Die Kestel Regression. Jürgen Ruhr

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Kestel Regression - Jürgen Ruhr страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Kestel Regression - Jürgen Ruhr

Скачать книгу

freien Fuß gesetzt wird. Schreiben sie ihre Wahl auf einen Zettel, den ihnen Frau Vornau noch geben wird und reichen sie ihr den Zettel anschließend zusammengefaltet zurück. Enthaltungen werden nicht akzeptiert. Sie wissen also, worauf es ankommt, meine Herren. Ich erwarte eine zügige Entscheidung!“

      Osslinger stand auf und verließ den Raum, während die Sekretärin kleine Zettel an sie verteilte. Barters grinste. ‚Du alte Drecksau‘, dachte er und musste zugeben, dass er den Klinikchef doch ein wenig bewunderte. Osslinger hatte das alles im Voraus geplant und würde so jeglicher Verantwortung entgehen. Ein Fehlverhalten Tobias Kestels könnte niemand ihm, dem Klinikchef, ankreiden. Zumindest theoretisch nicht.

      Dr. Barters blickte seinen Assistenten scharf an. Der Mann würde doch jetzt keinen Fehler begehen? Dann wäre Dr. Friesgart die längste Zeit ein Teil des Teams dieser Klinik gewesen sein. Und er, Dr. Barters, wollte höchsteigen dafür sorgen, dass der Mann nur noch als Hilfskraft einen Job finden würde.

      Die kleinen Zettel waren schnell ausgefüllt und der Sekretärin zurückgegeben. Dr. Barters bedeutete seinem Assistenten, den Klinikchef wieder in den Raum zu holen.

      „Das ging ja flott, meine Herren“, sprach Dr. Osslinger während er die gefalteten Zettel von der Sekretärin entgegennahm. Er faltete den ersten auseinander. „Entlassen“, las er vor. Auch auf dem nächsten Stand ‚Entlassen‘ und damit stand das Abstimmungsergebnis fest. Trotzdem faltete er den letzten Zettel noch auseinander. „Weiter behandeln“, gab er den Text auf dem Blättchen wieder.

      „Meine Herren, sie haben entschieden: Herr Tobias Kestel wird aus unserer Klinik als geheilt entlassen. Ich bitte Herrn Dr. Barters alles Erforderliche in die Wege zu leiten. Die Anhörung ist beendet. Meine Dame, meine Herren ich danke Ihnen. Und ihnen Herr Kestel: meinen Glückwunsch. Lassen sie die sich ihnen bietende Chance nicht verstreichen!“

      Während Dr. Osslinger den Raum zufrieden lächelnd verließ, besah sich Dr. Barters die auf dem Tisch liegenden Zettel. Die Schrift, die besagte ‚weiter behandeln‘ war eindeutig nicht die seines Assistenten. Der hatte mit ‚entlassen‘ gestimmt. Barters atmete erleichtert auf. Also war ihm Gelsmann, der Neue, in den Rücken gefallen! Dr. Barters lächelte bei dem Gedanken daran, dass er schon dafür sorgen würde, dass dieser Gelsmann bald wieder aus der Klinik verschwinden würde.

      2. In Freiheit

      Dr. Barters saß in seinem Büro und sah noch einmal die vor ihm liegenden Papiere durch. Alles war korrekt und unterschrieben, lediglich die Unterschriften des Patienten Tobias Kestel fehlten noch. Somit stand dessen Entlassung aus der Klinik nichts mehr im Weg. Barters blickte auf die Wanduhr über der Tür. In wenigen Minuten würde Dr. Friesgart den Patienten zu ihm bringen.

      Der Klinikchef, Dr. Osslinger befand sich schon seit gestern außer Haus. Angeblich musste er dringend zu einer Sitzung und würde erst nächste Woche wieder an seinem Arbeitsplatz erscheinen. Barters bewunderte einmal mehr, wie geschickt der Chef sich aus der Affäre zog. Erst die Sache mit der Abstimmung - etwas, das es noch nie gegeben hatte - und nun die angebliche ‚Sitzung‘, die die alleinige Verantwortung von Kestels Entlassung auf ihn, Dr. Barters, verlagerte. ‚Aber was soll’s‘, dachte er. ‚Die Verantwortung liegt ohnehin bei mir und was kann schon schiefgehen?‘ Kestels Therapie war ein voller Erfolg gewesen und der ewige Pessimismus, der ihm entgegenschlug, deutete lediglich auf den Kleingeist dieser Querulanten hin.

      Der Arzt ging in Gedanken die kommenden Wochen und Monate noch einmal durch. Er würde an mehreren Wochenenden mit Kestel zu verschiedenen Kongressen reisen, um dort als einer der Redner seinen durchschlagenden Therapieerfolg zu demonstrieren. Kestel hatte eigentlich bei der ganzen Sache keine große Rolle zu spielen, doch Barters erhoffte sich eine gesteigerte Aufmerksamkeit, wenn er den geheilten Patienten persönlich vorstellen konnte.

      Auch seine Artikel über die Therapie Tobias Kestels würden in Kürze in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Dr. Bernard Barters war mit sich zufrieden.

      Es klopfte dezent an der Tür. „Herein!“, rief der Arzt und blickte seinem Assistenten, gefolgt von Tobias Kestel entgegen.

      „Ah, sie sind pünktlich. Prima, bitte setzen sie sich.“ Friesgart und Kestel setzen sich auf die zwei vor dem Schreibtisch stehenden Stühle. „Lieber Herr Kestel“, wandte Barters sich an seinen Patienten, der bald sein Ex-Patient wäre. „Heute endlich ist der große Tag gekommen. Nachdem die Entscheidung gestern eindeutig ausfiel, steht ihrer Entlassung nichts mehr im Weg.“ Er lachte leise. „Sie müssen jetzt nur noch einige Unterschriften leisten, dann sind sie wieder frei. Eine kleine Unterschrift für einen Mann und ein gewaltiger Schritt in die Freiheit.“

      Er schob Tobias Kestel mehrere dicht bedruckte Seiten, sowie einen Kugelschreiber hin. „Wir haben ja alles schon besprochen, trotzdem hier noch einmal in Kurzform, was sie da unterschreiben: Diese Seite hier“, er zeigte auf ein engbeschriebenes Blatt, „betrifft Ihre Entlassung aus der Klinik. Das dort ist ein Arbeitsvertrag mit dem Altenheim, in dem sie ab Montag als Aushilfe arbeiten werden. Sie melden sich dort um halb Sieben bei einer Schwester Rosi.“ Barters hob mehrere zusammengeheftete Seiten hoch, die er Tobias Kestel bisher noch nicht hingeschoben hatte. „Und das hier ist unser spezieller Vertrag. Danach stehen sie mir an bestimmten, noch näher zu bezeichnenden, Wochenenden zur Verfügung und reisen mit mir zu Kongressen. Dort halte ich zu dem Thema Ihrer Therapie Vorträge und werde sie quasi als ‚objectum demonstrationem‘ präsentieren. Sie erhalten für ihre Mühen eine Entschädigung, deren Höhe in diesem Vertrag festgelegt ist. Aber auch das wissen sie ja schon, wir haben ja all das ausführlich besprochen. Jetzt fehlen nur noch ihre Unterschriften.“

      Tobias Kestel las sich die Formulare und den Vertrag nicht erst durch, sondern unterschrieb schwungvoll. Seine Miene ließ nicht erkennen, was er dabei dachte. Dr. Barters und Dr. Friesgart beobachteten ihn genau und als Tobias Kestel dem Arzt die Schriftstücke zurückgab, lächelten sie beide.

      „Danke, Herr Kestel“, strahlte Dr. Barters. „Sie haben heute Gelegenheit, ihre persönlichen Sachen zusammenzupacken. Herr Dr. Friesgart bringt sie dann morgen Vormittag zu ihrer Wohnung.“ Dr. Friesgart hatte vor zwei Wochen zusammen mit Tobias Kestel eine kleine Wohnung angemietet. Während der Freigänge nutzten sie dann die Zeit und richteten die Räume schon ein wenig wohnlich ein. Die Wohnung bestand aus einem Wohnzimmer, einer Küche, sowie einem Schlafzimmer und dem kleinen Bad. Nicht viel, aber ein Anfang. Dr. Friesgart erklärte sich - nach entsprechendem Drängen Dr. Barters - bereit, in der ersten Woche Tag und Nacht bei Kestel zu bleiben, um ihm die Wiedereingliederung in die Gesellschaft so leicht wie möglich zu machen. Nur während der Arbeitszeiten von Kestel würde er zu seinem Chef in die Klinik kommen und ihm haarklein von den Fortschritten ihren Ex-Patienten berichten. Außerdem hatte Barters ihm aufgetragen, detaillierte Berichte über Tobias Kestel zu verfassen.

      Dr. Barters nickte dem jungen Assistenten zu. „Unterstützen sie bitte Herrn Kestel beim Packen. Bringen sie ihn dann morgen bitte zu seiner Wohnung und leisten sie ihm dort Gesellschaft, so wie wir es besprochen haben. Ich selbst bin am Wochenende nicht im Haus, aber sie wissen ja, was zu tun ist.“

      „Selbstverständlich Herr Dr. Barters“, entgegnete Friesgart und erhob sich.

      Kestel folgte seinem Beispiel, doch bevor die beiden zur Tür gingen, blickte Tobias Kestel seinen Arzt noch einmal ins Gesicht. „Ich danke ihnen, Herr Doktor. Sie wissen gar nicht, was mir das bedeutet. Sie haben eine grandiose Leistung mit ihrer Therapie vollbracht.“

      Barters nickte. „Eine Leistung, die auch immer nur mit der Zusammenarbeit und des Verständnisses der Patienten möglich ist. Sie finden bei mir, beziehungsweise Herrn Dr. Friesgart, immer ein offenes Ohr. Scheuen sie sich nicht, uns im Zweifelsfall anzusprechen.

Скачать книгу