Geschwisterliebe. Detlef Wolf

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Geschwisterliebe - Detlef Wolf

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aber Sie werden ihn jetzt nicht danach fragen“, antwortete der Arzt scharf. „Haben Sie das verstanden?“

      Mißmutig wandte sich der Polizist ab und ging zu den drei anderen Jugendlichen hinüber. Stephan folgte ihm.

      „Warum hilft uns denn keiner?“ jammerte der mit dem gebrochenen Bein. „Wir liegen hier schwer verletzt und keine Sau kümmert sich um uns, verdammte Scheiße!“

      „Paß auf, was Du sagst, Du Pfeife.“ Stephan stieß mit seinem Fuß gegen das gebrochene Bein. Er schrie vor Schmerzen laut auf. Der Arzt, der gerade dabei war, dem auf der Trage liegenden Jungen eine Infusion anzulegen, schnalzte mißbilligend mit der Zunge. Aber er grinste dabei.

      Ein zweiter Krankenwagen fuhr auf den Platz. Er war ohne Blaulicht und ohne Sirene gekommen. Anscheinend hatte der Arzt irgendwie Entwarnung gegeben. So dringend war es nicht mehr. Während Kevin in den Krankenwagen verfrachtet wurde, machte sich der Arzt daran, die drei anderen zu untersuchen. Er ging nicht gerade sanft dabei vor. Schmerzensschreie hallten über den Platz.

      „Die zwei nehmen wir mit“, sagte er danach, „der andere kann seine geprellten Eier zu Hause auskurieren.“

      „Wohin bringen Sie den Jungen?“ fragte Stephan und wies auf den Rettungswagen, der gerade davonfuhr.

      „Ins Elisabethkrankenhaus. Aber geben Sie uns zwei Stunden, bevor Sie da aufkreuzen. Ich nehme an, das wollen Sie?“

      Stephan nickte.

      „Wir müssen den Jungen zuerst untersuchen, röntgen und ordentlich zusammenflicken. Er wird Ihnen nicht weglaufen. Heute lassen wir ihn bestimmt noch nicht wieder gehen. Was ist denn mit den Eltern?“

      „Ich kümmer mich drum“, sagte Stephan.

      Der Arzt nickte. „Ich nehme an, der Junge hat ‘n Problem, oder? Sie waren eben so kurz ab mit den Bullen.“

      „Das weiß ich noch nicht“, antwortete Stephan. „Seine Schwester versteckt sich hier irgendwo. Die werd ich fragen, bevor ich ins Krankenhaus komme.“

      Der Arzt hob die Hand, setzte sich in sein Auto und fuhr davon. Die Polizisten hatten sich inzwischen den Kerl vorgenommen, den Stephan zwischen die Beine getreten hatte. Die anderen beiden wurden gerade von den Sanitätern ziemlich grob in den zweiten Krankenwagen verfrachtet. Sie konnten keine Fragen beantworten, da sie ständig vor Schmerzen schrieen. Stephan stellte sich zu den Beamten. Der eine gab ihm seinen Personalausweis zurück.

      „Ich nehme an, Sie brauchen mich nicht mehr?“ fragte er.

      Der Polizist schüttelte den Kopf. „Nicht im Moment. Aber wir müssen noch Ihre Aussage zu Protokoll nehmen. Auf dem Revier. Wann können Sie kommen?“

      „Morgen um diese Zeit, ist das okay?“

      „Ja, das paßt gut. Dann haben wir wieder Dienst, und Sie können uns die ganze Sache ausführlich erzählen.“

      Stephan nickte und hob seine Hand. Zum Gruß und zum Zeichen, daß er jetzt gehen würde. Der Beamte winkte ebenfalls.

      ***

      Er traf das Mädchen eine Straßenecke weiter. Es hatte sich in einer Hofeinfahrt verborgen und kam heraus, als es ihn kommen sah. Er faßte es am Ärmel und zog es in die Hofeinfahrt zurück.

      „Die Polizei ist noch immer in der Nähe“, erklärte er. „Wenn sie zufällig gleich hier durchfahren, brauchen sie uns nicht unbedingt zu sehen.“

      Das Mädchen warf ihm einen scheuen Blick zu. Dann sah es wieder zu Boden.

      „Deinen Bruder haben sie mitgenommen ins Krankenhaus. In zwei Stunden können wir ihn besuchen. Er legte ihr die Hand auf den Oberarm. Sie zuckte zurück.

      „Was ist mit ihm?“ fragte sie leise.

      „Wahrscheinlich hat er eine Gehirnerschütterung. Der Rest ist nur äußerlich. Gebrochen haben sie ihm jedenfalls nichts.“

      Er griff wieder nach ihrem Arm. Diesmal hielt er ihn fest.

      „Aber jetzt mal raus mit der Sprache. Warum hattest Du Angst vor der Polizei?“

      Sie zuckte die Achseln. „Nur so.“

      Stephan wurde ärgerlich. „Nur so. Erzähl mir doch keinen Scheiß, Mädchen. Keiner hat Angst vor der Polizei ’nur so’. Also was ist los? Habt Ihr was angestellt?“

      Sie schüttelte den Kopf. Eine Weile schwieg sie. Stephan wartete auf ihre Antwort.

      „Wenn unser Vater mitkriegt, daß wir mit der Polizei zu tun hatten, schlägt er uns windelweich“, brach es schließlich aus ihr hervor.

      Stephan war schockiert. „Wie bitte? Aber Ihr habt doch gar nichts gemacht.“

      „Das ist dem doch egal. Außerdem, wenn er besoffen ist, kriegt er das ohnehin nicht mit. Und meistens ist er besoffen.“

      „Und Eure Mutter?“

      „Die sagt nichts. Die sagt nie was, weil sie die erste ist, die was abkriegt. Meistens merkt sie aber nichts davon, weil sie selber besoffen ist.“

      Sie fing leise an zu weinen. Stephan wußte nicht, was er machen sollte. Als sie nicht aufhörte, wollte er sie einfach in den Arm nehmen. Mit einem leisen Schrei wich sie zurück.

      Er hob beide Hände hoch. „Um Gottes Willen, ich will Dir doch nichts tun“, rief er erschrocken. Er wartete, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte. Dann fragte er sie: „Wie alt seid Ihr beide eigentlich?“

      „Ich bin fünfzehn, Kevin ist dreizehn.“

      Stephan sah sie erstaunt an. Damit hatte er nicht gerechnet. Schmächtig wie sie war, hätte er sie für wesentlich jünger gehalten. Ihre viel zu weite Kleidung tat ein übriges dazu. Sie sah ziemlich abgerissen aus, obwohl ihre Sachen sauber zu sein schienen. Trotz allem machte sie einen gepflegten Eindruck. Ihre Haare glänzten und waren ordentlich gekämmt. Sie hatte ein bildhübsches Gesicht. Allerdings lag eine Trostlosigkeit in ihren Augen, die ihn erschreckte.

      „Ich bin übrigens der Stephan“, stellte er sich vor. „Ich bin einundzwanzig.“

      Scheu reichte sie ihm die schmale, feingliedrige Hand. „Danke, daß Du Kevin geholfen hast“, sagte sie. Kaum daß Stephan sie berührt hatte, zog sie die Hand wieder zurück.

      „Keine Ursache“, antwortete Stephan. „Warum sind die drei eigentlich auf Deinen Bruder losgegangen?“

      „Ach, eigentlich wollten sie gar nichts von ihm. Hinter mir waren sie her. Das haben sie schon öfter gemacht. Einmal haben sie mich erwischt. Sie wollten, daß ich mich ausziehe. Aber ich hab das nicht gemacht. Ich konnte abhauen. Da haben sie alle meine Schulsachen kaputtgemacht, Bücher und Hefte zerrissen und in den Matsch geworfen. Den Rucksack haben sie mitgenommen. Der Haustürschlüssel war weg, mein Portemonnaie mit der Fahrkarte für den Bus, alles eben. Der Alte hat mich so verdroschen, daß ich eine ganze Woche nicht in die Schule gehen konnte. Heute hat Kevin sich ihnen in den Weg gestellt, damit ich wieder weglaufen konnte. Naja, was dann passiert ist, hast Du ja gesehen. Und jetzt ist er im Krankenhaus, und ich werde dafür die Prügel kriegen.“ Sie fing wieder an zu weinen.

      „Keiner

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