Wie ein Dornenbusch. Wilfried Schnitzler

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Wie ein Dornenbusch - Wilfried Schnitzler

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finden wir in diesem Gewirr zum Hafen?«

      Die Gassen waren so eng und winkelig, voller Passanten, dass der Bauer sich geweigert hatte, sie bis ins Ortsinnere zu bringen. Er setzte sie einfach am Tor vor der gedrungenen Stadtmauer ab. Diese beeindruckte sie ganz mächtig, denn sie bestand nicht aus Steinen, sondern aus aufeinandergesetzten braunen, offenbar luftgetrockneten Lehmquadern. Zu ihrer Verwunderung war die Oberfläche mit Strohhalmen gespickt. Wozu das? So etwas hatten sie noch nicht gesehen.

      Gerade besserten Arbeiter eine schadhafte Lücke in der Mauer aus. Dazu bearbeiteten einige in einer Grube mit ihren Füßen einen braunen Brei. Sie waren bis über die Hüfte verschmiert. Ihr ganzer Körper, mitsamt der wenigen Kleidung, die sie trugen, war bis über die Arme und hinauf ins Gesicht bespritzt. Teilweise klebte der Brei in dünner Schicht als getrockneter Fladen an ihrer Kleidung und Haut. Das sah schon bizarr aus. Es musste der mit Wasser und Stroh vermischte Lehm sein, aus dem die Mauersteine geformt wurden. Ihre Vermutung war richtig. Die fertig geknetete, halbfeste Masse reichten Arbeiter in Kübeln nach oben, wo das Gemisch von anderen in eine hölzerne Verschalung gefüllt wurde. Mit langen Stößeln stampften sie den Brei fest, bis das überschüssige Wasser unten aus den Brettern rann. Das musste in der Hitze eine schlimme Arbeit sein. Aber die heiße Sonne tat auch das ihre für eine rasche Trocknung des Lehmbreis. An manchen Stellen war die hölzerne Verschalung schon entfernt worden. Dort waren noch deutlich die feuchten, dunkelbraunen Quader zu sehen. Aber die Ausbesserungen schienen prächtig zu halten, waren stabil und gaben der Stadtmauer ihre Funktion zurück.

      Ziemlich fasziniert wandten sie sich von dem Arbeitstrupp ab, der laut in einer gutturalen Sprache plaudernd seiner schweren Arbeit nachging.

      »Lass uns einfach unserer Nase folgen,« schlug Cornelius vor. »Der Fischgeruch wird uns schon zum Hafen führen.«

      Ihre Habseligkeiten, darunter ein wenig Proviant und Wasser, hatten sie in zwei Säcke gestopft und über die Schulter geworfen. So drängten sie sich durch die Leiber und machten sich auf die Suche. Auf ihrer Fahrt vom Ordenshaus zum Hafen schonten sie ihre Essensvorräte, hatten fast nur getrunken, wenn die wenigen zuckersüßen getrockneten Datteln, die sie ab und zu aßen, durstig machten. Es bereitete sogar Spaß, die Kerne im Wettbewerb in weitem Bogen auf den Weg zu spucken und zu sehen wer am weitesten kam. Wasser konnten sie leichter wieder auffüllen, aber mit den Essensvorräten wollten sie haushalten. Sie wussten ja nicht, wann sie diese wirklich nötig brauchten.

      Seitdem sie das Meer erreicht hatten, mit Aussicht auf eine erfolgreiche Flucht, war ihre Stimmung zusehends besser geworden. Sie hatten aber überhaupt noch keinen Plan.

      Sie konnten wenigstens davon ausgehen, dass sich neben ihnen kein weiterer Ordensbruder in der kleinen Stadt aufhalten würde. Damit würde sich ihre Isolation in der Klostergemeinschaft doch noch als Vorteil erweisen. Im Übrigen schien sich niemand im Ort für sie zu interessieren.

      Staunend bewunderten sie das Leben um sich herum! Seit ihrer Ankunft im Ordenshaus war es ihnen nur gestattet worden es zu verlassen um die Bauern in den nahegelegenen kleinen Ortschaften zu besuchen. Dort konnten einige von denen recht und schlecht in Französisch radebrechen, was es den beiden ermöglichte, in einer, wenn auch einfachen, so doch unverfänglichen Unterhaltung mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Die Menschen waren aber misstrauisch, sobald das Gespräch auf die Religion kam. Ein wirkliches Zusammenleben hatten die Leute im Ort nur mit den eigenen Nachbarn. Die Frauen und Mädchen lebten sowieso im Hintergrund. Die vertraute Gemeinschaft im Ort wollten sie sich nicht durch Fremde stören lassen.

      Das war hier in diesem kleinen Hafen ganz anders! »Mein Gott, ist das quirlig,« entfuhr es den beiden Brüdern wie aus einem Mund. Mit großen Augen schauten sie sich an, fassten sich aber sicherheitshalber an den Händen und hielten ihre Säcke noch fester umklammert. In jedem Haus gab es einen Laden oder eine Werkstatt, die Gassen konnten noch so eng sein; Tuche, Leder, Ton-, Metall- und Holzgeschirr. Welche Warenvielfalt wurde da angeboten! Alles fertigten die Leute gleich vor Ort an und boten es feil. Auch geschlachtete und aufgebrochene, am Haken hängende Schafe und Ziegen warteten auf Käufer, welche die Wahl hatten, welches Stück Fleisch sie auf Wunsch herausgeschnitten haben wollten. Gleich daneben, im nächsten Laden wurden bunte Berge von Gewürzen präsentiert. Die meisten kannten sie überhaupt nicht, aber der Duft war überwältigend. Ein Händler sprach sie an und nachdem er merkte, dass seine ersten Worte offensichtlich für sie unverständlich waren, wechselte er automatisch ins Französische.

      »Ihr braucht nicht weiter zu suchen, die frischesten Gewürze findet ihr hier bei mir. Tretet nur näher und prüft selbst!«

      Natürlich hatten sie keine Ahnung, aber neugierig blieben sie stehen.

      »Hier, schmeckt nur, habt ihr einen so wundervollen, frisch getrockneten Cumin schon gekostet? Bringt ihn nach Hause und man wird euch das beste Falafel zubereiten. Und da, mein Koriander, mein Fenchel, mein Majoran. Besonders stolz bin ich auf meinen Safran; nicht billig, aber beste Qualität!«

      Sie versuchten sich unauffällig aus dieser Affäre zu ziehen, aber wie? Mit abwehrenden Händen schütteln sie den Kopf, dass die Kapuze herunterfiel und murmelten, dass doch ihre Mutter kompetenter für diesen Einkauf sei. Der Händler schaute verwundert hinterher. Sie ließen sich im Gewimmel der Menschen weitertreiben. Dabei fiel ihnen auf, dass das Warensortiment in den Geschäften sich nur von einer Gasse zur anderen änderte.

      Sie bogen um eine Ecke und wurden von rhythmischen, schnell aufeinander folgenden, metallisch klingenden Schlägen angelockt. Vor ihnen saßen einige Männer in der Hocke auf dem Boden. Sie hatten runde, flache Messingteller auf den Knien und trieben ohne Vorlage rankende Verzierungen mit einem kleinen Meißel und einem Hammer in das weiche Metall. Sie hätten stundenlang diesen eifrigen Handwerkern zuschauen können, richtigen Künstler, vergaßen beinahe, warum sie in das Städtchen gekommen waren.

      Am Gassenrand hatten sich Männer auf kleinen Hockern gemütlich um runde hübsch, mit Ornamenten geschmückte, Messingtische niedergelassen, ähnlich denen, die sie gerade in Bearbeitung bewunderten. Die Runde unterhielt sich angeregt und man trank einen braunen Sud aus Gläsern, wahrscheinlich Tee, und aß dazu kleine Gebäckstücke. Der eine oder andere hatte eine mit Wasser befüllte, bauchige Flasche vor sich stehen, aus der ein Schlauch ragte, dessen Ende er ab und zu zwischen die Lippen steckte oder seinem Nachbarn reichte. Dann gluckerte es im Wasser und kurze Zeit darauf kam den Männern Rauch aus Nase und Mund. Merkwürdige Pfeifen!

      Es fiel ihnen auf, dass kaum Frauen oder Mädchen in den Gassen zu sehen waren, nur Buben rannten zwischen den Leuten herum. Das ganze Treiben war lebhaft, aber gemächlich. Man schien viel Zeit zu haben, schlenderte umher, plauderte und kaufte das eine oder andere, oder auch nicht. Die Besorgungen selbst schienen nicht wirklich vorrangig.

      »Wozu ist wohl dieser Balken quer über die Gasse? Zu hoch, um darüber hinweg zu steigen und so nieder, dass man nur geduckt unter ihm durch kommt?« wandte sich Cornelius an Caspar. Und da kam schon die Antwort in einem bepackten Esel. Es reichte, dass er mit seiner Ladung den Balken unterlaufen konnte, aber nicht vorbei gekommen wäre, wenn der Reiter auf seinem Rücken gesessen hätte oder das Tier übermäßig bepackt gewesen wäre.

      »Was für eine clevere Einrichtung,« lobte Caspar. Der Bruder hörte ihn, interessierte sich aber schon für etwas anderes. Aus einem dunklen Gewölbe drangen schwere, metallene Geräusche nach draußen, ganz anders, als in der letzten Gasse. Neugierig schob Cornelius den Jüngeren mit sich ins Innere. Die regelmäßigen Hammerschläge kamen vom hinteren Ende des tiefen Raumes, dort wo immer wieder helle Flammen aufflackerten.

      „Das ist ja wie im Hades“ durchzuckte es Cornelius. Ein Schmied drosch im Dämmerlicht auf ein glühendes Stück Eisen ein, das sich allmählich zu ihrer Verwunderung durch Biegen und Formen in den Teil einer großen Schere verwandelte. Der rußgeschwärzte Mann

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