Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer страница 5
Dann endlich wurde Nils fündig, sogar mehr noch, als er zuletzt zu hoffen gewagt hatte. Er fand ein altes Sofa. Es stand schräg, weil ein Bein abgebrochen war, aber da konnte er etwas unterlegen. Das Sofa fühlte sich recht bequem an. Und, wie es der Zufall wollte, lag sogar eine Decke darauf. Er schlug sie auf. Ja, das geht, dachte er, sie ist heil und groß genug. Den Staub schüttelte er mit wenigen Schlägen heraus. Und immerhin, weder die Decke noch das Sofa verbreiteten einen unerträglichen Geruch. Nils untersuchte die Fenster und stellte befriedigt fest, dass er die Läden vor diesem Raum noch alle schließen konnte. Wenn es also nicht dunkel werden sollte, dann konnte er mit den Fensterläden ein wenig nachhelfen.
Doch noch war es hell und das wollte Nils ausnutzen. Er ging noch einmal nach draußen und zu den Nebengebäuden. Schließlich hatte er immer noch nichts zu essen. War es ein wenig dunkler geworden? Nils blickte zum Himmel – und zuckte mit den Schultern. Es war wohl nur Einbildung. Er ging weiter.
Nils betrat eine Werkstatt. Und hier entdeckte er das erste Mal eine gewisse Unordnung. Es gab zwar kein Werkzeug mehr, aber es lag allerlei Zeug herum. Er war kein Schlosser, trotzdem fiel ihm sofort auf, dass nirgendwo Schrauben und Muttern herumlagen, dafür umso mehr Nieten der unterschiedlichsten Größen. Auch die verbundenen Werkstoffe, die er fand, waren alle genietet. Vielleicht, dachte Nils, waren Schrauben bei den Leuten, die hier lebten, unbekannt.
Nils drehte sich um und stieß sich seinen Kopf an etwas, das von der Decke herabhing. Er erschrak vor einem großen Schatten, dann atmete er erleichtert auf, als der sich weder bedrohlich bewegte noch unheimliche Atemgeräusche von sich gab. Im schummerigen Licht der Werkstatt konnte er die Ursache nicht sofort erkennen, aber immerhin hatte er das Glück, dass sein Kopf die flache Seite eines Brettes getroffen hatte. Es pendelte noch leicht hin und her und gehörte zu einem Blasebalg, der unter der Decke befestigt war und den »ungeheuerlichen« Schatten verursachte. Und tatsächlich endete das Luftrohr vor einer Esse von beachtlicher Größe. Also wurde die Werkstatt auch als Schmiede genutzt. Dann allerdings musste das Dorf schon vor sehr langer Zeit verlassen worden sein, schloss Nils. Ihm fiel niemand ein, der heute noch eine so altmodische Schmiede betrieb, was in seinem Zustand aber nicht viel bedeutete.
Nils trat mit einem Fuß gegen einen kleinen Gegenstand, der im Licht des Fensters schwach funkelte. Eine Klinge? Tatsächlich. Mit seinem Schuh hatte er sie unter dem Werktisch hervorgetreten. Er hob sie auf. Es war nicht nur eine Klinge, sondern ein ganzes Taschenmesser. Und es war unbeschädigt. Das schwarze Holz des Griffes zeigte kaum Abnutzungserscheinungen und auch die Klinge selbst, sie war etwa zehn Zentimeter lang, war fast neu. Das Metall war blank, und wenn er es in seinen Schatten hielt, schien es von innen heraus schwach zu glühen. Dann hatte es doch nichts mit dem Licht von draußen zu tun. Es fühlte sich kalt an. Staunend betrachtete er die Klinge. Merkwürdiges Metall, dachte er. Er konnte nicht feststellen, wie hart sie war, aber auf jeden Fall war sie sehr scharf. Vermutlich war das Messer unter den Tisch gefallen und der Besitzer hatte es vergessen. Er klappte es zusammen. Beim ersten Versuch ging es noch schwer, aber nachdem Nils die Klinge mehrmals bewegt hatte, wurde es leichter. Er steckte das Messer ein. Wer weiß, welche guten Dienste es ihm noch leisten konnte. Nils sah sich noch einmal um und verließ die Werkstatt. Auf der anderen Seite des Hofes stand ein Speicher. Vielleicht gab es dort etwas Essbares.
Auch in diesem Gebäude war es düster. Die Fenster ließen nur wenig Licht hinein. Im zweiten Raum stand hinter der Tür ein Schrank. Als Nils ihn öffnete, sprang ihn wieder eine Maus an, fiel zu Boden und flüchtete sich in die Dunkelheit. Vor Schreck machte Nils zwei Schritte zurück und stieß mit dem Rücken an einen Holzpfosten. Kopfschüttelnd trat er wieder vor. Mäuse gibt es wahrhaftig noch genug, fand er. Auf einer Ablage im Schrank entdeckte Nils ein kleines Bündel, eingewickelt in ein Tuch. Es waren Kerzen. Na, immerhin, dachte er. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er bisher keine Möglichkeit gehabt hätte, in der Dunkelheit Licht zu machen.
Es waren nicht viele, insgesamt zählte er acht, aber sie waren ohne Frage nützlich. Doch wie konnte er sie....? Nils fand, was er suchte. An der Rückwand des Faches lag auch eine Schachtel Streichhölzer. Sogleich sank seine Hoffnung aber wieder. Wie sollten die Streichhölzer nach so langer Zeit noch brennen? Er versuchte es und – oh, Wunder – gleich beim Ersten klappte es, zuerst zögerlich, aber dann lange genug, um eine der Kerzen zu entzünden. Ein schwaches, gelbes Licht erhellte den Raum. Nils stieß einen kurzen Freudenschrei aus und dachte, wie wenig doch manchmal ausreichte, um für kurze Zeit glücklich zu sein. Dort, wo er herkam, hätte er diese Dinge kaum eines Blickes gewürdigt, ahnte er. Er steckte auch die Kerzen und die Streichhölzer ein und ging mit dem Licht in der Hand weiter.
Diese Entdeckungen sollten für diesen Tag aber die Letzten sein. Es gab nichts Essbares und so würde ihm wohl nichts anderes übrigbleiben, als sich hungrig schlafen zu legen. Wehmütig dachte er an das Stück Schokolade.
Auf dem Weg zurück zu dem Haus mit dem Sofa machte Nils eine erstaunliche Beobachtung. Der Himmel verfinsterte sich und das ging so schnell, dass er erschrocken stehen blieb und nach oben blickte. Es war nicht so, als hätte jemand das Licht ausgeschaltet, aber es geschah innerhalb so kurzer Zeit, dass er das Haus kaum noch in der Dämmerung hätte erreichen können.
Gebannt starrte er in den Himmel. Nils besaß schon immer eine beachtliche Vorstellungskraft und er wäre nicht überrascht gewesen, obwohl es ihn sicher in Angst und Schrecken versetzt hätte, wenn sich in diesem Augenblick drohend der Schatten eines Ungeheuers auf ihn herabgesenkt und alles um ihn herum in Finsternis gehüllt hätte. So schlimm kam es dann doch nicht. Aber wenn es so weiterging, würde es bald pechschwarze Nacht werden, denn seine Augen konnten sich kaum so schnell an die Dunkelheit gewöhnen, wie sie über ihn hereinbrach. Doch dann fiel ihm ein sanftes Glühen am Himmel auf. Es wurde keineswegs so dunkel, wie er befürchtet hatte, obwohl keine Sterne am Himmel sichtbar wurden. Ihre Abwesenheit wunderte Nils aber kaum mehr. Warum sollte es in einem Himmel, der keine Sonne besaß, Sterne geben? Er war sich schnell im Klaren darüber, dass diese Schlussfolgerung Blödsinn war.
Nils stand noch eine ganze Zeit im Freien und beobachtete, wie sich der Nachthimmel entwickelte. Das milde Glimmen erfasste schließlich den gesamten Himmel und tauchte die Umgebung in ein Zwielicht, das mehr als erwartet erkennen ließ. Nils spürte bis auf die Haut, dass es sich innerhalb der kurzen Zeit, seit dem Einbruch der Nacht, ziemlich stark abgekühlt hatte. Trotz der Finsternis konnte er seinen beschlagenen Atem jetzt deutlicher sehen als am Tag. Und auch das war ungewöhnlich. Es war nach wie vor unnatürlich still um Nils und bisher hatte sich noch kein Nachttier sehen oder hören lassen. Vielleicht trug auch dieser Umstand dazu bei, dass Nils plötzlich anfing, zu zittern. Als sich um ihn herum nichts mehr veränderte, ging er in »sein« Haus.
Er schloss alle Türen hinter sich und die Fensterläden des Raumes und hoffte so, die Kälte ein wenig draußen halten zu können. Es gab keinen Kamin oder Ofen, was ihm das Bedauern darüber ersparte, kein Feuerholz gesammelt zu haben. Er entzündete eine Kerze, stellte sie auf den Fußboden vor das Sofa und setzte sich. Jetzt endlich, als er nicht mehr von den äußeren Dingen abgelenkt war, hatte er Zeit, über seine Lage nachzudenken. Er war zwar nicht verzweifelt, jedenfalls noch nicht, aber verwirrt, ratlos und unglücklich. Diese Gefühle traten jetzt in der Ruhe seines Zimmers noch stärker zutage.
Am Nachmittag war er froh gewesen, dieses Zimmer und das Sofa mit der Decke zu finden, doch als er sich nun die Zeit nahm, sich gründlicher umzuschauen, fand er, dass es das trostloseste Zimmer war, in dem er je geschlafen hatte.
Nils legte sich hin und zog die Decke bis zum Hals. Und er bemerkte plötzlich, wie sehr sie doch stank. Es konnte gut sein, dass sie sonst einigen Mäusen als Nachtlager diente. Aber was sollte er tun? Trübsinnig starrte er an die Zimmerdecke. Er wünschte sich so sehr wie den ganzen Tag noch nicht, endlich zu erfahren, was mit ihm geschehen war. Nils wusste, dass er nicht in diese sonderbare Gegend gehörte, aber ihm war nicht klar, woher er kam und wie er wieder heimfand. Wenn er sich sehr anstrengte, kamen ihm Bruchstücke seiner Erinnerung in den Sinn. Er schrieb. Das