deine dämlichen Anspielungen?«, reagierte er boshaft. »Aber du musst ja wieder in der Gerüchteküche den Chefkoch machen!«
Die Zurechtweisung hatte gesessen. In McMenamins speckigem Gesicht stieg die Zornesröte. Er war gerade dabei auszuholen, um seiner Empörung darüber freien Lauf zu lassen, als er vom alten Flannagan aufgehalten wurde. Der alte Schäfer hatte sich erhoben und für einen kurzen Augenblick herrschte eine nahezu absolute Stille im Schankraum des Gasthauses.
»Seit ewigen Zeiten weide ich meine Schafe auf der kleinen Hochebene schräg gegenüber der Burg«, begann er mit zittriger Stimme. »Mir ist dort vor einigen Tagen etwas Unheimliches passiert.« Er warf den Anwesenden einen ernsten Blick zu. »Ich hätte schon davon erzählt, aber ehrlich gesagt, ich habe befürchtet mich lächerlich zu machen. Die Sache hat mir eine solche Angst gemacht, dass ich seitdem des Nachts kaum noch ein Auge zumache.«
Millburn und seine Gäste hatte sich zu ihm umgedreht und sahen ihn voller Spannung an.
»Nun rück‘ schon damit raus!«, rief ihm einer auffordernd zu.
Flannagan ließ sich nicht lange bitten. Er bedeutete dem Wirt ihm noch ein Ale zu bringen, dann begann er zu erzählen.
»Es war abends, so um kurz nach acht. Die Sonne war gerade untergegangen, und ›Alasdair Castle‹ hob sich düster und bedrohlich vor dem bleichen Mond ab.« Millburn brachte ihm das gewünschte Ale. »Auf einmal sah ich etwas Schwarzes aus einer Felsspalte herauszucken und auf meinen armen Cody zuschießen«, fuhr er fort und sah die Männer an. »Ihr kennt doch alle meinen treuen Hund, den ich seit elf Jahren hatte und der mir immer ein treuer Gefährte gewesen war.« Einige nickten. »Wie auch immer. Das schwarze Untier hat ihm jedenfalls mit einem Biss das Leben genommen. Und glaubt mir, die Bestie hatte riesige Augen, die wie das Feuer der Hölle glühten. Sie hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf, war aber um ein Vielfaches größer. Anschließend ist das höllische Biest zwischen meine Schafe gefahren und hat neun davon aus reiner Mordlust buchstäblich zerfetzt.« Flannagan hob sein Glas und nahm einen Schluck. Dann wischte er sich den Schaum vom Mund und fuhr fort. »Gott-sei-Dank hat mich das Ungeheuer nicht sehen können. Ich war rechtzeitig hinter eine kleine Felsenklippe verschwunden. Und da habe ich dann gestanden, erstarrt, völlig unfähig mich zu rühren. Ihr hättet bloß mal die Flügelschläge hören müssen. Mir haben sich die Haare gesträubt. Da schwebte doch tatsächlich ein riesiges, fledermausähnliches Geschöpf herab und landete urplötzlich neben der schwarzen Bestie. Die schien sich zu fürchten, denn ich konnte ihr furchtsames Winseln hören.«
Wie gebannt lauschten die Anwesenden den Worten des Schäfers. Sie konnten kaum glauben, was er