GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY. Heinrich Düllmann

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GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY - Heinrich Düllmann

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war das auch nur so eine Laune von ihm. Man weiß nie …«

      »Bea, komm bitte zu mir. Ich brauche dich. Ohne dich schaffe ich es nicht. Nur gemeinsam können wir uns gegen Carlos behaupten. Er hat mir versprochen, dass er dich in Ruhe lässt und auch nichts dagegen hat, wenn wir zusammenleben.«

      »Wie naiv bist du eigentlich, Richi! Carlos ist es völlig egal, was er gestern gesagt hat. Er wird trotzdem tun, was ihm heute nützlich erscheint.«

      Ich unterbreche sie. »Aber wenn du dich versteckst, änderst du daran auch nichts!«

      Stille.

      Dann sagte sie: »Das stimmt, Richi!«

      Pause.

      Und dann: »Ich komme.«

      Mittlerweile leben wir seit einem Jahr als Paar zusammen. Ich sehe noch heute die großen und fragenden Augen der Leute, als sie davon erfuhren und vor Neugierde fast platzten. Aber niemand wagte, etwas zu sagen. Man hätte uns doch so gerne gefragt oder irgendeine Bemerkung zu unserer Beziehung abgegeben, aber die Situation war allen zu heikel. Mit der Zeit jedoch gewöhnt man sich an das, was man vorher für unvorstellbar gehalten hat. Das gilt auch für uns beide, denn Bea und ich mussten unser Leben neu organisieren. Nichts war mehr so wie früher.

      Auch unsere Liebe hat sich verändert. Sie lebt nicht mehr nur von dem Glanz der ersten Sternstunden, vom Zauber der ersten sexuellen Begegnungen, die wir so intensiv erleben konnten, weil wir sie uns aus dem gefährlichen Alltag – meistens ungeplant – wie hungrige Vögel herauspicken mussten. In diese oft kurzen Momente haben wir die ganze Kraft und Intensität unseres Fühlens hineinpacken können. In diesen Momenten konnten wir die drohenden Gefahren vergessen und uns hemmungslos füreinander freigeben. In diesen Momenten zählte nichts anderes, als der unbändige Wille, uns gegenseitig glücklich zu machen. Damals war jede Begegnung eine solche Sternstunde, weil jeder Moment einmalig war und der letzte hätte sein können.

      Heute kennt unsere Liebe auch den Staub des täglichen Miteinanders, das Herumplagen mit den gegenseitigen Schwächen und äußeren Bedrohungen. Das hat zwangsläufig zu einer Veränderung geführt. Dennoch erstaunt es mich geradezu, dass unsere Liebe noch lebt und sich nicht abgenutzt hat. Wenn ich mich frage, warum das so ist, habe ich nur eine Erklärung: Wir erinnern uns immer wieder, insbesondere, wenn es Probleme gibt, an den unbändigen Willen, uns gegenseitig glücklich machen zu wollen. Diese damals erlebten Erfahrungen sind wie ein Weckruf in den Augenblicken, in denen wir zu sehr ins Gewohnte abzudriften und an Lebendigkeit zu verlieren drohen. Dann drehen wir den Schalter um, lassen alles stehen und liegen und explodieren …

      Auch wenn wir wissen, dass wir damit nichts ändern und der harten Wirklichkeit auch nicht entfliehen können, feiern wir diese kostbaren Augenblicke wie Siege. Wir wissen nicht, was kommt und wie wir uns aus den Fängen von Carlos befreien können, aber wir genießen – wie damals – den Augenblick so, als ob es der letzte sein könnte. Das gibt uns die Kraft, den begrenzten Spielraum unseres Lebens anzunehmen und neu zu gestalten.

      Das Leben am Theater hat sich auch gewandelt, weil ich die sozialkritischen Stücke abgesetzt habe. Sie waren bisher unser Markenzeichen und lagen mir besonders am Herzen. In ihnen thematisierten wir die zunehmende Sojasierung der Felderwirtschaft, die das Land in eine gefährliche Monokultur zu bringen droht und die Existenz der Kleinbauern kaputt macht. Es waren aber auch immer heitere Stücke, die die unbändige Lebensfreude der einfachen Leute darstellten, mit der sie die vielen Widrigkeiten des Lebens mit Gelassenheit, Humor und Würde bewältigen. Zwei Stücke, von denen ich normalerweise eins schrieb, inszenierten wir jedes Jahr. Und auch die ärmeren Leute kamen zahlreich zu diesen Aufführungen, weil wir besonders niedrige Eintrittspreise anboten.

      Dieser Einschnitt ins Theaterleben und die Forderung von Carlos, seichtere Stücke zu spielen, machte mir sehr zu schaffen, sodass ich in den ersten Monaten nicht mehr schreiben wollte und konnte. Mir war jede Inspiration und Kraft abhandengekommen. Ich sehnte mich nach Mut und Kreativität, um einen Ausweg zu finden und zu wagen.

      Ich hatte mich Carlos gebeugt, weil ich mir ein Leben ohne Theater und ohne Bea nicht vorstellen konnte. Die Konsequenzen dieser Entscheidung bekam ich jedoch mehr und mehr zu spüren. Denn wenn du dich einmal gebeugt hast, dann bist und bleibst du angreifbar und anfällig. Da kannst du dir noch so viel schönreden, was ich auch getan habe und noch tue. Du sagst dir dann, dass es ja nur vorübergehend sei. Irgendwann kannst du wieder die Stücke auf die Bühne bringen, die deinen Ideen, Vorstellungen und Visionen entsprechen. Irgendwann kannst du dich von Carlos befreien und mit Bea eine neue Zukunft planen. Irgendwann …

      Aber dieses Denken macht dich schizophren. Auf der Bühne ist alles so einfach. Du zeigst Typen, die sich sogar gegen größte Widerstände nicht fremd bestimmen lassen, die mutig, manchmal todesmutig ihre Überzeugung vertreten. Und dann kommt der Augenblick, wo du als Mensch, nicht als Theaterdirektor, gefordert bist, wo du dich wehren, wo du Farbe bekennen musst und dich nicht einfach der Angst ergeben darfst. Und was passiert? Du ziehst den Schwanz ein und wirfst deine Überzeugungen über Bord. Du hast nicht mehr die Kraft, entschlossen Nein! zu sagen oder nach neuen, vielleicht riskanten Lösungen zu suchen. Du flüchtest ins innere Exil und suchst Befriedung in weniger interessanten und anspruchsvollen Dingen. Du gibst dich jetzt sogar mit den kleinen Freuden des Lebens zufrieden und wirst beruflich sehr bescheiden.

      Ohne Bea jedoch wäre dieses Leben unerträglich.

      DROGENKURIER

      Wenige Kilometer nach Hernandarias halte ich an, um die Ladung zu kontrollieren, die mir von Carlos‘ Leuten übergeben wurde. Der Kofferraum ist mit sechs verschieden großen Paketen gut gefüllt. Sie sind offen, nicht zugeklebt. Bei der Übergabe sagte man mir, dass sich diesmal Fußballhandschuhe darin befinden würden, dessen Marke auch der paraguayische Nationaltorwart Villas trägt. Ich schaue hinein, um bei einer möglichen Kontrolle auch Auskunft geben zu können. In den vier großen Paketen befinden sich die Torwarthandschuhe der Firma Reusch, in den anderen sind von der gleichen Firma Minihandschuhe, sogenannte Keon Deluce, in denen USB-Sticks enthalten sind. Wie bei meinen bisherigen zehn Fahrten mache ich mir auch diesmal keine großen Gedanken darüber, wie viel Rauschgift ich transportiere.

      Jedes Mal waren es andere Gegenstände: Verbandskästen, Werkzeugkisten, Weinkisten und Matepakete. Für den Fall der Fälle fühle ich mich aber heute für eine mögliche Kontrolle besonders gut gerüstet, da ich mich im Fußball auskenne und die fußballverrückten Paraguayer ihren Nationaltorwart geradezu anhimmeln, besonders wegen seiner starken Leistung im letzten Länderspiel, das sie gegen Argentinien sensationell gewinnen konnten. Über diesen historischen Sieg würde ich mit den Polizisten emotional plaudern und ihnen auch noch einen, nicht infizierten, Keon Deluce schenken.

      Ich bin ganz sicher, dass ich so ungehindert weiterfahren könnte.

      Während der Fahrt denke ich besonders an die ersten beiden Touren zurück, in denen ich vor Angst fast gestorben wäre. Wenn ich nur Polizei sah, und die sieht man dauernd in Paraguay, begann ich schon zu schwitzen. Wenn ich dann auch noch von der Verkehrspolizei angehalten wurde, was bei Fernfahrten mehrmals am Tag passieren kann, bekam ich Magenkrämpfe. Ich fühlte mich, als ob ich vor Angst in die Hose gemacht hätte, mein Kopf glühte, und ich glaubte, dass der Polizist mein rasendes Herz schon von Weitem hören müsste. Aber glücklicherweise wollte die Polizei immer nur dasselbe: einen angemessenen Geldschein für unkontrolliertes Weiterfahren.

      So hatte ich, wie früher auch, immer einen zusammengefalteten Schein parat, den ich unter die verlangten Autopapiere legte. Der Polizist fühlte ihn, blickte kurz und unauffällig auf den Wert des Scheines und gab mir die Papiere wieder zurück, um mich dann höflich zum Weiterfahren aufzufordern.

      Ab

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