Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze

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Der Kampf der Balinen - Kathrin-Silvia Kunze

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Stücke Brot, das war alles, was noch übrig geblieben war. Na wenn schon, dachte Trismon und griff nach einem der Brotstücke. Ihm machte so etwas nichts aus. Da war er schon mit weit weniger ausgekommen. Fasten und Hungern waren ihm nicht fremd. Auch wenn er noch jung war, so hatte er schon viele lange Reisen in seinem Leben hinter sich gebracht. Denn Trismon war ein Gebietserkunder. Er gehörte zu jenen des Volkes, die große Strecken zurücklegten, um unbekannte Landstriche zu erforschen, notwendige Waren von weit her zu beschaffen, oder wichtige Botschaften zu übermitteln. Und diesmal, dachte Trismon voller Bitterkeit, um schlechte Kunde zu überbringen. Missmutig biss er in das alte, harte Brot. In diesem Augenblick sah er aus dem Augenwinkel eine feine, unscheinbare Bewegung hinter der Feuerstelle. Dort waren zwei kleine Mäuse, beide mit kornbraunem Fell und spitzen Näschen. Von der Wärme des Feuers angelockt und der eigenen Neugier getrieben, hatten sie den Schutz der Sträucher verlassen. Offenbar hungrig, erschnupperten sie am Boden entlang den Geruch der Brotstücke und kamen dabei unvorsichtig nah an Trismon heran. Begierig stellten sie sich auf die Hinterbeine und hielten ihre zuckenden Nasen in die Höhe. Einen kurzen, instinktiven Augenblick lang, hatte Trismon das absolut widersinnige Empfinden, die zwei kleinen Mäuse packen zu müssen. Irritiert schüttelte Trismon den Kopf und dachte unwillig: „Der nagende Hunger muss mir die Sinne verwirrt haben.“ Dann jedoch lachte er belustigt auf und dachte: „Und was soll ich dann mit ihnen machen? Essen womöglich? Also wirklich. Mäuse essen! Alleine der Gedanke daran ist schon widerlich!“ Noch immer lachend beugte Trismon sich nach vorn und zerkrümelte einen Teil seiner kargen Mahlzeit auf den Boden. Vertrauensvoll, denn sie witterten, dass das große Wesen vor ihnen kein Fleischfresser war, kamen die Mäuse zu Trismon. Sie ließen sich auf ihre kleinen pelzigen Hinterteile sinken. Dort unten, direkt vor seinen übereinander geschlagenen Beinen, hockten sie nun und verspeisten genüsslich die Brotkrumen. Immer wieder nahmen sie Stücke davon in ihre kleinen Pfoten auf und knabberten dann mit zitternden Barthaaren an der unverhofften Mahlzeit. Der Anblick belustigte Trismon zutiefst. „Als hätte ich Gäste geladen, nur eben sehr kleine“, dachte er. Und als er sah, wie sie sich so eifrig über das alte Brot hermachten, da erschien auch ihm die karge Kost direkt ein wenig schmackhafter. In diesem Moment entsann Trismon sich wieder, seines alten, längst verstorbenen Lehrmeisters Mimail. Der gütige weise Mann, war auch ein Gebietserkunder gewesen. Zur Verwunderung aller in NordcumMelan hatte er sich damals bereit erklärt, Trismon zu unterweisen, obwohl er schon sehr alt gewesen war. Und einmal, erinnerte Trismon sich jetzt plötzlich wieder genau, als sei es gestern gewesen, hatte Mimail zu ihm gesagt: „Ein Held ist nur der, vor dem alle Schwächeren keine Angst haben, aber alle Stärkeren Respekt! Vergiss das nie mein Junge und handele stets danach. Dann wird deine Achtung vor dir selbst, immer auf festem Grund gebaut sein.“ Trismon lächelte, bei der zärtlichen Erinnerung an vergangene Tage, voller Ausflüge in die Natur und voller Leibesübungen. Vor allem aber voller Erklärungen und mindestens ebenso vieler Zurechtweisungen. Trismon zerbröckelte noch etwas von seinem Brot und warf es wieder vor den kleinen, scheinbar nimmersatten Tieren auf den Boden. Und in diesem Moment spürte Trismon, wie aus dem Nichts heraus, plötzlich eine Bedrohung. Die feinen Haare an seinem Körper stellten sich auf, noch ehe er den Kopf gehoben hatte, um zu wittern. Nichts, alles schien ruhig und unauffällig. Und doch war da etwas. Es verbarg sich in der Dunkelheit des dichten Waldes. Trismon lies sich von der vordergründigen Stille nicht täuschen. Da! Ein verräterisches Knacken im Unterholz. Die Mäuse ließen ab von ihrem Fressen und flüchteten panisch zurück in den Schutz des nahen Dickichts hinein. Da erkannte Trismon mit einem Mal den beißenden Geruch. Schnell und geschmeidig sprang er auf. Trismon hielt den Blick auf das Dickicht gerichtet, dorthin, von wo die unsichtbare Gefahr auf ihn zukam. Er verengte seine großen Raubtieraugen zu schmalen Schlitzen und begann drohend zu knurren. All seine Sinne waren hellwach. Er spürte, dass der Angreifer schon direkt vor ihm im Dickicht war, denn er konnte dessen schweren Atem hören, die üblen Ausdünstungen darin riechen und sogar die ausströmende Wärme des massigen Leibes spüren. Trismon fauchte, laut und gefährlich. Und mit dieser Herausforderung trat er seinem Angreifer entgegen.

      4. Kapitel

      Als Seline endlich ins Sonnenlicht hinaustrat, war Melan bereits voll erwacht. Ein kalter Wind blies durch die Stadt und erinnerte an den eben erst vergangenen Winter. Seline folgte einer der vielen roten Sandstraßen, die Melan durchzogen. Nur ein trockenes Stück Brot, gegen den allergröbsten Hunger, hatte sie sich schnell noch aus der großen Gemeinschaftsküche, unten im Haus, geholt. Nun biss sie hin und wieder etwas davon ab, während sie eilig voranschritt. Die schweren Vorhänge hinter den Fenstern, waren alle schon zur Seite genommen worden. Stimmen und Geräusche die aus den Fensteröffnungen drangen, kündeten von reger Geschäftigkeit im Inneren. Wie bei allen Gebäuden der Balinen, bestanden die Fenster nur aus großen ovalen Öffnungen im Sandstein. Ein ebenfalls aus Sandstein geformter Vorsprung über den Fenstern bot Schutz vor Regen und Wind. Und wenn es kühler wurde, etwa bei Nacht oder in der dunklen Jahreszeit, wurden die Fenster von innen mit schweren, robust geflochtenen Decken aus Pflanzenfasern, verhängt. Schnellen Schrittes strebte Seline dem Zentralgarten entgegen. Er war einer von den vielen Gärten innerhalb der Stadt und lag genau im Zentrum von Melan. Und es war jener Garten, dessen Bewässerung zu einem kleinen Teil auch Seline anvertraut war. Alle Bürger von Melan liebten die Stadtgärten und machten sich gerne dort nützlich, so auch Seline. In jedem Garten gab es einen Bereich, der dem Spaziergang und der Erholung gewidmet war und darüber hinaus noch Bereiche, die der Nahrungsgewinnung dienten. Dabei waren alle Gärten unterschiedlich bepflanzt. Je nachdem, wie viel Licht oder Schatten sie im Laufe eines Tages aufwiesen. Das hing von der Anordnung und Höhe der umliegenden Gebäude dort ab. Die Gärten lagen alle in verschiedenen Teilen von Melan. Nämlich überall dort, wo man dereinst innerhalb der Stadt einen Brunnen angelegt hatte. Denn der große Fluss, an dem Melan vor ewigen Zeiten gegründet worden war, existierte schon lange nicht mehr. Viele hielten ihn nur mehr für eine Legende. Aber in ihren Geschichten behaupteten die ältesten der Alten, dass er sich dereinst aus dem großen grauen Felsengebirge gespeist haben soll, das direkt hinter Melan lag und sich weit nach Norden erstreckte. Endlich hatte Seline den Zentralgarten erreicht. Und zu ihrer Freude stand die Sonne auch noch nicht zu hoch. Zudem würde auch die kühle Frühjahrsluft verhindern, dass die nassen Pflanzen in der Mittagssonne verbrennen könnten. Seline wand sich dem Bewässerungssystem zu. Dabei versicherte sie sich zunächst, dass nur die Holzschieber geöffnet waren, die zur Bewässerung der Anbaufläche dienten, die ihr zugeteilt war. Seline fand noch zwei geöffnete Holzschieber, die das Wasser in einen anderen Teil des Gartens leiten und drückte sie nach unten in den Bewässerungsgraben, um sie zu schließen. Nachdem das erledigt war, ging Seline zum großen Brunnen. Um nun das Brunnenwasser aus der Tiefe nach oben zu befördern, betätigte Seline den dafür vorgesehenen Taumelmechanismus am Brunnenrand. Hierbei musste man einen schweren, am Untergrund befestigten Holzkegel aus seinem Schwerpunkt drücken. Der Holzkegel versuchte dann unter Taumelbewegungen sein Gleichgewicht wieder zu erlangen um zurück in die aufrechte Ruhestellung zu gehen. Die dabei frei werdende Energie wurde, über einen komplizierten Seilmechanismus, auf eine Spule übertragen, die über dem Brunnen hing. Die Spule begann dadurch sich zu drehen und die an einem Seil hängenden, schweren Tongefäße, von unten aus dem Brunnen herauf zu ziehen. Die gefüllten Tongefäße mussten beim Vorbeigleiten dann nur noch leicht nach unten gedrückt werden, damit sich das Wasser in den angrenzenden Bewässerungsgraben ergoss. Von dort aus verteilte es sich, entsprechend der geöffneten und geschlossenen Holzschieber, im Garten. Seline beobachtete, wie das Wasser über die trockene Erde strömte. Es trug vereinzelte, trockene Blätter und kleine Zweige mit sich, während es dem Lauf der tiefen Erdfurche folgte. Seline musste darauf achten, dass der Wasserlauf nicht durch Ansammlungen von Laub, Gräsern oder Geäst behindert wurde. Manchmal sackte auch Erdreich in den Graben und musste erst heraus genommen werden, bevor das Wasser ungehindert fließen konnte. Diesmal jedoch fand Seline alles zu ihrer Zufriedenheit. Das Wasser klatschte gegen die geschlossenen Holzschieber, die ihm den Weg versperrten und tastete sich in die Abzweigungen des Bewässerungssystems hinein, die geöffnet waren. Also ging Seline zurück zum Brunnen, um weiteres Wasser zu schöpfen. Während sie erneut den Taumelmechanismus betätigte, schweifte ihr Blick ab, hinein in den schönen Zentralgarten. Das erste Grün wagte sich hier schon aus dem Boden und blinzelte verschlafen hinauf zur blassen Frühjahrssonne. Und weiter entfernt, in einem anderen

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