Töchter aus Elysium. Werner Siegert

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Töchter aus Elysium - Werner Siegert

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wo bist du?“ hörte sie sich halblaut zu sich selbst sprechen. Angela war verwirrt. Oh ja, das wusste sie: Man spottet über Amour fou, so lange man nicht selbst zutiefst darin versinkt. Schwester Angela versuchte, ihre Füße wieder auf festen Boden zu setzen. Die Pflegedienstleiterin hat sie auf dem Kieker. Ängste stiegen in ihr auf: Würde man sie von diesem Patienten, von diesem Herzensmann abziehen? Und dann? Würde sie dann nicht ihre Mission beenden müssen? Noch hatte sie nicht alle Informationen sammeln können, die man über das Abrechnungsgebahren dieser Klinik brauchte.

      Schwester Angela flüchtete in die Damen-Toilette, nicht in die für das Personal. Da wäre sie vielleicht einer Kollegin begegnet. Hier aber könnte sie sich tarnen als eine, die sich um die Hygiene kümmert, und wenn sie allein wäre, könnte sie sich kaltes Wasser über ihr Gesicht streichen. Ob das hilft gegen die Schmetterlinge in ihrem Bauch, ausgerechnet hier im Elysium der Emanzen? Im Spiegel glaubte sie, eine völlig veränderte Angela zu erkennen. Sie ordnete ihre Haare. Ihre Lippen waren merkwürdig gerötet. Sie trotzten jetzt dem Verbot von jeglichem Lippenrot in diesem Hause. Lippen, die sich danach sehnten zu küssen. Zu küssen! Wann hatte sie zuletzt aus Liebe geküsst? Waren es schon Jahre her? Aber das war ein Horst - kein Vergleich mit einem Maurice!

      Maurice heißt er mit Vornamen. Unter welchem Sternbild ist er geboren? Das hatte sie sich noch nicht eingeprägt. Das war noch vor ... ja vor was? Vor wenigen Minuten, oder waren es Sekunden? Vor dem Liebesblitz? Maurice! Kommt er gar aus Frankreich? Hat er französische Wurzeln? Stammt vielleicht sogar aus der Provence, wohin sie alljährlich in den Urlaub fährt? Allein. Bisher allein. Ohne einen Maurice.

      Ach - mit Maurice in Avignon! Sur le pont ....

      Leise dieses Liedchen summend und etwas zu beschwingt tänzelte sie durch den Flur. Sie wandelte wie auf rosa Wölkchen und war ohnehin überzeugt, demnächst würde das Hundefoto durch eines von ihr ersetzt.

      Elsterhorst schaffte die halbe Suppe, knabberte zwei trockene Zwiebäcke. Dann holte er das Bild von seinem geliebten Hund Rinaldo aus dem Schrank und stellte es wieder auf seinen Nachttisch.

      Wenn er das vier Wochen lang durchhalten sollte, war er überzeugt, es würde ihn mehr Kraft und Überwindung kosten als ein Jahr Arbeit im Präsidium. Lieber Mörder jagen, als diese Höllenqualen täglich über sich ergehen lassen.

      Lediglich die Fürsorge durch Schwester Angela versöhnte ihn. Sie wurde sein Morgensonnenschein, auch wenn es draußen regnete oder der Nebel in den Bäumen hing. Das Essen würde zumindest dazu beitragen, dass er kein Gramm zunimmt. Eher würde er ein, zwei Kilo abnehmen, was den weiteren Aufenthalt lohnender erscheinen ließ. Andere hätten Angela ein „Herzchen“ genannt. Sie brachte ihm schon mal nachmittags ein übrig gebliebenes zusätzliches Stück Kuchen. Um seine Verspannungen aufzulösen, gönnte sie ihm auch dann und wann eine Schultermassage. Jedenfalls genoss er ihre Zuwendungen um so intensiver, je kälter und kurz angebundener die Abfertigung und Anweisungen durch die Schwestern Ursula und Diana ausfielen. Die begann er allerdings auch absichtlich zu provozieren, indem er das Rinaldo-Foto demonstrativ mal auf seinen Tisch oder neben das Bett stellte. Jedesmal musste er sich diesen Sermon anhören, Hunde würden zuviele Energien abziehen. Schwarze Hunde seien überdies Höllenhunde. Sich nicht davon beeindrucken zu lassen, gab ihm ein ganz kleines Gefühl von Macht zurück.

      Als ihm Schwester Angela wieder einmal ihr Handy lieh und - um nicht ertappt zu werden - sich im Flur an ihrem Trolley zu schaffen machte, drückte er aus Versehen auf eine falsche Taste. Auf dem Display erschien ein Fax. Es war ihm fast peinlich; denn so erfuhr er zu seiner absoluten Verwunderung, dass sich hinter Schwester Angela in Wirklichkeit eine Frau Dr. Angela Berghoff verbarg. Als Schwester Angela wieder zu ihm hinein huschte, bekam er fühlbar rote Ohren. Der Schweiß rann ihm in kleinen Tröpfchen den Nacken runter, was ihr nicht verborgen blieb.

      „Haben wir einen Schub, Herr Hauptkommissar? Einen Fieberschub?“

      Herr Hauptkommissar? Sie kannte also seinen Beruf? Obwohl er doch geheim bleiben sollte. Da rutschte es ihm spontan heraus. Es lag ihm so auf der Zunge, dass er sich nicht mehr bremsen konnte:

      „Frau Dr. Berghoff, mir ist in der Tat nicht gut. Ich weiß selbst nicht!“

      Jetzt war es Schwester Angela, die rot anlief und sofort den Zeigefinger ihrer linken Hand fest an ihre Lippen presste und dann ... sogar an seine!

      „Sie wissen es also? Bitte, bitte absolutes Schweigen! Niemand darf das wissen! Das könnte schlimm für mich ausgehen. Ich bin - Sie würden es bezeichnen - ‚under cover’ hier in diesem Laden. Hier läuft einiges schief!“

      Sie ergriff in großer Hektik seine Hand, packte sie ganz fest: „Versprechen Sie mir absolutes Schweigen! Schwören Sie! Vielleicht brauche ich demnächst sogar Ihre Hilfe!“

      Dann rannte sie zur Tür hinaus und ließ den verdutzten Kommissar zurück.

      3. Mit Blaulicht

      Maurice Elsterhorst schaute entgeistert an die Decke seines Zimmers. Etwas verwirrte ihn. Noch war er zu schlaftrunken, um realisieren zu können, was es war. Blaulicht? Blaulichtfetzen? Hell, dunkel, hell, dunkel ... Blaulichtwölkchen über ihm? Spielte ihm sein Gehirn einen Streich? Träume eines Kriminal-Kommissars? Suchten ihn Nachtmare heim?

      Nein, die flackernden Blaulichtwolken, die an den Vorhängen empor kletterten und über die Decke seines Zimmerchens rasten, waren real!

      Elsterhorst schoss aus dem Bett. Nachts um 3 Uhr Blaulicht! Schließlich war er Profi, Blaulicht-Profi! Polizei? Feuerwehr? Krankenwagen? Also ran ans Fenster. Vielleicht würde er gebraucht?

      Es war ein Krankenwagen. Gerade wurde jemand auf einer Bahre hineingeschoben, mit einem Infusionsgalgen und Sauerstoffmaske! Die Sanitäter hatten es offenbar sehr eilig. Sie knallten die Türen zu - oder hallte es in der stockdüsteren Nacht nur doppelt so laut? Sprangen ins Führerhaus. Der Kies knirschte unter dem rasant startenden Sanka. Die Lichter im Hof erloschen. Das Stimmengewirr zog sich ins Haus zurück. Elsterhorst schlich sich zur Tür, machte sie zunächst nur einen kleinen Spalt weit auf. Niemand war im Flur. Also traute er sich raus, im Schlafanzug und auf Zehenspitzen wagte er sich bis zur Treppe vor, von wo aus er in die Vorhalle schauen konnte. Dort stritt die Leiterin, Frau Dr. Frost-Heimbusch, mit zwei ihm bisher nie aufgefallenen älteren Frauen in weißen Kitteln. Zwar bemühten sie sich, leise zu sein, doch waren sie viel zu erregt, um sich zurücknehmen zu können.

      „Was hätten wir denn machen sollen? Sie krepieren lassen? Und dann?“

      „Das konnten wir vielleicht mit diesem etwas zu neugierigen illegalen Zimmermädchen machen, das hier schwarz gearbeitet hat. Mit dieser Slowakin. Die konnten wir spurlos verschwinden lassen. Aber so eine?“

      „Wir hätten sie nie abtransportieren lassen dürfen! Ich kann nur hoffen, dass sie das Spital nicht mehr lebend erreicht! Oder dass sie nie wieder zum Verstand kommt!“

      „Du, ich habe sie so übel zugerichtet! Selbst wenn sie überleben sollte, kann diese Schnüfflerin Zeit Ihres Lebens keinen klaren Gedanken mehr fassen!“

      „Und wenn, dann besuche ich sie in der Klinik und - schwupps!“

      Elsterhorst spitzte die Ohren. Das waren höchst alarmierende Sätze. Schade, dass er sie nicht mit dem Handy aufnehmen konnte. Es war ihm ja bei der Aufnahme abgenommen worden. Wahrscheinlich aber hätte das kleine Mikrophon die Sprachfetzen auf diese Entfernung gar nicht registriert.

      „Wer weiß im Haus noch von dem Vorfall?“

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