Böse Mächte. Dietrich Novak

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Böse Mächte - Dietrich Novak Valerie Voss, LKA Berlin

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hast.«

      In der Enge des Sarges mit der Leiche halb unter sich befielen Vidar sogleich Beklemmungen. Er überstand die Zeit nur, indem er autogenes Training zu Hilfe nahm und sich in eine Art Dämmerzustand versetzte. Als der Deckel wieder geöffnet wurde, rang er nach Atem und würgte heftig. Doch dann holte er eine Knochensäge aus der Tasche und begann die linke Hand der Leiche abzutrennen. Nachdem ihm das gelungen war, steckte er das grausige Relikt in eine Tüte und warf diese im hohen Bogen über den Grubenrand. Die Schließung des Sargdeckels war wie eine Befreiung für ihn.

      Finbar half Vidar aus der Grube, und sie begannen sogleich, das Erdreich zurück zu schaufeln. Zuletzt legten sie die Kränze und Gestecke auf den nicht besonders hohen Hügel. Wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, mittels eines Handyfotos die alte Ordnung herzustellen, wäre ihre Tat womöglich unentdeckt geblieben. Aber ihre schlampige Vorgehensweise sollte am nächsten Tag sogleich auffallen und hohe Wellen schlagen. Dass davon nichts in die Presse gelangte, geschah aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen und um nicht noch mehr Verbrecher anzulocken.

      Anerkennend klopfte Finbar Vidar auf die Schulter.

      »Gut gemacht, Bruder. Der Meister wird zufrieden sein«, sagte er leise. »Jetzt lasst uns abhauen, bevor noch jemand kommt!«

      Sirona war nur allzu froh, den Heimweg antreten zu können. Erleichtert atmete sie auf, als sie alle unerkannt im Wagen saßen. Ihre Gedanken behielt sie lieber für sich. Eine Grabschändung war nicht gerade ein Kavaliersdelikt, wenn auch nicht zu vergleichen mit einer rituellen Opferung. Nur das eine war im Rausch und in mystischer Verzückung geschehen, und das andere bei vollem Bewusstsein. Nein, sie wollte keine Priesterin werden, dachte Sirona. Schon deshalb nicht, wenn es mit derlei Prüfungen verbunden war.

      Die unbekannte Tote von der Autobahn wurde offensichtlich nicht vermisst, denn sie erschien in keiner Datenbank. Dass es sich um einen Flüchtling handelte, war eher unwahrscheinlich, denn die Frau sah deutlich westeuropäisch aus. Dann schon eher um eine illegal Eingewanderte, die womöglich zur Prostitution gezwungen worden war. Doch auch die internationalen Datenbanken gaben nichts her. In der Not veröffentlichte man ein Foto der Toten und bat die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise.

      Bald darauf meldete sich eine junge Frau, die angab, die Tote zu kennen.

      »Das ist eindeutig Imogen Breuer«, sagte Nina Dietz, eine pausbäckige Aschblonde, Anfang dreißig. »Wir sind zusammen in eine Klasse gegangen, haben uns aber später aus den Augen verloren. Als ich sie zufällig einmal in der Stadt traf, wirkte sie auf mich seltsam entrückt, als habe sie psychische Probleme.«

      »Hat sie Ihnen eine Adresse genannt?«, fragte Valerie, die deutlich ernster war nach ihrem Besuch in der Pathologie.

      »Nein, sie erzählte nur, dass sie noch einige Jahre bei den Eltern gewohnt hat. Das Ehepaar Ulrich und Tatjana Breuer lebte damals in der Uhlandstraße. Ob sie jetzt noch dort wohnen, weiß ich leider nicht.«

      »Das wird sich leicht herausfinden lassen. Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Valerie und verabschiedete die Frau. »Schmidtchen, sieh doch bitte mal nach, ob Ulrich und Tatjana Breuer noch in der Uhlandstraße gemeldet sind.«

      »Yep, wird gleich erledigt.«

      »Hat jemand Lust mitzukommen?«, fragte Valerie.

      »Du kennst ja meine Aversion, Todesnachrichten zu überbringen«, sagte Hinnerk. »Vielleicht will unser Küken?«

      »Also, als Federvieh hat mich noch keiner bezeichnet«, lachte Heiko. »Aber ja, ich komme mit.«

      »Denk dir nichts dabei. Mein Mann hat mitunter einen etwas gewöhnungsbedürftigen Humor …«

      »Sagt die Frau, die uns in dieser Beziehung alle schlägt.«

      »Ich nehme das mal als Kompliment. Und, Schmidtchen, hast du was gefunden?«

      »Ja, das Ehepaar wohnt in der Nummer 141.«

      »Prima. Dann los, Heiko!«

      Das hellgelb gestrichene Haus Uhlandstraße 141 war ein typischer Altbau vom Anfang des vorigen Jahrhunderts mit Erkern und Balkonen. Im Erdgeschoss befanden sich ein Kosmetikstudio und ein Geschäft für Teppichböden und Tapeten. Valerie drückte den Knopf auf dem Klingelschild neben dem Namen Breuer, woraufhin sogleich der Summer ertönte. Oben erwartete sie eine adrett gekleidete Frau, Mitte fünfzig, mit feinen, blonden Haaren und sehr hellen, etwas trüben Augen.

      »Ja, bitte?«, fragte sie mit leiser Stimme.

      »Guten Tag, Frau Breuer. Mein Name ist Voss, und das ist mein Kollege Herr Wieland. Wir kommen vom LKA Berlin. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«

      »Ja, bitte! Gehen Sie doch durch ins Wohnzimmer! Kann ich Ihnen etwas anbieten?«

      »Nein, danke. Wir würden Ihnen gern ein Foto zeigen mit der Frage, ob es sich bei der abgebildeten Person um Ihre Tochter Imogen handelt.«

      »Einen Augenblick, ich hole meine Brille.«

      Als Tatjana Breuer mit ihrer Lesebrille auf der Nase wiederkam, reichte ihr Valerie das Foto.

      »Ja, das ist Imogen«, sagte die Frau und schluchzte auf. »Sie ist tot, nicht wahr?«

      »Es tut mir leid, Frau Breuer. Ihre Tochter war in einen Verkehrsunfall auf der Stadtautobahn verwickelt.« »Das kann nicht sein. Imogen besitzt keinen Führerschein.«

      »Man kann auch als Beifahrer ums Leben kommen. Da sie keine Papiere bei sich trug, war sie für uns unbekannt. Doch ein Aufruf zur Mithilfe ließ sich eine ehemalige Mitschülerin namens Nina Dietz bei uns melden. Sie meinte, auf Anhieb Ihre Tochter zu erkennen. Deshalb sind wir hier.«

      »Ja, die Nina war ein liebes Mädchen. Die beiden waren sehr gut befreundet.«

      »Frau Dietz gab an, Imogen habe sich mit den Jahren sehr verändert. Weniger vom Aussehen her als vom Verhalten.«

      »Kein Wunder, dass es Nina nicht entgangen ist. Wir haben ja unser eigenes Kind kaum wiedererkannt. Sie lief plötzlich nur noch mit dunkler Kleidung und schwarz umrandeten Augen herum. Mein Mann war entsetzt, dass sich unsere Tochter zum „Grufti“ wandelte. Bald darauf zog sie aus und ließ sich kaum noch sehen. Bei einem ihrer seltenen Besuche wollte sie Lamai von uns genannt werden. Ulrich hat sich totgelacht und gefragt, ob sie jetzt völlig durchdrehe. Ich machte mir große Sorgen, wie man sieht, nicht zu unrecht.«

      »Der Umstand, dass sich Ihre Tochter der sogenannten Gothic-Bewegung anschloss, ist allein noch nicht ungewöhnlich«, sagte Heiko. »Seit der Stil Anfang der 80er Jahre in Mode kam, fand er viele Anhänger unter den Jugendlichen, die Namensänderung gibt schon eher zu denken. Halten Sie es für möglich, Imogen habe sich einer Sekte angeschlossen?«

      »Ich weiß es nicht. Mein Mann hat das auch sofort vermutet, aber ich dachte, sie sei zu misstrauisch für so etwas.«

      »Wo ist Ihre Tochter hingezogen, Frau Breuer?«, wollte Valerie wissen.

      »In eine Einzimmerwohnung in Neukölln. Wir waren entsetzt und haben sie dort nur einmal besucht. Ein richtiges Loch, kann ich Ihnen sagen. Unvorstellbar, dass man so wohnen kann. Na, lange ist sie dort auch nicht geblieben. Sie meinte, jetzt in einer schönen, alten Villa zu wohnen, unter Gleichgesinnten.«

      »Hat sie die Straße oder

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