Strandgut. Claus Beese
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Читать онлайн книгу Strandgut - Claus Beese страница 5
»Johannes?«, fragte sie voller Hoffnung. »Johannes, bist du es? Kommst du endlich heim?«
Das Wispern im Schilf wurde lauter und die Frau schaute nach Westen.
»Jooohaaannes!«, schrie sie und erschrak vor ihrer eigenen Stimme, welche laut die Einsamkeit durchschnitt wie ein Schwert.
»Jaaaa! Er ist es«, wisperte das Moor und ein kalter Wind ließ die Frau frösteln. »Und er stirbt gerade!«
»Neiiiin!«
Es war ein Schrei voller Verzweiflung und Schmerz, der durch die Nacht hallte. »Moor! Hast du mich all die Jahre nur am Leben gehalten, um mir jetzt alles zu nehmen?«, schluchzte die Frau.
»Es ist, wie es ist«, raunte es aus den Wollgrasbüscheln. »Einzig und allein die Moorwaage könnte es noch verhindern!«
»Was ist das?«, schrie die in sich zusammengesunkene Gestalt vor der Hütte mit gepeinigter Seele.
»Was das Moor genommen hat, gibt es nicht wieder her«, murmelte es aus den tausend kleinen Quellen rund um die kleine Erhebung, auf der das armselige Häuschen stand. »Es sei denn, du gibst dem Moor etwas, das mehr Bedeutung hat, als das, was es sich schon nahm! So wird es das Genommene wieder hergeben!«
Gerti kam taumelnd auf die Füße.
»Etwas, das mehr aufwiegt als mein eigenes Kind?«, schrie sie voller Schmerz. »Was soll das sein?«
Sie wandte das tränenüberströmte Gesicht zum nachtschwarzen Himmel und sah die Sternschnuppe, die mit langem Schweif vorüberjagte um in der Lufthülle zu verglühen. Da wurde Gerti ganz ruhig.
»Ich kenne nur eines, das schwerer wiegt, als der Junge, den du mir nehmen willst«, murmelte sie und ging zum Rand der Insel, die über Jahre und Ewigkeiten hinweg ihre Heimat gewesen war. »Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind«, hauchte sie.
Sie blieb nicht stehen, ging weiter, immer weiter, bis sie den festen Halt unter den Füßen verlor und in der endlosen Schwärze des nächtlichen Moores versank.
Johannes hörte, wie es um ihn herum blubberte. Sprudelnd stiegen von unten her Gasblasen in dem Sumpfloch empor, drangen unter seine Kleidung und hoben ihn hoch. Er fühlte deutlich, dass er empor geschwemmt wurde, kleine Wirbel beschleunigten seinen Auftrieb. Sein Kopf durchbrach die Oberfläche des Wasserlochs und der sprudelnde Luftwirbel trieb ihn an dessen Rand. Atemlos zog sich der Bootsmann auf das rettende Ufer, pumpte keuchend seine Lungen voll mit Luft, die kühl und würzig schmeckte, aber auch moderig und nach Tod. Das Letzte, was er wahrnahm, bevor ihn eine Ohnmacht umfing, war ein Raunen, das aus der Weite der Moorfläche zu kommen schien.
»Geh! Du bist frei! Die Liebe deiner Mutter hat dich aufgewogen!«
Dann verließen ihn seine Sinne.
Der Torfschiffer sah den Jungen am Ufer sitzen und änderte den Kurs. Mit leisem Scharren schob sich der Rumpf des Bootes auf das Ufer und Johannes sprang in den Kahn, der voll beladen war mit dem Torf aus dem Moor. Er stieß das Boot vom Ufer ab und setzte sich wortlos auf eine Bank. Der Schiffsführer brachte genau so wortlos das Boot wieder auf Kurs, stellte das Segel in den Wind und während sie mit leise rauschender Bugwelle die Hamme hinab zum Umschlagplatz der kleinen Stadt segelten, fiel nicht ein Wort zwischen ihnen.
Schon kamen die ersten Masten der Segelschiffe in Sicht, die im Hafen von Vegesack lagen, als der Torfschiffer sich räusperte und fragte: »Un? Hest all funnen, wat du sökt hest?«
Johannes nickte und sprang behände auf den Kai.
»Das, was von allem am schwersten wiegt«, erwiderte er. Seine Augen suchten und fanden die „Katharina“, auf der gerade die Segel gehisst wurden und er beeilte sich an Bord zu kommen.
Sehnsucht
Allein
oder mit wenigen
auf einem Schiff.
Getragen von den Wellen der See,
gewiegt vom Atem des Meeres.
Umgeben von Abenteuern,
vergangenen und zukünftigen.
Gefangen
von denen, die jetzt sind –
Sehnsucht,
die körperlich ist
und schmerzt.
Bei Thor und Odin !
In mir keimte ein Verdacht. War es möglich, dass ich in einem früheren Leben einmal ein Wikinger gewesen war? Anders war es nicht zu erklären, dass es mich mit magischer Kraft immer wieder an die Ostsee zog, wobei es mir eigentlich egal war, ob es an die dänische Ostsee oder die schleswig-holsteinische Küste ging. Hauptsache, das Wasser schmeckte nach Salz und die Luft roch nach Tang und Dorsch. Ich konnte mich nicht satt sehen an den hellen Steilküsten der Inseln, den dunklen, grünen Wäldern und dem leuchtenden Gelb der Rapsfelder. Das helle Grün der Wiesen und das ständige Wechselspiel der Farben im Wasser der Ostsee beeindruckten mich auf geradezu unheimliche Weise. Ich sah mich in Gedanken auf den Spuren Eriks des Roten wandeln, gekleidet in ein Wams aus Leder, mit einer Fellweste und einem zünftigen Kriegerhelm. Bewaffnet mit einem kunstvoll geschmiedeten, zweischneidigen Schwert und einer wuchtigen Streitaxt. In meinen Träumen stand ich am Bug meines Langschiffes, neben dem hochgezogenen, drachenkopfgeschmückten Vorsteven und ließ den stahlharten Blick meiner blauen Augen über die Weiten der See wandern, auf der Suche nach lohnender Beute. Bei Thor und Odin, welch ein Leben! Es hätte mir gefallen, damals.
Überraschenderweise hatte es nicht vieler Überredungskünste bedurft, um meinem treu sorgenden Eheweib und Mutter meiner Tochter klarzumachen, dass Urlaube mit Kleinkindern auf Mallorca oder in Tunesien nur Nachteile in sich bargen, und man sich am besten dort erholen konnte, wo man Strand und Wasser, kinderliebe Menschen und notfalls auch einen deutsch sprechenden Kinderarzt direkt vor seinem Sommerhäuschen hatte. Vor einiger Zeit hatten wir in Dänemark in der Nähe von Arhus ein Häuschen gemietet, das mir nahezu ideal erschien, um einen Urlaub mit unserem kleinen Pöks zu machen. Nur ganz seicht fiel der feine, weiße Sandstrand zum Meer hin ab, und selbst im Wasser konnte man noch fast hundert Meter weit gehen, bevor die letzten Sandbänke sich zum flachen Meeresgrund neigten. Ein Kaufmann, ein Minigolfplatz und ein Ruderbootverleih, natürlich mit frischem Wattwurm-Service, rundeten das Urlaubsangebot ab.
Das Wasser war hier so flach, dass man tagsüber kaum mit Dorschfängen zu rechnen hatte, aber dafür gab es Schollen und Butt in unvorstellbaren Mengen. Die überwiegend flache Arhus-Bucht, die nur an einigen Stellen Tiefen von mehr als fünfzehn Metern erreichte,