Böse Mächte. Dietrich Novak

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Böse Mächte - Dietrich Novak Valerie Voss, LKA Berlin

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ein fünfeckiger Stern mit einem Kreis herum. Im Altertum wurde es als Zeichen des Lebens und der Gesundheit verwendet. Im und nach dem Mittelalter diente es der katholischen Kirche als Abwehrzeichen gegen Dämonen und Druden, denn es stellte auch die fünf Wunden Jesu Christi dar. Bei diesem hier handelt es sich um einen sogenannten Drudenfuß, denn es steht auf dem Kopf. Es ist vermutlich das bekannteste Symbol der Magie und der Mystik. Heutzutage wird es in der Hauptsache als satanistisches Zeichen wahrgenommen.«

      Hinnerk pfiff leise durch die Zähne.

      »Da hat wohl jemand nicht so gespurt wie erwartet. Es könnte sich um eine Bestrafung handeln.«

      »Aber warum die Mühe? Man hätte sie doch einfach irgendwo vergraben können. Zum Beispiel im eigenen Garten«, meinte Heiko.

      »Das ist wie bei Hunden«, antwortete Hinnerk, »das eigene Revier wird sauber gehalten. Und im Wald vergraben war ihnen wohl zu riskant. Da ist die Anonymität der Hauptstadt schon sicherer. Wenn alles gut gegangen wäre, hätte jeder geglaubt, eine unglückliche junge Frau habe ihrem Leben freiwillig ein Ende gesetzt, indem sie von der Brücke gesprungen ist.«

      »Hatte sie Papiere oder ein Handy dabei?«

      »Nein, nichts.«

      »Dann gilt es, die Vermisstenkartei zu durchforsten. Falls sie überhaupt jemand vermisst. Ich fürchte, da kommt ein schönes Stück Arbeit auf uns zu.«

      »Nun, ich höre, habt ihr die Aufgabe zufriedenstellend erfüllt?«, fragte Delano, dessen tiefschwarze Augen kalt und böse blickten.

      »Ja, Meister«, antwortete Vidar devot. »Es ist nur nicht alles nach Plan verlaufen.«

      »Was soll das heißen?«

      »Lamai ist nicht auf der Fahrbahn, sondern auf dem Dach eines Pkw gelandet«, sagte Caja, »daraufhin hat es eine Massenkarambolage gegeben.«

      »Weil ihr unfähig seid, die einfachsten Aufgaben zu erfüllen«, tobte Delano. »Was im Verborgenen geschehen sollte, zieht jetzt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich.«

      »Beunruhige dich nicht, Liebster! Unser Bruder und unsere Schwester sind ja unbeschadet zurück-gekehrt. Und wenn sie nicht verfolgt worden sind, weist nichts auf unser Haus hin«, meinte Merida, die deutlich älter als Caja war, aber bei Delano eine Sonderstellung einnahm.

      »Keine Sorge, erste Schwester. Uns ist niemand gefolgt«, sagte Vidar.

      Die Anwesenden und auch die übrigen Bewohner des Hauses trugen allesamt Fantasienamen, teils aus dem Keltischen, teils aus dem Germanischen, und hatten von Anfang an ihre bürgerlichen Namen ablegen müssen. Dafür hatten sie freie Kost und Logis und genossen einen gewissen Schutz innerhalb der Mauern des düsteren Anwesens. Freilich hatten sie ohne Wenn und Aber zu arbeiten und Minnedienste zu verrichten. Doch zum Ausgleich durften sie an schwarzen Messen teilnehmen, die für gewöhnlich in sexuelle Orgien ausarteten und bei denen es mitunter auch Menschenopfer gab. Doch selten traf es dabei Mitglieder der Gemeinde wie Lamai, die sich den Regeln wiederholt widersetzt hatte, sondern neu Angeworbene oder zufällig Ausgewählte, die niemand vermisste.

      Die Hierarchie erinnerte ein wenig an den chinesischen Film „Die Rote Laterne“. Wobei Delano die Rolle des Herrn einnahm. Sein selbstgewählter Name bedeutete: „dunkel, durch die Nacht“ – von: „de-la-nuit“ beziehungsweise „de-la-noche“. Er war der Hohepriester und herrschte uneingeschränkt. Seine Frau Merida, der Name bedeutete im Spanischen soviel wie: “Eine, welche einen hohen Platz der Anerkennung erlangt hat“, wurde „erste Schwester“ genannt und nicht etwa „erste Herrin“ wie im Film. Auch wurden keine roten Laternen aufgestellt, wenn Delano die zweite, dritte oder vierte Schwester nachts heimsuchte.

      Merida ertrug es mit Gleichmut, wenn sich Delano mit den jüngeren Schwestern vergnügte. Nur unter denen gab es gelegentlich Eifersüchteleien, die Delano eher amüsierten, die er jedoch zur Wahrung des Scheins mit harten Strafen ahndete. Belana und Ferun, die dritte und vierte Schwester erlangten damit immer wieder Aufmerksamkeit, während Elfrun, die zweite Schwester sich mehr wie Merida verhielt.

      »Euch ist doch klar, dass ihr bestraft werden müsst?«, fragte Delano. »Ich werde mir etwas für euch überlegen. Schließlich habt ihr durch euer tölpelhaftes Verhalten unser aller Sicherheit bedroht.«

      »Wir nehmen die Strafe auf uns, wie sie auch ausfallen mag«, sagte Vidar, und Caja nickte eifrig zustimmend.

      »Ich weiß, dass ihr euch schon lange wünscht, in den Priesterstand aufzusteigen«, führte Delano seine Rede fort. »Nun, ihr sollt Gelegenheit zur Bewährung bekommen. Du, Caja, indem du die Ekelprüfung vorzeitig ablegst, und du, Vidar, mit der Gruselprüfung, die du so fürchtest. Zusätzlich werdet ihr beide zehn Stunden Gartenarbeit verrichten, ohne Essen und Trinken.«

      »Es geschehe, wie der Meister wünscht«, sagten Caja und Vidar im Chor.

      Beiden war bei dem Gedanken, was auf sie zukam, nicht wohl, aber sie wussten, dass es keinen anderen Weg gab, in der Hierarchie ein Stück weiter nach oben zu gelangen.

      Hinnerk saß am Morgen etwas missmutig am Frühstückstisch. Valerie schrieb das seiner Müdigkeit zu, oder allenfalls seiner alten Schussverletzung, die sich hin und wieder bemerkbar machte.

      »Was gab’s denn so Wichtiges mitten in der Nacht?«, fragte sie wie nebenbei.

      »Einen schweren Unfall auf der A100. Dabei wurde eine Leiche entdeckt, die etliche Stichverletzungen und satanische Symbole aufwies. Natürlich war sie nicht zu identifizieren.«

      »Na bravo! Das heißt wieder einmal die Nadel im Heuhaufen suchen.«

      »Ja, aber das ist nichts gegen das, was ich dir noch sagen muss. Du musst jetzt sehr stark sein, Liebling.«

      »Waren etwa Karen und Herbert in den Unfall verwickelt?«

      »Nein, die beiden nicht, aber Tina.«

      »Und das erzählst du mir erst jetzt? In welcher Klinik liegt sie? Ich muss gleich hin.«

      »Sie hat den Unfall nicht überlebt, Val.«

      Valerie kamen augenblicklich die Tränen. Hinnerk nahm sie tröstend in den Arm.

      »Was hatte sie auch nachts auf der scheiß Stadtautobahn zu suchen?«, fragte Valerie, was nur ein Ausdruck ihrer Hilflosigkeit war.

      »Man fand eine Eintrittskarte zur „White Night Party“ im Amber Club bei ihr. Dort war sie wohl mit einer Freundin namens Margrit, die auch nicht überlebt hat.«

      »So eine Tragödie. Waren die beiden angetrunken?«

      »Vermutlich, aber das ist nicht die Unfallursache. Die Leiche, die man auf der Brücke entsorgt hat, ist den beiden buchstäblich auf den Kopf gefallen. Da würde wohl jede Wahrscheinlichkeitsrechnung versagen.«

      »Die Arme. Da haucht sie ihr Leben aus an der Stelle, an der sie normaler Weise selbst tätig geworden wäre. Ich glaube, ich muss mich jetzt erst mal ausheulen und einen Schnaps trinken.«

      Valerie lief aus der Küche und wäre um ein Haar mit ihrem Sohn Ben zusammengestoßen, der nach seinem Klinikaufenthalt wieder im Haus der Eltern wohnte.

      »Was hat sie denn? Habt ihr wieder mal Krach?«, fragte Ben.

      »Schlimmer.

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