Zwielicht Classic 13. Michael Schmidt

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Zwielicht Classic 13 - Michael Schmidt

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Teufelsviecher scheinen bei den Jungs echt im Trend zu sein.“ Eine rothaarige Frau zündete sich eine Zigarette an. „Mein Dennis besitzt inzwischen auch eine. Ein Freund von ihm musste sie abgeben. Sogar einen Namen hat sie: Frau Birger.“

      „Und bombardiert hat mich diese Höllenkreatur!“, rief Saschas Vater. „Dabei hab ich ihr überhaupt nichts getan! Ich war nur besorgt, weil sie sich einen ganzen Nachmittag lang nicht bewegte, deswegen habe ich sie mit einem Bleistift angestupst und …“

      „Ist mir auch schon passiert“, unterbrach Pascals Mutter ihn. „Das muss irgendwas in der Spinne ausgelöst haben. Seitdem haut sie dauernd aus ihrem Terrarium ab. Nirgends ist man vor ihr sicher!“

      Gundis Gedanken rasten, als sie die Haustür aufschloss. Also hatte es mit Frau Birger tatsächlich eine besondere Bewandtnis. Indem sie jemanden bombardierte, heftete sie sich wie eine Klette an seinen Alltag, tauchte fortan an den unmöglichsten Stellen auf und materialisierte sich aus dem Nichts heraus. Gab es überhaupt eine echte Frau Birger, die sich auf magische Weise vervielfältigen und an jeden beliebigen Ort zurückkehren konnte? Oder hatte Lasse von Anfang an einen Spinnengeist besessen? Und was wollte das Tier? Sich rächen? Ein sonderlich schönes Dasein hatte es schließlich nicht. Gleich einem Kettenbrief wurde es weitergegeben. Wahrscheinlich hatte ein jugendliches Großmaul es ursprünglich aus einer Laune heraus gekauft und dann ziemlich schnell das Interesse verloren. Seitdem wurde die Spinne von Hand zu Hand gereicht. Suchte sie nun bevorzugt Erwachsene heim, weil sie hoffte, dass die vernünftiger waren?

      Leise betrat Gundi den Flur. Frau Birger saß direkt vor der Garderobe. Gundi überwand ihren Ekel und ließ sich nieder. Sie versuchte sich vorzustellen, was die Spinne im Lauf der letzten Jahre mitgemacht hatte. Das arme Wesen! Wie oft war es vermutlich schon fast verhungert oder verdurstet, erfroren oder unter einer zu heißen Wärmelampe verbrannt, weil ein Besitzer sich nicht richtig informiert hatte. Wie oft war es zu Tode erschrocken, wenn es mal wieder auf einer Party herumgereicht wurde? Was für ein Unding, dass jeder Brausekopf sich ein lebendes Tier kaufen durfte, das ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war! Gundi wollte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Hamster, Kaninchen und Wellensittiche durch unsachgemäße Behandlung langsam und qualvoll zu Tode gefoltert wurden. Und ausgerechnet exotische Kaltblütler wie Vogelspinnen oder Schlangen, die besondere Lebensbedingungen brauchten, konnten kaum artikulieren, wenn sie unter einer falschen Pflege litten.

      „Weißt du was, Frau Birger?“, flüsterte Gundi. „Ich werde bei Greenpeace einen Arbeitskreis gründen, der sich dafür einsetzt, dass Haustiere nicht mehr wie Ramschware verkauft werden dürfen.“ Sie kicherte nervös. Himmel, jetzt war sie schon verrückt genug, ein ernsthaftes Gespräch mit einer Spinne zu führen! Und dabei hatte sie doch nur ein einziges Glas Wein getrunken. Nichtsdestotrotz fuhr sie fort: „Jeder, der sich ein Tier zulegt, soll zuerst einen Sachkundenachweis erbringen und zeigen, dass er sich ausreichend informiert hat. Was hältst du davon?“

      Frau Birger stakste gravitätisch auf Gundi zu. Ihr praller Hinterleib hob und senkte sich und ihre Kieferwerkzeuge mahlten. Die orangen Muster auf dem Vorderkörper und den Beinen schimmerten. Gundi seufzte. Ja, solch eine Petition würde wohl erst am Sankt-Nimmerleins-Tag Erfolg haben. Die Lobby der Zoohändler war viel zu mächtig! Schließlich verdienten diese Aasgeier tüchtig, wenn wieder mal ein paar Jugendliche spontan ihr Taschengeld in Kaninchen, viel zu enge Käfige und völlig ungeeignete Tränken aus dem Sonderangebot investierten. Aber egal! Wenn man genügend Öffentlichkeitsarbeit betrieb und eindringlich aufzeigte, wie sehr Tiere unter nicht-artgerechter Haltung litten, würden vielleicht einige Familien dazu übergehen, sich erst ein Handbuch über Kleintierpflege zuzulegen, ehe sie den Wellensittich oder die Rennmaus kauften.

      „Und jedes einzelne Tierschicksal zählt“, murmelte Gundi und kam sich dabei so albern-pathetisch vor wie die Hauptdarstellerin in einem Walt-Disney-Film.

      Sie blickte sich um. Frau Birger war verschwunden. Und dabei hatte Gundi weder gesehen, wie der pelzige Achtbeiner davonhuschte, noch das Klacken der Krallen auf den Fliesen gehört.

      Gundi fühlte sich erstaunlich zufrieden, obwohl Joscha heute nach Kalkutta aufbrach. Sie hatte so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Und seltsamerweise war ihr nicht zumute, als müsse jeden Moment irgendwo Frau Birger auftauchen. Eine tiefe, behagliche Ruhe erfüllte sie. War ihre nächtliche Séance tatsächlich von Erfolg gekrönt?

      Hatte Frau Birger lediglich herumgespukt, weil sie auf ihr Schicksal und das ihrer Leidensgenossen aufmerksam machen wollte? Suchte sie jemanden, der sich für ihre Belange einsetzte? Ja, so musste es sein. Und Gundi würde ihr Versprechen halten! Noch heute wollte sie die Gründung des neuen Greenpeace-Arbeitskreises in die Wege leiten.

      Gundi schenkte Joscha eine Tasse Kaffee ein. „Pass auf dich auf. Du weißt ja, dein Bluthochdruck …“ Sie lächelte. „Wenn Herr Späh dich wieder zur Weißglut treibt, denk einfach dran, dass du nächstes Jahr nichts mehr mit diesem Lackaffen zu tun hast. Dann arbeiten wir beide in meinem Büro und …“

      „… und du glaubst wirklich, die Vorstellung, den ganzen Tag in deiner Nähe zu sein, bringt mein Blut nicht zum Kochen?“ Joscha musterte Gundi, die in ihrem rot schimmernden Babydoll-Nachthemd vor ihm saß, und grinste. Dann erhob er sich.

      „Soll ich dir helfen, deine Sachen ins Auto zu bringen?“, fragte Gundi.

      „In dem Aufzug? Leg dich lieber noch mal hin ... und träum von mir. Von uns beiden.“

      „Lasse?“ Gundi öffnete die Kinderzimmertür. Drei weitere herrliche Tiefschlafstunden lagen hinter ihr. „Falls du mich suchst, ich bin unten im Büro und …“

      Ihr Blick fiel auf die Kommode. Dort stand Frau Birgers Terrarium. Die Schiebetür stand offen. Die Spinne war nirgends zu sehen. Gundi kreischte auf.

      „Tut mir leid, Mama.“ Lasse wirkte ehrlich zerknirscht. „Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen, aber es war ja nur für eine Nacht, und weil du dich so vor Frau Birger ekelst, dachten Papa und ich …“

      „Wo ist sie?“ Gehetzt schaute Gundi sich um.

      „In Offenbach.“

      Gundi ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Was um Himmels Willen macht Frau Birger in Offenbach?“

      Nach und nach rückte Lasse mit der Sprache heraus: Alex´ Eltern waren alles andere als begeistert von Frau Birger. Tagelang hatte Alex Lasse in den Ohren gelegen, er möge Frau Birger wieder zurücknehmen. Inzwischen hatte Lasse auch Tina, einer ehemaligen Klassenkameradin, die vor einiger Zeit nach Offenbach gezogen war, von der Spinnenmisere berichtet. Tina war hellauf begeistert. Ihre Schwester besaß mehrere Vogelspinnen und hätte nichts gegen ein weiteres Exemplar einzuwenden. Aber wie sollte Frau Birger nach Offenbach kommen?

      „Nachdem du weg warst, kam Alex gestern noch spontan vorbei. Beim Abendessen haben wir überlegt, ob wir Tina Frau Birger per Post schicken können“, berichtete Lasse. „Alex meinte, wenn wir ‚Inhalt: Honig‘ auf das Paket schreiben, geht der Briefträger garantiert vorsichtig damit um, weil er sich nicht vollkleckern will. Da hat Papa dann angeboten, Frau Birger heute auf dem Weg zum Flughafen in Offenbach abzusetzen, damit das Drama ein Ende hat.“

      Tina, die in aller Eile angerufen wurde, hatte erklärt, sie brauche kein Terrarium. Ihre Schwester habe momentan ein leerstehendes, das wesentlich geräumiger sei.

      „Papa war sehr erleichtert. Er hatte sich schon ausgemalt, wie das Terrarium vom Sitz kippt und zerbricht, sobald er scharf bremst, und wie ihm dann genau beim Anfahren Frau Birger ins Gesicht springt.“ Lasse grinste. „Also haben wir Madame in einen Schuhkarton gepackt. Mann, die war vielleicht zickig … Hat

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