Strandgut. Claus Beese
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»Wladimir! Er heißt Wladimir!«, rief der alte Angler mir zu. »Und er kann doch Angeln!«
»Waldemar! Ich cheißen Waldemar«, lachte der „Deutsch-Russki“ und hielt mir voller Stolz seinen Fang entgegen, den ich mit Applaus bedachte bevor ich weiter ging.
Noch immer stand das Pärchen am Brückengeländer, eng aneinander geschmiegt in zärtlicher Umarmung, hoffend, eine Lösung für das Problem zu finden.
»Come on«, flüsterte sie leise und zog ihn von der Brücke in Richtung Strandpromenade. »Sei nicht traurig. In unsere letzte Nacht ick will nicht, dass du bist traurig! I will make you happy, my dear! Morgen ist eine andere Tag und we will see, what tomorrow brings!«
Arm in Arm verließen sie die Brücke und gingen einer Nacht voller Liebe und Hoffnung entgegen.
Eine blonde Frau in einer weißen Windjacke kam mir im feurig-roten Schein der versinkenden Sonne von Land her entgegen. Sie wich mir nicht aus, kam direkt auf mich zu und blieb vor mir stehen.
»Warum bist du allein weggegangen?«, fragte sie mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
»Ich musste nachdenken, meinen Kopf vom Wind klar pusten lassen«, sagte ich leise.
»Bist du noch böse wegen unseres Streits?«, wollte sie wissen.
»Nein! Vermutlich hattest du mit allem recht und ich war nur starrköpfig. Ich glaube, die Sache war eine Auseinandersetzung nicht wert.«
Ich legte meinen Arm um ihre Schultern und ging mit ihr den Weg über die Seebrücke zurück an Land. Eine Brücke die nichts miteinander verbindet, ein ganz und gar sinnloses Bauwerk.
Die Moorwaage
»Junge, und du bist dir deiner Sache völlig sicher? Du willst wirklich von Bord gehen?«
Man konnte es dem alten Kapitän ansehen, dass es ihm nicht recht war seinen besten Matrosen zu verlieren. Die Gedanken des „Alten“ kehrten zurück zu dem Zeitpunkt, als der Junge vor ihm auf dem Kai stand. Zerlumpt, abgerissen und abgemagert, eher ein Häuflein halb verhungertes Elend, als das Abbild eines Matrosen. Die nackten Füße schmutzig, das lange Haar wirr und ohne erkennbare Frisur.
»Na Moses! Wo kommst du denn her?«, wollte der Kapitän von ihm wissen und der Junge zeigte die Lesum hinauf, den kleinen Nebenfluss der Weser, der seinen Ursprung hoch oben in den Mooren weit hinter Bremen hatte und hier am Vegesacker Hafen in den großen Strom mündete.
»Und wohin willst du?«, forschte der Kommandant des Handelsseglers weiter.
Johannes deutete einfach nur auf das Schiff und zeigte dann die Weser hinab in Richtung Meer.
»Junge, und du bist dir deiner Sache völlig sicher? Du willst hier an Bord anheuern?«
Johannes nickte einfach nur und der „Alte“ winkte ihm an Bord zu kommen. Johannes erklomm die Gangway und stand einen Herzschlag später vor seinem Kapitän, der von nun an nicht nur sein oberster Herr sein sollte. Der Junge lernte auf dem Segelschiff sein Handwerk, stieg auf vom Moses bis zum Bootsmaat und wuchs zu einem großen und kräftigen jungen Mann heran. Den Atlantik hatte er überquert, war durch das Mittelmeer bis nach Konstantinopel, dem früheren Byzanz gesegelt. Er kannte das Kap und den Tafelberg an der Südspitze Afrikas und die Häfen der arabischen Welt. Er durchkreuzte Taifune im indischen Ozean und kehrte mit den besten Seidenstoffen und seltensten Gewürzen zurück. Wertvolle Edelsteine, ausgesuchte Teesorten, Säcke voller Kaffeebohnen, es gab nichts, was nicht schon im Laderaum der „Katharina“ befördert worden war.
Doch jetzt sollte es genug sein. Der Lederbeutel, in dem er seine Heuer und den Anteil am Erlös der Ladung stets gehortet hatte, war prallvoll und das Geld würde ihm und seiner Mutter ein bescheidenes aber sorgloses Leben ermöglichen. Sein Blick wanderte hinauf in die Lesummündung, seine Gedanken eilten zurück an den Ort, von dem er vor langer Zeit ohne Abschied aufgebrochen war und er hoffte, bei seiner Rückkehr noch alles so vorzufinden, wie er es kannte. Ein tiefer Blick in die Augen des „Alten“, der ihn die Jahre über mehr wie einen Sohn denn wie einen Matrosen gehalten hatte, sagte beiden mehr als Worte. Der Abschied war kurz aber Johannes wusste, dass er auf der „Katharina“ stets einen Platz finden würde. Er warf sich seinen Seesack über die Schulter und stieg über die Gangway hinab auf den Kai. Der junge Seemann brauchte nicht lang zu gehen, denn nicht weit vom Liegeplatz des Handelsschiffes lagen die Kähne der Torfschiffer. Sie fuhren den in den Mooren abgebauten Torf die Lesum hinab in die Hafenstadt an der Weser, wo er als Brennstoff für den Winter diente und in den Herden zum Kochen verfeuert wurde. Schnell war er sich mit einem der Bootsführer einig, ein paar kleine Münzen wechselten den Besitzer und Johannes ging an Bord des flachen Frachtkahns.
Der Torf-Schiffer warf die Leinen los und ruderte das schwere, träge wirkende Gefährt in den Strom hinaus. Das jetzt zur Flut auflaufende Wasser würde es noch ein ganzes Stück die Lesum hinauftragen. Das kleine Segel gab dem Boot Vortrieb, so dass es gut zu steuern war und etwas schneller als die Strömung den Fluss hinauf glitt. An Backbord grüßte das hohe Ufer des bewaldeten Geestrückens, und das sich bereits bunt färbende Laub zeigte den beginnenden Herbst an. An Steuerbord dehnte sich die weite Sumpf- und Marschlandschaft des Werderlandes, Rinder und Schafe weideten auf den grünen Flächen. Die Schleifen und Kurven, welche der Fluss beschrieb, wurden immer enger und dann kam die Burg in Sicht. Hier an der Heerstraße gab es früher eine Furt durch den Fluss, die jedoch inzwischen mit einer Brücke überbaut worden war. Der Torfschiffer musste das Segel streichen und den Mast legen um sie zu passieren. Erst nach diesem Hindernis hatte das Boot wieder freie Fahrt.
Das Wasser verursachte ein leises Plätschern am Rumpf des Bootes, und Johannes fragte sich, was ihn wohl erwartete. Der Torfschiffer räusperte sich vernehmbar, wohl ein Zeichen, dass er sich gerne mit seinem Fahrgast unterhalten würde.
»Kommst du von weit her?«, fragte er und bemühte sich, hochdeutsch zu reden. Hier im Moor sprach sonst kaum jemand so, nur die gebildeten Herrschaften im fernen Bremen, die sich für etwas Besseres hielten, empfanden das alte Plattdeutsch wohl als nicht mehr standesgemäß.
»Jo!«, antwortet Johannes einsilbig und wenig erfreut darüber, dass ihn jemand aus seinen Gedanken riss.
»Un wo schall dat hengahn?«
Der Kahnskipper verfiel unbewusst in den ihm wesentlich genehmeren Dialekt seines Landstriches, als er den Jungen nach dem Wohin fragte.
»Ins Moor! Dort lebt meine Mutter«, antwortete Johannes und unterband damit weitere Fragen. Eine kleine Weile blieb es still im Boot, dann räusperte sich der Schiffer erneut.
»Dor deit se woll all lang leven, wat?«, erkundigte er sich in der Hoffnung, den Jungen ein wenig aus der Reserve locken zu können.
»Hm!«, gab dieser nur zur Antwort.
Plötzlich legte der Mann aus dem Moor seine Stirn in Falten und seine Stimme klang heiser, als er fragte: »Du büss all de Johannes, nich? De Jung vun de Gerti, de olle Moor…wief!«
Johannes registrierte dankbar, dass der Mann das Wort „Hexe“ nicht ausgesprochen hatte. Denn als solche war seine Mutter schon seit