Eine Geschichte über rein gar nichts. Thomas Arndt

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Eine Geschichte über rein gar nichts - Thomas Arndt

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am liebsten in seiner Wohnung verbarrikadiert, um erst wieder unters Angesicht der Sonne zu treten, wenn andere Ereignisse seinem Unglück den Status einer Neuigkeit genommen hätten.

      Seine Freunde indes wollten nicht auf ihn verzichten. Überhaupt wunderten sie sich, dass gerade er durch eine Frauengeschichte so sehr mitgenommen wurde. Die Mitteilung, dass Tania ausgezogen sei, registrierten all diejenigen lediglich mit einem Achselzucken, die überhaupt darauf reagierten. So waren es schließlich Frank, Stefan und Robert, die eines Tages bei Paul auftauchten und ihn überredeten, mit der Clique im Garten einer guten Bekannten mal wieder so richtig abzufeiern. Wegen seines bloßen Anblicks ersparten sie ihm Floskeln à la das würde dir bestimmt gut tun, auch wenn seine Erscheinung solche Äußerungen geradezu provozierte. Und schon kurze Zeit später fuhren sie in Stefans Wagen den kleinen Weg entlang, der zum Garten führte.

      Es waren wirklich alle da, stellte Paul fest und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er hielt sich am Rande, um sich nicht plötzlich inmitten des Getümmels wiederzufinden. Ihm war das alles zu viel; gerne wäre er gegangen, doch immerhin registrierte er nach einer Weile zufrieden, dass es ihm doch ein wenig gut tat, unter Menschen zu sein. Außerdem stellte sich seine Befürchtung, Auskunft über seine Situation geben zu müssen, als falsch heraus. Mehrere wie geht’s, deren Tonfall durchblicken ließ, dass man Bescheid wusste, waren die deutlichsten Anspielungen auf das Geschehene, und geradezu souverän wusste er solche Frage mit einem geht schon zu beantworten. Alles in allem verlebte er ein paar schöne Stunden.

      Als sich Paul an den folgenden Tagen an diesen Abend zurückerinnerte, konnte er sich nicht erklären, was plötzlich in Robert gefahren war, auch wenn der stets beteuerte, nichts anderes im Sinn gehabt zu haben, als ihm beizustehen und ebenso allen anderen Männern. Gewisse Dinge galt es richtig zu stellen, erklärte Robert, denn er habe den Eindruck gewonnen – und er frage sich, warum nicht auch alle anderen anwesenden Männer seine Ansicht teilten –, dass sich die Mehrzahl der weiblichen Gäste über Paul und damit sozusagen durch ihn als Vertreter des männlichen Geschlechts über dasselbe lustig gemacht hätten. Umständlich musste er Paul die Details ins Gedächtnis zurückrufen, die ihn zu seiner Entgleisung gebracht hatten. Die Notwendigkeit dazu lag nicht etwa in dem Umstand, dass Paul sich nicht mehr erinnern konnte, vielmehr verstand er nicht, warum Robert auf eine Bagatelle, auf einen unmöglich böse gemeinten kleinen Scherz so empfindlich reagieren konnte.

      Alles begann recht harmlos. Die Stimmung wurde je besser und ausgelassener, desto länger der Abend wurde und je mehr Alkohol in die durstigen Kehlen von Paul und seinen Freunden floss. Wie es unter guten Freunden nicht unüblich ist, scherzte und neckte man sich den lieben langen Abend über unentwegt. Natürlich war es unumgänglich, dass, wie es unzählige Male schon der Fall gewesen war, man irgendwann auf die Geschlechter zu sprechen kam. Typische Klischees wurden in die Mangel genommen, Vorurteile von Frauen gegenüber Männern und umgekehrt wurden genüsslich ausgebreitet, Bilder und Vorstellungen wurden konstruiert, die die Realität karikierten und auf diese Weise die Stimmung anheizten. Keiner der an diesem Unfug Beteiligten nahm die Scheingefechte ernst. Nur Robert, der sich stets aus solchen Kindereien heraushielt, spuckte auf einmal Gift und Galle.

      Gerade waren einige Frauen damit beschäftigt, ihren Zuhörern auseinanderzusetzen, wodurch sich echte, wahre Männer auszeichneten. Das dabei entstehende Idealbild entsprach natürlich keineswegs den Gegebenheiten, sondern bildete vielmehr einen Antagonismus zur Realität. Selbiges taten die männlichen Zuhörer, die sich an einem Frauenbild ergötzten, dass ebenso wenig real existierte und mit der Wirklichkeit nichts gemein hatte. Mitten in dieser bedeutungslosen Auseinandersetzung erklangen ein paar ganz und gar harmlose Worte, die, voller Entzücken ausgesprochen, einem langen, schmachtenden Seufzer glichen, der gleichsam Bewunderung, Sehnsucht und Bedauern ausdrückte. Entrückt und scheinbar fern von allem Irdischen, in einer ganz anderen Dimension verweilend, blickte Laureen in die Flamme eines Teelichts und säuselte ein Wo sind nur all die Prinzen hin? in die von einem zarten Luftzug umspielte Flamme. Dann beugte sie ihren Kopf zur Seite und bettete ihn auf ihren angezogenen Knien. Sie schloss ihre Augen und es hatte den Anschein, als stelle sie sich in diesem Augenblick den begehrten Prinzen vor, der in strahlender Rüstung auf einem Schimmel reitend sie allein auf der ganzen Welt suchte.

      Das leise Gelächter ihrer Freunde störte Laureens Träumerei nicht. Doch sehr wohl wurde sie durch Roberts Stimme aus ihren Gedanken gerissen, der allerdings nicht nur ihr antwortete, sondern vielmehr allen Frauen, so wie er vermutlich die Meinung vertrat, Laureen hätte für ihr Geschlecht gesprochen: »Ihr spinnt doch alle!«, schrie er plötzlich, als hätte ihn eine Tarantel gestochen. »Ihr wollt wissen, wo die Prinzen sind? Wollt ihr das wirklich wissen oder wisst ihr es nicht längst?« Unruhig und aufgebracht blickte er in die Runde. Vergebens wartete er auf eine Antwort oder auf eine andere Reaktion; seine Freunde hatten noch gar nicht erfasst, was mit ihm los war, warum er sich so aufregte, und sahen ihn verwundert und unschlüssig an. »Nun gut!«, setzte er daraufhin zu einer Erklärung an und verkündete allen, die es wissen wollten: »Ich kann euch sagen, wo eure verdammten Prinzen sind! . . . Sie sind genau dort, wo die Prinzessinnen sind. Und damit ihr es kapiert: warum sollten denn eure blöden Traumprinzen ausgerechnet hier sein? Seid ihr Prinzessinnen? Wohl kaum!«

      Als Robert die Blicke aller auf sich ruhen fühlte, verflog sein Anfall genauso schnell, wie er gekommen war. Niemand regte sich oder reagierte anderweitig; alle blieben stumm und wunderten sich. Erst nach einigen Sekunden kamen die Ersten wieder zu sich, lösten ihre Blicke von Robert und sahen einander fragend an. Die abgewendeten Blicke gaben ihrerseits Robert seine Freiheit zurück, fühlte er sich doch wie festgenagelt, sodass er eilig aus der Runde verschwinden konnte. Ratlos und verlegen nippten einige von ihren Getränken, andere zündeten sich Zigaretten an, gingen zur Toilette oder versuchten auf andere Art, diese unfassbare Verlegenheit zu überspielen, die man sich zwar nicht erklären konnte, die aber dennoch die Umgebungstemperatur erstaunlich schnell abkühlte und obendrein die gute Stimmung nachhaltig mit einer sauren Substanz verdarb, die fortan in der kühlen Luft schwebte. Auf die Frage, was Robert habe beziehungsweise ob sie ihm zu nahe getreten sei, erhielt Laureen keine Antwort. Niemand konnte sich sein Verhalten erklären und so versuchte man vergebens, an die Heiterkeit und Ausgelassenheit anzuknüpfen, die vor Roberts Entladung die Feier so überaus angenehm gemacht hatten.

      *

      »Verdammt noch mal! Verstehst du das wirklich nicht?«, fragte Robert Paul, als die beiden sich einige Tage später trafen. »Es geht mir schon lang auf den Sack, was diese blöden Tussis veranstalten. Die nehmen doch überhaupt nichts mehr ernst, ziehen alles in den Dreck und erwarten noch, dass alles so wird, wie sie es gerne hätten – vor allem wir! Mir reicht’s! Ich hab so was von genug davon!«

      Paul, der noch immer nicht verstand, was den Freund in jener Nacht so aufgebracht hatte, versuchte noch einmal, ihn zum Reden zu bringen: »Nun gut. Du musst wissen, ob du es mir erklären willst, oder ob du dich weiter in nichtssagende Phrasen flüchtest. So werde ich dich jedenfalls nicht verstehen können und die anderen vermutlich auch nicht. Meine Güte, war es wirklich nur die Frage nach den Prinzen?«

      »Seit wann versuchst du denn überhaupt, irgendetwas zu verstehen?«, fragte Robert bissig. »Mensch Paul! So kenne ich dich ja gar nicht.«

      »Na dann lerne mich doch jetzt so kennen.«, konterte dieser und fügte hinzu, Robert gehöre auch nicht zu den Menschen, die offen und ehrlich sagten, was sie dachten und fühlten.

      »Du hast wirklich nicht mitbekommen, was vor sich geht, nicht wahr?«, fragte Robert nachdenklich und sah Paul mit einer Miene an, die tiefstes Bedauern ausdrückte. »Aber wahrscheinlich ging es bei dir auch nicht anders. Für dich hat es bestimmt ganz anders ausgesehen. Vielleicht wirst du bald verschiedene Dinge aus einer anderen Perspektive sehen.«

      »Kannst du dich nicht endlich etwas klarer ausdrücken?«, insistierte Paul. »Was habe ich nicht mitbekommen und was bitte schön sollte sich ändern? Um was geht es dir eigentlich?«

      Robert

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