Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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scheußlich. Monstrositäten! Überdies fällt Ihnen die Hälfte davon ohnehin binnen eines Jahres aus. Erwägen Sie eine Extraktion, und ich kreiere Ihnen persönlich ein Gebiss, das zu den oberen Zähnen passt. Erwägen Sie wohlwollend! So weit Doktor Mirkowitz.

      Emmi hatte erwogen, zwar nicht eben wohlwollend, aber mittels eines langen Blickes in den Spiegel und eines noch längeren auf die Zahnarztrechnung, und noch in derselben Stunde einen verbissenen Kampf für die Erhaltung ihrer Monstrositäten gestartet. Immerhin biss man sich seit Jahrzehnten in traulicher Gemeinsamkeit durch die Widrigkeiten des Lebens. Sie kaufte eine Munddusche, massierte das Zahnfleisch, schluckte Vitamin C gegen Parodontose und Kalzium zur Härtung des Schmelzes, und mühte sich nachts mit offenem Mund zu schlafen, aus Furcht vor zähneknirschenden Träumen. Morgens überprüfte sie mit Daumen und Zeigefinger den Grad der Wackligkeit einzelner Sorgenkinder und seufzte schwer, weil ihr dabei ihre Kinder einfielen - und deren Wackligkeit.

      Emmi bleckte erneut die Zähne, und die Munddusche rumpelte los wie ihre Waschmaschine im Schleudergang. Es hörte sich auf beruhigende Weise drastisch an, auch wenn ihr bei dem harten Strahl immer noch das Zahnfleisch blutete. Aber sie tat etwas gegen ein Vollgebiss. Gegen Zähne, die im Munde klapperten, auch wenn es gerade nichts zu sagen gab, die sich bei falscher Haftcreme außerhalb des Mundes im Schinkenbrot verbissen wie ein Pitbull im Pudel und die einen nachts aus dem Wasserglas höhnisch angrinsten, sobald man die Nachttischlampe anknipste.

      Sie packte den Griff der Düse energischer. Nein, ein Vollgebiss kam nicht infrage. Lieber mümmelte sie sich unten herum nackt bis zum Grab durch. Und wenn sie am Fegefeuer des Schwarzen Hermann wiedertraf, denn dass Petrus mit dem goldenen Schlüssel winkte, schien ihr doch eher unwahrscheinlich, war der bestimmt selbst schon längst über sein eitles Gehabe hinaus. All die Jahre in der Hölle schadeten mit Sicherheit dem Teint.

      Der Strahl der Munddusche fiel abrupt in sich zusammen. Sie hängte die Düse in die Halterung und trocknete sich das nasse Kinn ab. Das Weiß des flauschigen Handtuchs brachte ein feinmaschiges Netz geplatzter Äderchen auf ihren Wangen zum Glühen.

      „Apfelbäckchen“, sagten die Kinder.

      „Bah“, sagte Emmi Nichterlein angewidert und suchte mit wütender Ungeduld und wieder einmal nach der Abdeckcreme. Ab und an gelang es ihr, sich an die Vorstellung nächtlings herumwuselnder Gnome zu klammern, die eigens zu dem Zweck erschienen, Cremes, Schlüssel und dringliche Überweisungen an unmöglichen Orten zu verbergen, um dann morgens lachend um sie herumzutanzen und ihr eine lange Nase zu zeigen, während sie in zunehmender Verbissenheit auf der Ablage herumfuhrwerkte, das Rattanregal ausräumte und die Türen des Aliberts aufriss. Gestern war es besonders schlimm gewesen. Statt der Zahnpasta hatte die Fußpilzsalbe im Becher gesteckt, Kopf an Kopf mit der Zahnbürste, während sich die Zahnpasta später im blauen Kosmetikköfferchen wiederfand, inmitten des Sammelsuriums halb aufgebrauchter Tablettenschachteln, Röhrchen mit abgelöstem Etikett und ungewissen Inhaltes und den unzähligen Apothekenpröbchen teurer Lotionen, Cremes und Düften, die sie für Julia und Christina aufhob und dann doch immer vergaß, wenn eine der beiden sie besuchte. Was für ein widerlicher Geschmack den ganzen Tag über. Vor allem in der Seele.

      Emmi seufzte und streckte sich die Zunge heraus. Schadenfroh lachende Gnome, die Sachen versteckten, na klar. Schließlich wartete ja auch am Ende eines jeden Regenbogens ein überquellender Goldtopf! Nein, es gab nur sie, die zunehmende Vergesslichkeit ihrer siebzig Jahre und das Eingeständnis, dass ihr Kopf immer öfter streikte. Anfangs nur sporadisch, mit lachhaftem oder ärgerlichem Ausgang, aber mittlerweile in lästiger Häufung, und es nagte immer noch böse an ihr, dass sie drei Wochen zuvor die Brille in Einzelteilen aus der frisch geschleuderten Wäsche angelte und sich empfindlich in den Finger schnitt, während die Socke, die sie eigentlich und nachträglich in die Waschmaschine hatte stecken wollen, spurlos verschwunden geblieben war. Gegen Alzheimer war der alberne Überbiss natürlich lachhaft.

      Freitags, wenn sie am Kiosk in der Weidenstraße die neuste Ausgabe der Äskulapschlange kaufte, las sie als Erstes die Fortsetzungsartikel über Willi, den Alzheimerpatienten aus Nürnberg zum Frühstück und schauderte bei jedem neuen dramatischen Verfall.

      Schrumpfung des Gehirns. Schwere senile Demenz: Gedächtnisstörungen, Unruhe, Sprachstörungen. Vor allem aber Schrumpfung des Gehirns! O ja, und wie es geschrumpft war in den letzten Jahren, woher sonst sollte diese seltsame Leere im Kopf kommen, die sie selbst auf simple Fragen nach Antworten ringen ließ, weil ihr die passenden Worte fehlten? Und Willige aus Nürnberg war bereits gänzlich verstummt.

      Die Symptome stimmten eines wie das andere. Auch die häufigen Kopfschmerzen. Mussten nicht die Hirnnerven rebellieren, wenn ein mörderisches Protein wahllos Zellen abtötete und andere verquirlte, mochte der Kühne auch fantasieren, was er wollte? Altersbedingte Kalkablagerungen, hatte er nach der Computertomografie gesagt und gegrinst wie eine Ratte vorm Speck. Aber was wusste der schon vom alzheimerschen Beta-Amyloid-Protein? Diese jungschen Ärzte gaben sich doch heutzutage gar keine Mühe mehr, verzogen das Gesicht, wenn sie Hausbesuche machen sollten. und gingen lieber in die Disco oder zum Segeln, anstatt sich weiterzubilden und die Äskulapschlange zu lesen. Ärzte, wie den alten Frisch, richtige Hausärzte, die ihre Patienten mit Namen kannten und auch schon mal im Theaterfrack kamen, wenn ein Kind am Samstagabend fieberte, gab es offensichtlich nur noch in der Erinnerung ihrer Generation. Aber so war die Welt. Alles ging den Bach hinunter. Die Werte, die Vorbilder und der alte Frisch. Der Schlag hatte ihn getroffen, morgens vorm Frühstücksei, und als sie irgendwann später den Kühne, seinen Praxisnachfolger, anrief, mit Herzklabastern und Atemnot, da schickte der Stiesel lediglich den Notarzt samt Ambulanz, anstatt sein faules Hinterteil selbst aus dem Fernsehsessel zu mühen.

      Altersbedingte Kalkablagerungen! Was für ein unfähiger Scharlatan.

      „Ha!“, sagte Emmi Nichterlein ärgerlich.

      Ob er sich ihre aphasichen Anfälle überhaupt notiert hatte? Stand auf ihrer Karteikarte tatsächlich: Die Patientin ist mitunter unfähig, selbst einfache Gegenstände zu benennen oder verbale Anweisungen zu verstehen. Da war dieser seltsame Ausdruck in seinem Gesicht gewesen, fast so als suche er ein Lächeln zu verbergen, als sie ihm schilderte, wie sie immer häufiger mitten im Satz stecken blieb, vergeblich nach den korrekten Ausdrücken alltäglicher Gegenstände suchte und doch nur verzweifelt Du weißt schon, das Dingsbums mit den Zacken über die Lippen brachte, wenn sie den Kamm meinte.

      Amnestische Aphasie oder die Unfähigkeit ein gesuchtes Wort zu finden. So stand es in der Äskulapschlange. Kein Wunder, dass Willi verstummt war.

      Die Abdeckcreme fand sich ganz oben auf dem Stapel der verwaschenen Handtücher wieder, und während Emmi die verhassten Apfelbäckchen bleichte, grübelte sie darüber nach, wieso ihre Kinder, immer wenn sie versuchte, ihnen die Symptome ihres zerfallenden Gedächtnisses zu beschreiben, abrupt unterbrachen und ungeduldig behaupteten, ihnen erginge es genauso! In deren Alter! Und genervt hörten sie sich an. Nicht schon wieder, stöhnten sie wortlos durch den Telefonhörer, und es klang auch ungesagt laut genug. Und dann auch noch Alzheimer. Ach du meine Güte. Was will sie denn noch alles haben?

      Hast du schon gehört, David, was sich Mutter nun schon wieder einredet? Alzheimer! Aber Christina und ich haben uns besprochen, und es scheint mir das Beste zu sein, wir ignorieren ihre ständigen Krankheiten. Die Ärmste wird wohl langsam etwas senil!

      Aber wartet mal ab, dachte sie, wenn ich erst ein Pflegefall bin und mir dann einer von euch die Windeln wechseln und den Hintern abwischen soll, dann werdet ihr bereuen, mir nie richtig zugehört zu haben. Emmi wiegte einen Moment lang bedächtig den Kopf, dann schüttelte sie ihn energisch. Nein, im Ernstfall würde wohl keines ihrer Kinder auch nur in der Nähe sein, wenn sie tatsächlich einmal einen Hinternabwischer oder Windelwechsler benötigte. Die Wahrscheinlichkeit sprach da eher fürs Pflegeheim. Vielleicht sogar das Neue unten an der Leineaue, an dem

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