Fate of Whisky. Joachim Koller
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»Nein, jetzt noch nicht. Wir wissen beide, was heute passieren wird, aber jetzt machen wir es uns auf dem Bett gemütlich. Ich möchte mir ›Beverly Hills 90210‹ ansehen. Nachher spielt es dann eine neue Serie, die Fortsetzung zum Film ›Highlander‹. Es wird sicherlich nichts mit Schottland zu tun haben, aber trotzdem.«
Niko musste grinsen. Jeder kannte die Serie ›Beverly Hills 90210‹. Selbst viele Burschen sahen sie regelmäßig, wobei die wenigstens es zugeben wollten.
Gemeinsam krochen sie unter eine Decke und verbrachten den Nachmittag eng aneinander gekuschelt vor Julias Fernseher. Niko tat sich schwer, seine Hände bei sich zu belassen, aber von Julias Seite kamen keine Beschwerden.
Es war schon späterer Nachmittag, als Julia entschied, im Wald spazieren zu gehen. Für den Abend hatte sie ihm einen ihrer Lieblingsfilme versprochen. Ohne zu verraten, welcher dies war, versicherte sie ihm, dass er ihm auch zusagen würde.
»Solange es nicht ›Dirty Dancing‹ ist.«
»Nein, aber den habe ich auch«, antwortete sie lachend, »Ich glaube, der wird auch in vielen Jahren der Kultfilm für uns Mädchen sein.«
»Dann möchte ich ihn in vielen Jahren mit dir zusammen sehen«, meinte Niko, als sich Julia bei ihm einhackte und ihn durch den Wald führte. Sie waren schon oft spazieren gewesen, doch an diesem Tag war es anders, unbeschwerter. Niko machte sich keine Gedanken, ob jemand aus ihrer Familie sie sehen konnte, was den Spaziergang noch angenehmer machte. Außerdem fiel ihm auf, dass Julia immer wieder Körperkontakt suchte, was ihn zwar nervöser machte, seine Vorfreude auf nachher aber umso mehr steigerte.
Das Abendessen wurde von der nahe gelegenen Pizzeria geliefert. Julia hatte den Tisch auf der Terrasse gedeckt und aus dem Keller eine Flasche Wein geholt.
»Mein Vater hat genug davon, die eine Flasche wird ihm nicht auffallen.«
Sie erzählten sich Geschichten aus der Schule, sprachen über ihre Freunde und auch über weitere Pläne nach der Schule. Julia plante, in Schottland zu studieren, wobei sie nichts mit den Familiengeschäften zu tun haben wollte. Sie war an Naturwissenschaften und der Tierwelt interessiert. Niko hingegen hatte noch keinen Plan, er wollte bis zur Matura genau überlegen, in welche Richtung sein Leben weitergehen sollte.
»Egal was, es wäre auch auf der Insel möglich«, meinte Julia.
»Wie meinst du das?«
»Ich meine damit, dass ich nach der Schule nach Schottland gehen möchte. Aber nicht ins Schloss meines Vaters. Ich will mir alles alleine aufbauen. Und wenn mein Freund mitkommt ...«
»Du meinst, dass wir beide, zusammen ...«
»Ja, warum nicht?«, sie legte ihr Besteck zur Seite und nahm ihr Weinglas zur Hand, »Nikólaos Dovas, ich liebe Dich. Wir sind zwar gerade einmal fünfzehn Jahre alt und haben noch das ganze Leben vor uns. Na und? Ich kann mir vorstellen, es mit dir zu verbringen.«
Niko griff nach seinem Glas.
»Julia, ich liebe dich und möchte nicht ohne dich sein. Ganz egal ob hier, in Schottland oder am anderen Ende der Welt.«
Die Flasche Wein war schnell geleert. Während Niko die Pizzakartons und die Flasche entsorgte, richtete Julia zwei Whiskygläser her.
»Zur Einstimmung auf den hoffentlich langen Abend. Echter schottischer Single Malt Whisky aus Talisker. Ein ganz besonderer Tropfen, für einen ganz besonderen Abend.«
Sie stießen an und Niko sah, wie sie das Glas in einem Zug leerte. Er machte es ihr nach, bereute es aber im nächsten Moment. Der Whisky brannte sich die Kehle hinab, der kräftig rauchige Geschmack, ließ ihn zusammenzucken. Das kurz darauf einsetzende Wärmegefühl in Brust und Bauch entschädigte ihn umgehend.
»Nicht, dass ich viel Ahnung habe, aber der schmeckt ... ich würde sagen, da ist Pfeffer mit drinnen.«
»Eigentlich nicht, aber er schmeckt pfeffrig, rauchig. Ich habe ihn schon ein paar Mal kosten dürfen.«
Sie verstaute die Flasche und nahm Niko das Glas ab.
»Komm mit, jetzt wird´s heiß.«
»Ach so, wirklich?«
»Nicht wie du denkst, kleiner Lustmolch«, tadelte sie ihn lächelnd, »Dazu kommen wir später. Jetzt machen wir es uns zuerst einmal richtig gemütlich im Bett und schauen meinen derzeitigen Lieblingsfilm. Ich habe den Film schon so oft geschaut, dass ich mir den Film auf eine zweite Videokassette kopiert habe, falls bei dieser einmal das Band reißt.«
Julias Lieblingsfilm war ›Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen‹. Niko hatte einiges über den Film gehört, ihn aber noch nicht gesehen.
»Dann wird es aber höchste Zeit!«, meinte Julia. Wie selbstverständlich entledigte sie sich ihrer Kleidung und schlüpfte in Unterwäsche unter die Bettdecke.
Nikos Blick quittierte sie mit einem verführerischen Lächeln.
»Schau nicht so. Ich bin genauso nervös und angespannt. Ich tu nur so locker. Aber ich weiß, dass du der Richtige bist und ich bin mir sicher, dass ich keine Sekunde heute Nacht bereuen werde.«
Niko tat es ihr gleich und kam zu ihr ins Bett. Julia schnappte sich die Fernbedienung und legte sich an seine Schulter.
»Aber wehe dir, wenn du einschläfst.«
»Keine Sorge, das wird nicht passieren«, versicherte er ihr mit einem Kuss auf ihren Kopf.
»Ich nehme an, du hast vorgesorgt?«, fragte sie leise, während sie den Film startete.
Niko verkniff sich ein Lachen.
»Was ist denn?«
»Ja, ich habe vorgesorgt. Ich und jeder, dem ich erklärt habe, warum ich heute Abend nicht mit durch die Lokale ziehe. Gute Freunde sind manchmal schlimmer als die ärgsten Feinde.« Niko zog seinen Rucksack ans Bett.
»Um die ganzen Gummis zu verbrauchen, brauchen wir lange«, meinte er und deutete auf die Außentasche.
»Dann ist es ja gut, dass wir die ganze Nacht lang Zeit haben«, antwortete Julia frech, pausierte den Film, noch bevor er überhaupt angefangen hatte, und drehte sich zu Niko.
»Der Film läuft uns nicht davon.«
»Ich dir auch nicht, mein süßer Schatz.«
»Das ist schön zu hören«, antwortete sie und küsste ihn.
Niko erwachte und musste sich erst orientieren. Lange rote Haare lagen über seinem Gesicht, er spürte Julias Kopf auf seiner Brust, ihre Hände an seinen Schultern. Es war schon helllichter Tag. Was ihn aber nicht verwunderte, immerhin waren sie erst gegen Mitternacht dazu gekommen, den Film anzusehen. Und nachher wollten sie nicht sofort einschlafen.
Niko bewegte sich nicht, um seine Freundin weiterschlafen zu lassen. Sanft strich er sich ihre Haare aus dem Gesicht und umarmte sie vorsichtig. So blieb er noch einige Zeit liegen, bis Julia sich regte und langsam munter wurde.
»Guten Morgen, mein Schatz«, murmelte sie verschlafen.
»Morgen. So würde ich gerne jeden Tag aufwachen. Eng umschlungen mit dir im Arm.«