Zwielicht Classic 13. Michael Schmidt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zwielicht Classic 13 - Michael Schmidt страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Zwielicht Classic 13 - Michael Schmidt

Скачать книгу

Frau Birger gut geht, könntest du …“

      „Es reicht!“ Joscha runzelte die Stirn. „Wir haben uns zur Genüge darüber unterhalten.“

      Ja, das hatten sie: Letzte Woche hatte Gundi den Familienrat einberufen, um zu klären, wie es mit Frau Birger weitergehen sollte. Natürlich war Lasse empört, dass er sich von seiner Gefährtin trennen sollte, aber Joscha sprach mit Engelszungen auf Lasse ein: Es war die Rede davon, wie sehr Gundi momentan durch ihre Arbeit unter Stress stand und dass man Rücksicht nehmen und jede zusätzliche Belastung von ihr fernhalten müsse. Um ehrlich zu sein, Gundi war sich vorgekommen wie eine Patientin in einer Nervenheilanstalt. Aber egal! Letztendlich hatte Lasse eingewilligt, einen neuen Besitzer für Frau Birger zu suchen. Kurz darauf hieß es, Alex, ein Mitglied aus seinem Judoverein, könne das Tier übernehmen.

      Gundi lächelte. Nächstes Jahr, wenn sie und Joscha gemeinsam in ihrem Architekturbüro arbeiteten, würde sie wahrscheinlich nur noch den Kopf schütteln bei der Erinnerung, dass ihr in der kräftezehrenden Anfangsphase sogar eine Spinne wie ein Ungeheuer erschienen war.

      Gundi saß auf der Toilette, als sie plötzlich unter der Heizung etwas Knubbeliges, Schwarz-Orange-Gemustertes entdeckte. Sie atmete hörbar ein. Das Gewirr aus borstigen Beinen, der ballonähnliche Hinterleib und die Beißwerkzeuge waren unverkennbar.

      Verdammt, wie kam Frau Birger hierher? Vor zwei Wochen hatte Lasse das Tier zu Alex gebracht! Der mächtige Spinnenkörper erhob sich. Mit ihren langen, gelenkigen Beinen stelzte Frau Birger direkt auf Gundi zu. Die Krallen klackten leise auf den Fliesen. Gundi spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten.

      Frau Birger wurde immer schneller. Gleich einer dicken, behaarten Knolle hastete sie nun Gundi entgegen. Im letzten Moment zog Gundi ihre bloßen Füße nach oben. Ein Schrei entfuhr ihr. Beinahe wäre Frau Birger direkt über ihre Zehen geflitzt. Dann verschwand sie hinter der Waschmaschine. Gundi zerrte ihre Jeans hoch und stürmte in den Flur. Also hatte sie sich nicht getäuscht! Schon ein paar Mal war sie in den vergangenen Tagen überzeugt gewesen, das flinke achtbeinige Wesen unter einen Türspalt oder einen Schrank huschen zu sehen. Lasse und Joscha hatten sie nur ausgelacht, als sie davon erzählte.

      „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Frau Birger ausgebüxt und zu uns zurückgekommen ist, weil es ihr hier besser gefällt?“, hatte Joscha gesagt. „Bei aller Tierliebe - vergiss nicht, Spinnen verfügen nur über einen sehr begrenzten Verstand. Dass sie wie Hunde ihre ehemaligen Besitzer suchen, ist ausgeschlossen.“ Dann hatte er besorgt einen Arm um ihre Schulter gelegt. „Ehrlich, Schatz, du bist völlig überarbeitet. Wenn ich das Kalkutta-Projekt abgeschlossen habe, fahren wir beide für ein paar Tage zusammen weg, damit du zur Ruhe kommst, okay?“

      Aber nun stand fest, dass Frau Birger irgendwie zurückgekehrt sein musste. Gundi riss die Tür zum Wohnzimmer auf, wo Joscha und Lasse gerade eine Harry Potter-DVD schauten.

      „Stellt euch vor, Frau Birger …“

      „Ach, Frau Birger! Von der soll ich dir übrigens herzliche Grüße ausrichten.“ Lasse schob sich eine Handvoll Chips in den Mund.

      „Was?“ Gundi kreischte beinahe.

      „Ja, ich war vorhin kurz bei Alex. Bei der Gelegenheit hab ich auch nach Frau Birger geschaut. Sie wird immer fetter. Inzwischen sieht ihr Hintern aus, als hätte sie eine Kartoffel am Stück verschluckt.“

      Gundi plumpste auf einen Sessel. Also konnte sie unmöglich Frau Birger gesehen haben. Drehte sie jetzt total durch?

      „Was ist los?“, erkundigte Lasse sich. „Ich dachte, dich interessiert, wie es Frau Birger geht, weil du dir doch solche Sorgen gemacht hast, als wir sie weggegeben haben und …“

      „Schon okay. Schön, dass das Tier jetzt ein gutes Zuhause hat.“

      Gundi hockte in ihrem Büro und zitterte. Immer wieder war in den vergangenen Tagen Frau Birger aufgetaucht: Als Gundi ihren Aktenschrank öffnete, schob sich ihr ein langes, borstiges, schwarz-orange gemustertes Bein entgegen. Beim Bettenmachen sauste die Spinne plötzlich unter einem Kissen hervor. Ein andermal kauerte Frau Birger wie die Gruselversion eines plüschigen Teddybären auf dem Sofa. Inzwischen konnte Gundi kaum noch schlafen. Immer wieder erwachte sie, überzeugt, dass soeben winzige Krallen über ihre Hand getrippelt oder ein haariger Leib an ihrer Wange entlanggestreift waren. Gundi war mit ihren Nerven am Ende. Und zu allem Überfluss hatte sie heute erfahren, dass Joscha nächste Woche für einige Tage nach Kalkutta fliegen musste, um bei den Abschlussverhandlungen für das aktuelle Bauprojekt anwesend zu sein. Dann war Gundi ganz allein dem krabbelnden Ungetüm ausgeliefert! Bisher hatte sie Joscha nichts von ihren Nöten erzählt. Sie wusste ja, dass er nur annahm, sie stünde wegen ihrem Architekturbüro unter Stress. Schlimmstenfalls würde er sich weigern, bei ihr einzusteigen, um ihr nicht auch noch zur Last zu fallen. Und das wollte Gundi unbedingt vermeiden. Joschas letzte Vorsorgeuntersuchung hatte ergeben, dass das Risiko für eine Bluthochdruckkrise sehr hoch war. Er brauchte dringend einen geruhsameren Arbeitsalltag.

      Ein Knistern ertönte, als ob Spinnenbeine über Papier huschten. Sofort wirbelte Gundi herum. Kroch Frau Birger durch irgendwelche Notizzettel und Unterlagen? Oder war es nur der Wind, der durch das halbgeöffnete Fenster kam? Gundi war den Tränen nahe. Verdammt, so konnte es doch nicht weitergehen! Warum sah immer nur sie diese Höllenkreatur? Daran, dass irgendetwas Übernatürliches vorging, zweifelte Gundi nicht mehr. Aber was …

      „Schatz?“ Joscha trat hinter sie. „Ich weiß ja, wie furchtbar du Elternabende findest … Aber Herr Späh hat für den Abend vor unserem Abflug ein Meeting angesetzt. Kannst du diesmal zu Lasses Klagemütter-Treff gehen?“

      Der Elternabend war wie gewohnt verlaufen: Ein paar Eltern hatten gemosert, dass von ihren Kindern viel zu viel verlangt wurde, andere hatten dagegengehalten, ohne eine vernünftige Ausbildung hätten sie keine Chance, die Lehrerin hatte nichtssagende Floskeln von sich gegeben und zum Schluss fanden alle, man müsse unbedingt gemeinsam in eine nahegelegene Pizzeria wechseln, um in ungezwungener Atmosphäre zu plaudern. Normalerweise hasste Gundi diese larmoyanten Jammerrunden, aber heute war ihr jede Gelegenheit recht, von zu Hause fortzubleiben. Allein bei dem Gedanken, dass dort Frau Birger auf sie lauerte, krampfte sich ihr Magen zusammen.

      Natürlich dauerte es nicht lange, bis die Rede auf die Ferienpläne von Lasses Clique kam.

      „Von mir aus könnte Pascal ganz in Frankreich bleiben – mit Sack und Pack!“

      Überrascht registrierte Gundi, wie Pascals Mutter einen großen Schluck von ihrem Whisky nahm. Ansonsten gönnte diese Trantussi sich doch höchstens einen Prosecco und beschwerte sich dabei ununterbrochen, dass die lieben Kleinen viel zu frühreif und unternehmungsfreudig waren.

      „Macht Ihr Sohn so viele Schwierigkeiten?“, erkundigte sich ein Vater mitfühlend.

      „Ach was. Pascal ist ein braver Junge. Seine Vogelspinne ist es, die mich in den Wahnsinn treibt.“ Pascals Mutter seufzte. „Eigentlich hatte ich angeordnet, dass er bei seiner Geburtstagsparty einen neuen Besitzer für das Tier finden soll. Um ehrlich zu sein, ich habe sogar gedroht, ansonsten würde ich es eigenhändig erschlagen. Zuerst hieß es auch wirklich, einer seiner Kumpels hätte es mitgenommen. Aber drei Tage später war das Biest plötzlich wieder da. Und ausbruchslustig ist es seitdem …“

      „Tja, was soll man machen, wenn der Junge derart vernarrt in seine Spinne ist? Bei uns ist es genauso“, bemerkte der Vater von Sascha.

      „Nicht nur das – ich könnte mich nie überwinden, eine derart fette Spinne totzuhauen.“ Pascals Mutter schüttelte sich und leerte ihr

Скачать книгу