Wie ein Dornenbusch. Wilfried Schnitzler

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Wie ein Dornenbusch - Wilfried Schnitzler

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in genügendem Abstand von der Mannschaft schlafen, unter offenem Himmel, bei milder Brise, auf Kissen, nur in ihre Burnusse eingewickelt. Kommende Ereignisse berührten die beiden in diesen Tagen nicht, schienen noch in weiter Ferne zu liegen. Die See war die ganze Zeit ruhig. Am Ende der Reise waren alle Hühner, die in einem Käfig auf Deck verstaut gewesen waren, aufgegessen. Daneben fing die Mannschaft, die sonst nicht besonders viel zu tun hatte, den einen oder anderen Fisch, woraus der Koch köstliches Hut Bib Karfas bereitete, einen Eintopf mit Sellerie, den sie besonders mochten. Was war diese Reise doch ein Segen, denn durch die Speisen, die ihr überaus freundlicher und großzügiger Gastgeber auftischen ließ, konnten sie das Land, das für einige Monate zu ihrer unfreiwilligen, nicht besonders geschätzten Heimat geworden war, durch einen wohl gedeckten Tisch in guter Erinnerung behalten.

      Am fünften Tag erreichten sie den Hafen von Marseille. Zum Glück war Habib Belhadji sehr damit beschäftigt sein kostbares Gut sicher an Land zu bringen, so dass der Abschied von ihm mit vielen Dankesbezeigungen nur kurz ausfiel und sie sich schnell entfernen konnten. Er fragte nicht einmal, warum der Onkel nicht zum Empfang gekommen war. Aber das wäre auch schnell zu erklären gewesen, nachdem sie ja ihre ursprünglich geplante Passage versäumt hatten.

      »Und was machen wir nun, Connie? Wir können doch nicht so einfach nach Hause zurück. Papa wird uns rausschmeißen, falls es nicht noch schlimmer kommt!«

      Für Cornelius war es im Augenblick wichtiger, ob der Orden sie suchen würde. Als er seine Bedenken gegenüber Caspar äußerte, war dessen prompte Antwort:

      »Einen Ordenseid haben wir noch nicht abgelegt. Und sonst schulden wir denen auch nichts, oder?«

      »Doch, Bruder,« warf Cornelius ein, »Wenn wir ganz korrekt sind, dann stehen wir bei denen mit ein paar Franc in der Kreide, nämlich mit der Reisekasse, die sie uns für Budschaja mitgegeben haben und natürlich auch für unseren Burnus. Aber sind wir froh, nicht das Geld ausgegeben zu haben. Wir brauchen es nämlich noch dringend genug für unsere Weiterreise.«

      Ihre algerischen Kleidungsstücke mussten sie nun irgendwie los werden, denn die passten nicht mehr in ihre neue Umgebung, obwohl Marseille genügend arabische Einwohner hatte. Letztendlich war Algerien französisch und viele Einwohner wollten im Mutterland residieren. In einem Laden für gebrauchte Kleidung konnten sie ihre Ordensgewänder gegen einigermaßen ansehnliche und passende Anzüge ohne Aufgeld eintauschen.

      Caspars Sorgen um die Zukunft waren zurückgekehrt, die ihn in den letzten Tagen so gar nicht geplagt hatten. Da konnte nur der große Bruder helfen. Der aber war auch ratlos und voller Zweifel, obwohl er sich das nicht anmerken lassen wollte. Es schmerzte ihn unendlich, dass sie nicht einfach nach Hause zurückkehren konnten, die Mutter in die Arme schließen, im Kreis der Geschwister von ihren Erlebnissen in Algerien erzählen. Aber der bigotte Vater, in seiner Verbohrtheit, war in ihrer Vorstellung ein unüberbrückbares Obstakel.

      »Casparus, wir teilen das Geld und du schlägst dich am besten alleine zu den Großeltern nach Deutschland durch. Versuche so schnell es geht wieder in dein Studium einzusteigen. Du hast ja nur noch zwei Semester bis zum Abschluss. Und das musst du unbedingt durchhalten, sonst wirst du doch noch zum Militärdienst eingezogen. Dreimal wurdest du ja schon von der Ersatzkommission wegen deines Studiums suspendiert. Aber noch einmal werden sie kaum so großzügig sein. Dann kannst du damit rechnen, dich für König und Kaiser ein paar Jahre lang abzurackern, und das ist überhaupt kein Zuckerschlecken.«

      »Cornelius, was weißt du denn davon, du hast gut reden! du brauchtest ja als Freiwilliger nur ein Jahr zu dienen und das hast du mit Großmutters Hilfe im Eliteregiment bei den Husaren ganz gut hinter dich gebracht. Davon kann ich nur träumen.« Darüber wollte der Ältere jetzt nicht reden. Im Augenblick war für ihn das Wichtigste, dass sein 'Bub' nicht ins Schlingern geriet, dass er zügig die Universität hinter sich brachte, um danach seine eigenen Entscheidungen zu treffen.

      »Caspar, ich werde erst einmal nach Lille an die katholische Universität reisen. Das ist zwar auch in Frankreich, aber das nehme ich in Kauf, um weit genug vom Vater weg zu sein. Wenn du nicht verrätst, wo ich bin, werde ich dort fürs Erste vor ihm in Sicherheit sein.«

      Cornelius war noch immer richtig bitter auf seinen Alten und glaubte, dass er ihm seine Karriere versaut hatte. Lille hatte ihm nämlich gleich nach der Promotion mit seinem Vorzeigeabschluss eine Dozentenstelle an der philosophisch-theologischen Fakultät angeboten. Das hätte er auch angenommen, aber der Vater hatte sie ja nach Algerien abkommandiert. Es war vielleicht ein Versuch wert, sich nochmals zu bewerben. Möglicherweise waren sie an ihm noch immer interessiert. Wo sonst konnte er hin?

      Vielleicht gab es aber doch noch eine andere Alternative, die er in einer Unterhaltung der Ordensbrüder in Algerien hörte, als sie sich über den Unglauben der Indio-Bevölkerung in Süd- und Mittelamerika unterhielten, und das nach vierhundert Jahren spanisch christlicher Missionierung! Die Ordensbrüder behaupteten, dass die Bischöfe in Süd- und Mittelamerika dringend Priester zur Bewältigung ihrer prekären Lage suchen. Die spanischen Kolonien waren längst zusammengebrochen. Wie in einem Sog vollzog sich ein Wandel des wirtschaftlichen und politischen Aufbruchs. Die Kirche witterte ihre Chance, indem sie mit dem Elan junger Priester versuchte aus ihrem sozialen Abseits zu kommen.

      Als Caspar von dieser Möglichkeit im fernen Amerika hörte, leuchteten seine Augen auf.

      »Cornelius, wenn du dort hin gehst, dann lass mich das unbedingt wissen. Ich werde mich bestimmt mit meinem Studium beeilen. Das ist vielleicht ein Ansporn. Mit dir zusammen zu arbeiten, das wäre ganz nach meinem Geschmack! Denk dir bloß, mit dir gemeinsam, was könnten wir da alles bewegen! Du, mit deiner Begabung, da bin ich mir ganz sicher wirst ganz schnell Bischof, und ich immer an deiner Seite. Mensch, Bruder, da eröffnen sich auf einmal ungeahnte Aussichten!«

      Er war richtig aufgeregt, nickte ein über das andere Mal mit dem Kopf, wie zur Selbstbestätigung und meinte: »Könnte vielleicht Vater mit Absicht die gleichen Initialen für unsere Namen gewählt hatten? Ist dir schon einmal aufgefallen, dass unsere Vornamen beide mit C beginnen? C und C, Connie und Caspar, was für ein Tandem, da kann einfach nichts schief gehen!«

      Er malte mit seinen Händen ein Banner in die Luft. Seine jugendlichen Träume liefen sich geradezu heiß.

       4 Interim in Lille

      Es nahm dann alles seinen Lauf. Die beiden Brüder hatten mit ihren guten Vorsätzen verschiedene Wege eingeschlagen, blieben aber immer in Verbindung, nachdem Caspar versichert hatte, jeden Brief seines Bruders gleich zu vernichten, sobald er ihn gelesen hatte, um auf alle Fälle zu vermeiden, dass des Bruders Unterschlupf irgendwie doch bekannt werden könnte. Natürlich hatte Cornelius Sehnsucht nach der Mutter und vor allem vermisste er seine jüngste Schwester, die er über alles liebte, die er mit groß gezogen hatte, aber deren Gesundheit nicht zum Besten stand. All das bedrückte ihn sehr. Aber was half's?

      Cornelius wollte möglichst schnell alles weit hinter sich lassen. Das war ihm auch gelungen. Algerien war abgeschlossen und auch die Familie ließ ihn in Ruhe. Nach schnellem Einleben in Lille wurde ihm allerdings bewusst, dass er an eine Universität gekommen war, deren Gründungsjahr zwar noch gar nicht so lange zurück lag, deren Gründer - die Kirche und einige reiche Privatleute – die Statuten ihrer Institution in einen viel zu traditionellen und engen Rahmen gestrickt hatten. Da gab es kaum Raum für Entfaltung, alles war strengstens nach den Wünschen der Kirche reguliert.

      Er empfand keine Begeisterung an seiner Arbeit, die bestand aus viel zu viel Routine. Auch die Vorlesungen gehörten zu diesem Trott, sobald er sich in die Inhalte eingearbeitet hatte. Dabei gab es, wenn er ehrlich war, überhaupt keinen Grund sich zu beklagen. Er hatte sein eigenes kleines Schreibzimmerchen und die Universität stellte ihm sogar eine möblierte Unterkunft in einem

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