Reise nach Rûngnár. Hans Nordländer

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Reise nach Rûngnár - Hans Nordländer

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Volk erinnern müsste, wenn er von ihm gewusst hätte. Und er wüsste von ihm, wenn es auf der Erde existieren würde. Das war aber nicht der Fall. Diese Entdeckung machte seine Lage noch rätselhafter. War es dann etwa möglich, dass er sich überhaupt nicht mehr auf der Erde befand? Wenn nicht, dann erklärte dieser Umstand vielleicht auch seinen Gedächtnisverlust. Aber wie kam es dann, dass die Fremden seine Sprache beherrschten? Fragen, die er nicht beantworten konnte. Aber Nils hoffte wenigstens, dass seine Fähigkeit, sich an Dinge zu erinnern, wenn er sich nur genug anstrengte, der Beginn der Wiederherstellung seines Erinnerungsvermögens war

      Die Fahrt zog sich endlos hin. Er hatte nach wie vor kein Zeitgefühl, aber sie waren schon ziemlich lange unterwegs. So wie es aussah, war ein großer Landstrich von seiner Bevölkerung verlassen worden. Nils nahm all seinen Mut zusammen und fragte den Anführer der Krieger, was es mit der Gegend auf sich hatte, durch die sie fuhren, und warum sie das »Reservat« genannt wurde. Aber außer einem starren Blick aus seinen leuchtenden Augen bekam Nils keine Antwort. Und irgendwie überraschte ihn das nicht. Immerhin schenkte der Krieger ihm aber so viel Aufmerksamkeit, dass er ihn ansah. Nils seufzte und setzte seine Außenbeobachtung fort, obwohl es nicht viel Aufregendes zu beobachten gab, bis....

      Eine kurze, vollkommene Verdunkelung schreckte Nils auf. Er war für einige Zeit eingenickt, aber nicht so tief, dass ihm diese Veränderung entging. Dann schien alles wieder wie vorher. Doch als er nach draußen blickte, traute er seinen Augen nicht. Die Umgebung hatte sich so dramatisch verändert, als wäre Nils – wieder einmal – in eine neue Welt gekommen.

      Die Landschaft erschien plötzlich buchstäblich in einem anderen Licht. Alles wirkte heller und freundlicher und Nils sah, dass sie sich von einer grauen Wand entfernten, die nur die Grenze des sogenannten Reservates sein konnte. Diese Wand war nicht undurchsichtig. Alles, was sich dahinter verbarg, erschien verschwommen in einem schmutzigen, hellgrauen Licht und wirkte kalt und starr. Wie konnte es auch anders sein in jenem kalten, lebensentblößten Gebiet.

      Nils bemerkte, dass sich die Kutsche verlangsamte und dann gemächlicher weiterfuhr. Hatten sie sich tatsächlich auf einer Flucht befunden? Wie knapp waren sie einem Unglück entronnen? Das waren wieder unbeantwortete Fragen.

      Jetzt, als die Kutsche nicht mehr so heftig schaukelte, erkannte Nils mehr Einzelheiten durch das Guckloch. Und das versetzte ihn in Erstaunen, obwohl es dazu in seiner Heimat nicht unbedingt Grund gegeben hätte. Am Himmel stand hell und klar die Sonne. Nils sah Vögel zwischen und in den Wipfeln der Bäume. Ihm war, als konnte er ihren Gesang hören. Schmetterlinge tanzten über den Blumen der Wiesen, die an die Straße grenzten. Es gab Weiden, und wie es aussah, grasten dort ganz normale Kühe. Und jetzt sah er auch Menschen, oder genauer, Einwohner des Landes. Sie waren noch nicht weit entfernt von der Grenze zum Reservat, aber es gab bereits Reisende auf der Straße und Bauern bei der Feldarbeit. Hier und dort spielten Kinder in den Wiesen. Und nirgends erblickte Nils Krieger. Allen war eine große, schlanke Gestalt, eine blassgraue Haut und die leuchtend hellgrünen Augen gemeinsam, soweit er sie erkennen konnte.

      Nils´ alle anderen Gefühle überlagernde Niedergeschlagenheit ließ nach. Sie verschwand nicht, aber er litt nicht mehr unter ihr. Er warf einen verstohlenen Blick auf seine Bewacher und glaubte, auch bei ihnen eine gewisse Erleichterung festzustellen. Sie schwiegen immer noch, aber sie saßen weniger verkrampft auf ihren Bänken. Es gab kaum noch einen Zweifel, dass sie einer großen Gefahr entronnen waren, von der er nichts geahnt hatte. Am Ende hatten die Krieger ihn durch seine Gefangennahme vor einem noch übleren Schicksal bewahrt. Nils entschloss sich jedoch, im Nachhinein keine weichen Knie zu bekommen, wenn er bei dieser Vorstellung auch ein leichtes Kribbeln im Nacken verspürte. Er hätte auch gar nicht gewusst, worin diese Gefahr bestand. Nils schüttelte unmerklich den Kopf und wandte seinen Blick wieder nach draußen. Alle Müdigkeit war von ihm abgefallen und sein Hunger – beinahe – verschwunden.

      Die Sonne stand hoch über ihnen und anscheinend in ihrem Zenit. Daraus schloss Nils, dass sie bereits einen halben Tag unterwegs waren. Auf der Erde hätte er ausgerechnet, dass sie das verlassene Dorf bereits vor vier oder fünf Stunden verlassen hatten, aber die Fahrt kam ihm länger vor. Da er aber nicht mehr sicher war, auf der Erde zu sein, konnten hier auch andere Zeiteinteilungen herrschen. Und sein Gefühl half ihm nicht weiter.

      Die Straße verlief durch eine kleine Ortschaft. Nils sah einige Fremde, wie er die Bewohner dieses Landes mangels eines besseren Namens nannte, obwohl ihm diese Rolle sicher eher zukam. Es waren Frauen, Männer und Kinder. Es gab Haustiere und Vieh auf den Grundstücken. Das Dorf ähnelte dem, in dem Nils die letzte Nacht verbracht hatte. So musste jenes ausgesehen haben, als es noch bewohnt war. Sah man von der Erscheinung der Bevölkerung ab, hätte das Dorf genauso gut in Nils´ ehemals niedersächsischer Heimat liegen können – vielleicht ein paar Hundert Jahre früher, denn es gab weder Autos, noch konnte er eine Straßenbeleuchtung oder elektrische Leitungen erkennen. Und auch die Kleidung der Leute entsprach nicht dem, was Nils als seiner Zeit gemäß angesehen hätte. Vor lauter Begeisterung über diesen lebendigen Anblick nach der Zeit in dem trostlosen Reservat vergaß er, dass er ein Gefangener war.

      Das Dorf fiel hinter ihnen zurück und nun dauerte es nicht mehr lange, bis sie ihr Ziel erreichten. Bevor Nils etwas sehen konnte, hörte er, wie die Kutsche nach einem heftigen Stoß ein lautes Rumpeln erfüllte. Im gleichen Augenblick schob sich die gepflasterte Straße unter ihr hervor. Das Fahrzeug wurde noch etwas langsamer. Dann kamen links und rechts von der Straße die ersten Häuser in Sicht. Jetzt waren es Bürgerhäuser und keine Bauernhäuser mehr. Sie hatte eine Stadt erreicht. Durch das Guckloch kam eine Stadtmauer in Sicht. Das Tor stand offen und wurde von einigen Kriegern bewacht. Sie waren jedoch nicht angehalten worden. Oben auf der Stadtmauer, die die Häuser überragte, standen ebenfalls Wachen.

      Bei dem Dorf hätte man es noch behaupten können, aber als sie jetzt durch die Straßen der Stadt fuhren, war Nils sicher, dass sie nicht viel mit seinen bruchstückartigen Erinnerungen an Städte, wie er sie kannte, gemein hatte. Die Häuser waren zwei- höchstens dreistöckig gebaut. Die Wände waren in allen möglichen Erdfarben gestrichen und nur noch selten zeigten sie Fachwerkelemente. Die Einwohner trugen äußerst altmodische Kleidung, und Nils fielen ungewöhnlich viele Krieger auf. Niemand achtete auffallend auf die Kutsche. Demnach war sie ein vertrauter Anblick.

      Das ganze Bild zeigte eine Stadt, die eher ins Mittelalter passte, als in das einundzwanzigste Jahrhundert, aus dem Nils kam. Und dazu trug nicht nur die Stadtmauer bei. Der Eindruck, den er in dem Dorf vor der Stadt gewonnen hatte, bestätigte sich hier. Die Bewohner dieses Landes schienen in ihrer Entwicklung den Menschen seiner Heimat um mehrere Jahrhunderte hinterher. Es gab keine Autos, keine Straßenbahn, keine Fahrräder, keine elektrische Straßenbeleuchtung und keine Einkaufsstraßen. Merkwürdig, in diesem Augenblick konnte er sich wieder an erstaunlich viele Dinge erinnern.

      Auch wenn der Anblick freundlich war, wusste Nils, dass er nicht nach Hause kam. Plötzlich beschlich ihn ein unangenehmes Gefühl. Er war ein Gefangener, von wem auch immer, und er war noch weit davon entfernt, in Sicherheit zu sein.

      Die Kutsche wurde abgebremst und bog in einen Schlosshof ein. Nils sah hinter sich das Tor zufallen und innerhalb des eisernen Zaunes Wachen patrouillieren. Endlich kam die Kutsche zum Stehen. Die Rûngori-Krieger stiegen aus und der Anführer öffnete die Hintertür.

      „Aussteigen!“, befahl er einsilbig in seinem eigenartigen Dialekt.

      Nils sprang heraus. Ein warmer Sommerwind empfing ihn. Anfangs konnte er kaum geradestehen. Die Fahrt war lang gewesen und seine Beine durch das Sitzen steif geworden. Er spürte auch seinen Rücken. Blinzelnd sah er sich um. Seine Augen mussten sich erst einmal an die Helligkeit gewöhnen. Die Wachen standen wieder um ihn herum, hielten ihre Speere mit den Spitzen aber nach oben. Unter der Sonne leuchteten ihrer Augen schwächer und sahen nicht mehr ganz so beängstigend aus wie in der Kutsche oder wie am Morgen, als Nils so unvorbereitet von diesen Männern umringt wurde.

      „Folg

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