Geschwisterliebe. Detlef Wolf

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Geschwisterliebe - Detlef Wolf

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er den immer noch brüllenden Mann mit einem gezielten Handkantenschlag gegen den Hals außer Gefecht. Das Brüllen verstummte augenblicklich. Stephan zerrte Zervatzky zurecht, setzte ihn aufrecht in eine Ecke gegenüber der Wohnungstür damit er nicht umfallen konnte. So konnte er nicht an seiner eigenen Kotze ersticken. Und kotzen würde er, spätestens wenn er wieder zu sich kam, dessen war Stephan sich sicher. Dann ging er zu Nicole in ihr Zimmer.

      Was er sah, versetzte ihm einen Schock. Zwei Matratzen lagen auf dem nackten Fußboden, bezogen mit Bettlaken, die seit Monaten nicht gewechselt waren. Decken und Kissen darauf waren ebenfalls schmutzig und lagen zusammengeknüllt in einer Ecke. Am Fenster stand ein alter Küchentisch mit zwei Stühlen. Darauf stapelten sich Schulbücher und Hefte. Nicole stand vor einem baufälligen Sperrholzkleiderschrank, dem eine der beiden Türen abhanden gekommen waren und stopfte wahllos Unterwäsche, T-Shirts, Jeans und Pullover in eine große Sporttasche. Ansonsten war der Raum leer. Die Tapete war teilweise heruntergerissen, die Gardinen vor den Fenstern fehlten. Statt dessen stand davor eine große Papptafel, offensichtlich um das Fenster nachts abzudunkeln. Es gab kein einziges Bild oder Poster oder Plakat an den Wänden, von der Decke baumelte eine nackte Glühbirne.

      „Hier wohnt ihr?“ fragte Stephan entsetzt.

      Nicole nickte und zog den Reißverschluß ihrer Sporttasche zu.

      „Ich fasse es ja nicht“, murmelte Stephan.

      „So, fertig“, sagte das Mädchen.

      „Dann laß uns gehen.“

      Als sie auf den Flur hinaustraten, sah Nicole ihren Vater bewußtlos in der Flurecke auf dem Boden sitzen.

      „Wir können den doch hier nicht einfach so liegenlassen.“

      „Doch, können wir“, entgegnete Stephan. „Dem kann nichts passieren. Soll sich Deine Mutter um ihn kümmern, wenn sie nach Hause kommt.“

      ***

      Als sie aus dem Haus kamen, standen die Jugendlichen wieder zusammen. Zwei stützten ihren angeschlagenen Kumpel. Wütend blickten sie zu Stephan hinüber und schüttelten die Fäuste. Stephan beachtete sie nicht. Er trug die Sporttasche mit Nicoles und Kevins Sachen darin.

      „Gibt’s hier ’ne Bushaltestelle?“ fragte er Nicole.

      Sie nickte. „Da vorn an der Ecke.“

      Der Bus war fast leer. Nicole saß schweigend neben Stephan. Er hielt die Sporttasche auf seinen Oberschenkeln. Immer wieder sah sie ihn verstohlen von der Seite an. Offensichtlich hatte sie immer noch Angst.

      „Was ist los mit Dir?“ erkundigte er sich.

      „Du bist ziemlich stark“, sagte sie leise.

      Stephan schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht. Aber ich kenne ein paar Tricks, wie man solche wie die von eben los wird.“

      „Was hast Du mit dem Alten gemacht?“

      „Ich hab ihm die Arme gebrochen. Der schlägt so schnell niemanden mehr. Für die nächsten Wochen ist er auf Deine Mutter angewiesen. Ich hoffe, er lernt seine Lektion.“

      „Vergiß es“, erwiderte Nicole bitter. „Der lernt nichts. Der hat noch nie was kapiert.“

      Stephan zuckte die Achseln. „Sein Problem.“

      Nicole sah ihn an. „Warum tust Du das?“

      „Was? Deinem Vater die Knochen brechen? Er wollte mir an die Wäsche, das hast Du doch gesehen. Und weil ich sowas nicht mag, hab ich ihm eins mitgegeben.“

      „Das mein ich nicht. Warum hilfst Du uns?“

      „Was soll ich denn machen? Dich hier stehenlassen und sagen: ‚So, Mädchen, das war’s, nun sieh mal zu, wie Du klarkommst’, oder was?“

      „Zum Beispiel.“

      „Das kann ich nicht“, antwortete er schlicht.

      „Und warum nicht?“

      „Keine Ahnung.“

      „Was willst Du von uns? Was hast Du mit uns zu tun?

      „Gar nichts. Ich will Euch einfach nur helfen.“

      Sie sah ihn skeptisch an. Sie glaubte ihm nicht. Ihre Erfahrung war, niemand machte irgend etwas ohne dafür etwas zu wollen. Und jetzt hatte sie Angst vor dem, was Stephan wohl im Sinn haben mochte. Allein die Sorge um ihren Bruder ließ sie nicht weglaufen.

      Der Bus hielt, sie mußten aussteigen. Den Rest des Weges gingen sie zu Fuß. Es hatte angefangen zu regnen. Nicht sehr fest, ein feiner Nieselregen eher, wie er im Frühjahr oft fällt. Schweigend gingen sie nebeneinander her.

      Im Krankenhaus erkundigte Stephan sich nach Kevin. Sie fuhren mit dem Aufzug zu der angegebenen Station. Immer noch hatte Nicole kein Wort gesagt. Das Krankenzimmer war für drei Personen vorgesehen, aber im Moment war Kevin der einzige Patient. Er sah winzig aus in dem großen Bett. An einem Metallständer neben dem Bett hingen zwei Infusionsbeutel, die mit einem dünnen Plastikschlauch verbunden waren. Die Infusionsnadel steckte in seiner linken Hand. Sein Gesicht war blaß, fast wächsern. Ein großes Pflaster klebte über der Platzwunde an seiner Augenbraue. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er seine Schwester sah. Nicole stellte sich neben sein Bett und nickte ihm zur Begrüßung zu. Er hob kurz die Hand, auch um Stephan zu begrüßen.

      „Na, wie geht’s Dir, Du Held?“ fragte Stephan.

      „Die Bullen waren noch nicht hier“, antwortete Kevin.

      „Die kommen auch nicht. Ich hab Deinen Namen rausgehalten.“

      Die Erleichterung war ihm deutlich anzumerken. Er atmete tief durch und schloß die Augen.

      „Morgen gehe ich hin und mache meine Aussage“, fuhr Stephan fort. „Ich werde ihnen die ganze Geschichte erzählen.“

      Sofort war die Angst wieder da. Kevin riß die Augen auf und starrte Stephan an.

      „Keine Sorge“, beruhigte Stephan ihn. „Dein Alter wird Dir deshalb nichts tun. Der ist vorläufig außer Gefecht gesetzt.“

      „Er hat ihm die Arme gebrochen“, sagte Nicole mit einer Kopfbewegung zu Stephan hin. „Beide.“

      Kevin starrte Stephan weiterhin an. Ungläubig jetzt. Dann grinste er. „Wirklich?“

      Stephan nickte.

      Kevin lächelte zufrieden. Seine Augen gingen wieder zu. Stephan zog zwei Stühle heran und setzte sich. Nicole blieb unbeweglich neben dem Bett stehen und sah ihren Bruder an. Man merkte ihr an, daß sie sich Sorgen um ihn machte.

      „Was ist denn nun?“ fragte sie.

      Kevin schlug die Augen auf. „Gehirnerschütterung. Ist wohl ziemlich übel. Jedenfalls wollen sie mich vorerst hierbehalten.“

      Stephan sah, daß man ihm eines dieser Krankenhaushemdchen angezogen hatte, die auf dem Rücken offen waren und mit Bändchen um den Hals festgebunden wurden.

      „Hast

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