Wie ein Dornenbusch. Wilfried Schnitzler

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Wie ein Dornenbusch - Wilfried Schnitzler

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wo und wie wir die Nacht verbringen können.«

      Es wäre für den Teppichhändler unhöflich gewesen, die beiden weiter nach ihren Geschäften auszufragen, oder mit welchem Schiff sie nach Marseille kommen wollten. Und so dämpfte er seine Neugierde und ließ es fürs Erste bewenden. Cornelius und Caspar wurden ins Lager geführt wo ein großer Stapel schöner Berberteppiche lag, grob geknüpft mit braunen und schwarzen, einfachen Mustern auf weißer, wundervoll naturbelassener Schafwolle. Ware, die der Händler im Umkreis bei der Landbevölkerung zum Knüpfen immer wieder in Auftrag gab und die Teppiche nach Fertigstellung aufkaufte. Wirklich ein prächtiges Bett, das noch immer nach Schaf roch und zur bequemen Ruhe einlud.

      »Da, die Teppiche, auf die Ihr euch für die Nacht legen könnt, gehen morgen früh mit meinem Boot genau an den Ort, wo Ihr hin möchtet. Wollt Ihr nicht mitkommen? Dann habt Ihr für euer Fortkommen ausgesorgt. Es ist Platz genug für uns alle. Es wäre mir eine Ehre Euch als meine Gäste zu begrüßen.«

      »Bei Gott, das ist ja das reinste Geschenk des Himmels!« stimmten sie freudig zu.

      Müde waren sie tatsächlich. Ein Glück, dass sie am Nachmittag ein wenig gegessen hatten. So knurrte ihr Magen nur ein klein wenig, und der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten. Sie hörten nicht einmal in der Dämmerung des Morgens den Muezzin vom Minarett der nahen Moschee zum Gebet rufen.

      Sie wurden erst von den Arbeitern aufgeweckt, die die Teppiche abholten und ins Boot verladen sollten. Der Hausherr war auch schon zur Stelle um alles selbst zu überwachen. Seine französischen Kunden waren ihm sehr wichtig. Er wollte deren Liebe und Bewunderung für seine schönen Berberteppiche nicht enttäuschen.

      Es war nun Zeit sich gegenseitig vorzustellen.

      »Ich bin Habib Belhadji, zu euren Diensten. Hab es schon gestern Abend angeboten, wäre mir eine Freude Euch freie Überfahrt anzubieten. Da wird mir wenigstens die Reise nicht langweilig. Mit den Seeleuten lohnt sich eine Unterhaltung sowieso nicht. Ihr aber scheint mir gute Kurzweil zu versprechen.«

      Natürlich konnten sie ihre wahre Identität nicht preisgeben. »Ich bin Pierre und das ist mein jüngerer Bruder Jean,« sagt Cornelius schnell, «unsere Familie sind die Le Beaus. Wir stammen aus dem Elsass. Unsere Aussprache verrät das vielleicht.«

      »Aber nein, aber nein, Ihr sprecht ein so schönes Französisch. Ihr wisst doch, wie hart diese Leute hier diese melodische Sprache aussprechen. Aber ihr könnt noch nicht lange bei uns in Algerien sein?«

      Da konnten sie halbwegs bei der Wahrheit bleiben.

      »Wir sind erst vor sechs Monaten angekommen, direkt aus Frankreich. Aber es ist hier einfach nicht genügend für uns zu tun. Zum Glück wohnt unser Onkel in Marseille. Er hat uns eingeladen.«

      Habib Belhadji schien sich nicht mehr daran zu erinnern, dass sie am Abend zuvor noch angegeben hatten in Geschäften zu reisen. Die einfachen hellen Burnusse ihres Ordens, der Kleidung der einheimischen Bevölkerung angepasst, waren nach der langen Karrenreise verstaubt, dies war aber nicht ungewöhnlich bei Reisen auf sandiger Landstraße. Sie hatten aber bisher vermieden, ihm zu erzählen, wo sie herkamen, wo die Eltern lebten. Und es schien ihn auch nicht besonders zu interessieren.

      »Wir brauchen nicht auf das Verladen der Teppiche zu warten. Lasst uns schon zum Schiff gehen. Dort ist es gemütlicher als hier, und der Koch hat bestimmt schon etwas angerichtet. Überhaupt, wie unhöflich von mir, Ihr habt doch bestimmt noch nicht gefrühstückt?«

      Sie konnten es einfach nicht fassen, wie viel Glück sie da gefunden hatten, sozusagen, auf offener Straße.

      Der Einmaster war kein sehr großes Schiff. Der wichtigste Raum war im Inneren für die Fracht bestimmt. Auf Deck gab es einen Aufbau mit einer einzigen geräumigen Kabine, die ganz offensichtlich für Habib reserviert war. Besondere Möbel sahen sie keine, alles spielte sich auf dem Boden ab, der mit einem dicken Berberteppich ausgelegt war. Natürlich waren Schuhe in diesem Raum tabu. Sie setzen sich auf Kissen und vor ihnen wurden allerhand Häppchen aufgebaut. Ein Gericht schmeckte ihnen besonders gut, kleine frittierte Bällchen, die sie zusammen mit frischgebackenen Brotfladen munter mit den Fingern in den Mund schoben. Auf ihre Frage erklärte ihnen ihr Gastgeber, das sei Falafel aus Kichererbsen mit Cumingewürz. Da erinnerten sie sich an den Kräuterhändler vom Vortag, der ihnen das Gericht mit dem typischen Gewürz so warm empfohlen hatte. Besonders ließen sie sich große Stücke frischer Melonen und Orangen schmecken. Ovale, dünn aufgeschnittene und geröstete Gemüsescheiben, die nur gesalzt in Olivenöl lagen, vermieden sie lieber nach der ersten Kostprobe. Ihr Gastgeber nannte das Gemüse „Auberginen“. Den stark gesüßten, duftenden Pfefferminztee mochten sie dagegen sehr. Er erwärmte so schön den Magen. Es war um diese Tageszeit auf dem Wasser noch immer recht kühl. Cornelius und Caspar hatten so richtig bei diesem Frühstück geschwelgt.

      Das Essen hinterließ Spuren auf ihrer Kleidung. Sie waren nicht so geschickt wie der Berber, der mit den Brotfladen Gemüse und Fleisch umhüllte, in Soße tauchte und zum Mund führte. Die Tropfen vom Essen begannen bereits bei den Schüsseln vor ihnen und zeigen in ihre Richtung. Das störte sie aber wenig. Der erste Hunger war gestillt und Habib übersah mit Nachsicht die Flecken. Nach einer Malzeit war der Tisch sowieso nie mehr sauber. Später wurde alles beseitigt und aufgeräumt. Nachdem nun das Mahl zu Ende war, glaubte der hagere Mann das Schweigen brechen zu können.

      »Ihr seid jung und könntet meine Söhne sein. Sagt mir, Pierre und Jean, was ist für euch das Wichtigste im Leben? Vielleicht Reichtum, Macht, Ruhm, Erfolg, Ansehen, Glück oder was sonst? Mich beschäftigt diese Frage immer wieder. Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas von Juden, Christen oder Muslimen unterschiedlich beurteilt wird. Hier in unserem Land sind ja alle drei Religionen zu Hause. Ich bin ein Anhänger des Propheten Muhammads - Friede sei mit ihm - und ich nehme an, Ihr seid Christen?«

      „Der Berber scheint für Überraschungen gut zu sein, das könnte eine interessante Segelpartie werden“, dachte Cornelius. Er hielt sich, als der Ältere von beiden, für zuerst angesprochen, zumindest blickte Habib gespannt in seine Richtung.

      »Unser Leben ist viel mehr wert, als was wir wirklich daraus machen. Ich suche in erster Linie die Zufriedenheit, damit spielt Reichtum, Macht, Ruhm, Erfolg, Ansehen, oder was Ihr sonst noch meint, gar nicht mehr eine so herausragende Rolle. Wahre Zufriedenheit kann nur von Gott kommen.«

      Caspar nickte heftig zur Bestätigung in Richtung seines Bruders. »Ja, und wenn man zufrieden ist, dann spielt eigentlich alles andere keine Rolle, oder es kommt von selbst. Bruder, du hast vollkommen Recht, alles liegt in Gottes Hand und darum sollen wir ihn und seinen Sohn über alles lieben.«

      Habib saß vor ihnen in der Hocke. Er beugte seinen Oberkörper nach vorne und schien gleich umzufallen, so gespannt war er.

      »He, ich muss gestehen, das ist eine gute Einstellung. Ehrlich gesagt, das hätte ich von so jungen Leuten, wie Euch, nicht erwartet. Was in unseren Moscheen, und wahrscheinlich ebenso in den Synagogen der Juden und auch in Euren Kirchen gesagt, gelesen und gehört wird, ist immer von Gott gekommen. Ja, ja, wir müssen sein Wort nur richtig auslegen und befolgen, jeder in seiner eigenen Religion und wir alle zusammen.«

      Auf langem Hals wog sein schmaler Kopf mit dem kecken Kufi hin und her, was ein wenig komisch ausschaute. Offensichtlich dachte er angestrengt nach.

      Cornelius erwartete wieder ein 'He' zur Einleitung seines nächsten Satzes, aber dieser Ausruf kam diesmal nicht.

      »Ich möchte Euch von einer Sufi-Heiligen und deren Liebe zu Gott erzählen: „Man sah R?bi ah al-Basr? in den Straßen von Basra mit einem Eimer in der einen Hand und einer Fackel in der anderen. Gefragt, was das bedeute, antwortete sie: „Ich

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