Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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in denen vor dem Krieg und der Nylonära alle herumgelaufen waren. Schwarze Strümpfe und flache Gesundheitstreter, die zwei Nummern zu groß waren. Kein Wunder, dass die Zahl der lebenslangen Singles anstieg.

      Selbst Julia, ihre Älteste, ließ sich mit zweiundvierzig Jahren die strähnigen Haare wachsen und drehte sie zu abenteuerlichen Gebilden auf dem Kopf zusammen. Dazu trug sie vorzugsweise – nach einer langen Lila-Latzhosen-Phase - blaue Arbeitsoveralls und Schnürstiefel mit dicken Sohlen. Scheußlich, aber dieser Bauerntölpel Rupert ließ sich trotzdem nicht davon abhalten, sie immer wieder zu schwängern. Christina, ihre jüngere Schwester, steckte mit grünen Haaren und orangefarbenen Kutten gerade in der Phase schriller Bettelmönch. Nur David trug nach wie vor unauffällig Konservatives. Zur Arbeit und in festlichen Momenten dunkelgraue Sakkos mit hellgrauen Hosen oder hellbraune Sakkos mit dunkelbraunen Hosen, passenden Socken und gewienerten Schuhen und in seiner Freizeit ab und an kariert.

      Sollten sie rumlaufen. wie sie wollten, ihr konnte es piepegal sein.

      Sie nickte energisch und verzog das Gesicht. Die fusseligen Nackenhärchen in der geflochtenen Schnecke ziepten.

      Nur, dass es den Kindern nicht piepegal war, wie sie sich kleidete. Sie mäkelten, wo sie nur konnten, und ihr Mäkeln nahm von Jahr zu Jahr zu.

      Mein Gott Mutter, du läufst herum wie Puttchen Brammel aus Koppstedt, mäkelte Christina und zupfte an ihrer orangefarbenen Kutte. Immer nur braun und grau. Oder dunkelblau. Wie wär’s denn mal mit pink oder gelb?

      Verzeih, wenn ich dir das sage, aber deine Schuhe sind staubig, mäkelte David höflich.

      Du willst dir die schönen Haare abschneiden lassen?, kreischte Julia entsetzt. Bist du denn ganz von Sinnen? Sieh doch mal in den Spiegel, wie niedlich das aussieht. Wie eine Bilderbuchoma, mit der Schnecke und den kleinen widerspenstigen Löckchen in der Stirn, und wenn du noch ein paar Jahre wartest, wirst du ein wunderschönes Silberweiß haben.

      Pah! Eine Bilderbuchoma für wen? Wie oft im Jahr sahen die Enkel sie denn schon? An den Geburtstagen oder zu Weihnachten. In den Ferien fuhren sie zu der Oma mit dem Swimmingpool, nannten sie Großmutter, weil ihr Oma zu plebejisch war und ließen sich von diesen aufgedonnerten Schnepfen Fünfeuroscheine in die Hand drücken, da unten in dem Bungalow-Park für betuchte Senioren. Die Bestechlichkeit der Welt machte eben nicht einmal mehr vor Kindern halt. Schon gar nicht vor Julias verzogenen Gören. Obgleich sich die Zweckmäßigkeit bestechlicher Enkel durchaus nutzen ließ, wie Emmi aus Erfahrung wusste.

      Jedenfalls benahmen sich die Enkel ihr gegenüber nicht gerade wie zu einer in Ehren ergrauten Bilderbuchoma. Meistens gaben sie sich so rotzfrech, dass Emmi befürchtete, die zunehmende Respektlosigkeit ihrer eigenen Kinder färbe nur allzu schnell auf die nachkommenden Generationen ab. Und warum? Weil ihnen die feste Hand fehlte. Kindern mussten Grenzen gesetzt werden. Ihre eigene Großmutter, die Mutter ihrer Mutter, die hätte sich kein Du tickst ja nicht mehr richtig von ihr gefallen lassen ohne Backpfeife und Seifenlappen. Mit ausdrücklicher Zustimmung der Eltern, versteht sich. Aber heutzutage? Ein böser Blick und die Enkelkinder mussten jahrelang therapiert werden. Wohin sollte das noch führen?

      „Abschneiden!“, sagte sie entschieden und zupfte die Nackenhärchen aus dem Dutt.

      Ob Stefans zwei Söhne auch so frech waren? Auf den Fotos sahen sie eigentlich ganz lieb aus, vor allem auf dem Letzten, wo sie da am Strand standen, mit diesen ... diesen ... komischen Brettern im Arm, mit denen sich die Leute im Fernsehen in die Brandung stürzten. Beide Jungs von der Sonne goldgelb gebacken und mit wirren nassen Wuschelköpfen. Aber Australien war so weit entfernt. Kevin und Bart kümmerte es sicherlich wenig, ob sich ihre Grandma auf der anderen Seite der Erdkugel morgens die Glatze polierte oder die knöchellangen Haare flocht, sie kannten sie ja nicht einmal persönlich und schrieben nur zu ihrem Geburtstag nichtssagende Briefchen.

      Und Hermann dürfte über Modefragen auch längst hinaus sein. In der Äskulapschlange las sie Monate nach seinem Begräbnis, Haare und Fingernägel wüchsen bei einem Toten weiter, und eine Zeit lang versuchte sie, sich Hermann als Struwwelpeter vorzustellen. Kein Fleisch auf den Knochen aber Haare bis zu den Hüften und Fußnägel, die sich durch das Holz des Sarges in die Erde bohrten.

      „,Scheußlich“, murmelte sie voll Abscheu und zupfte die grauen Stirnlöckchen zurecht. „Bis die mal weiß werden, bin ich ebenfalls unter der Erde.“ Die Ratten, die im Krieg durch die Luftschutzkeller huschten und auf Trümmergrundstücken nach Leichen scharrten, die hatten eine ähnliche Farbe gehabt, vor allem die alten. Rattengrau - pfui Deibel! Die Sauerbach färbte sich die Haare schon seit Langem kastanienbraun und es sah nicht einmal schlecht aus. Sogar bei ihrem komischen Topfschnitt.

      Die große Standuhr im Wohnzimmer schlug Viertel nach acht. Tempus fugit stand in Schnörkelschrift auf dem Zifferblatt. Die Zeit vergeht. Und mit ihr war der dicke rehbraune Zopf merklich ausgedünnt und ergraut, hässliche Altersflecken krochen von den Handrücken hinterlistig die Arme hinauf, das Kinn verdoppelte sich, und die Taille dehnte sich ungeniert aus.

      Emmi zog den Bauch ein und ruckelte an dem Rockbündchen, bis der Reißverschluss hinten saß. Früher, in der schlechten Zeit nach dem Krieg, bevor David und Stefan, ihre beiden Ältesten, zur Welt kamen, da hatte Hermann immer voll Stolz ihre Taille mit seinen großen Händen umspannt und vor seinen Kumpels mit ihren Maßen geprahlt.

      Das war lange vorbei. Die Erinnerung an diese ersten Jahre mit Hermann verblasste ebenso wie die gepressten Rosenblätter in Rilkes Cornet, von denen er bis zuletzt glaubte, es seien die Überbleibsel derselben Rose, die er bei seinem reichlich profanen Heiratsantrag übereichte. Weißt du, wo du doch schon mal schwanger bist, da könnten wir doch genauso gut ... Seinem Ego jedoch hatte es zeitlebens mächtig geschmeichelt, dass sie die Rosenblätter so sorgsam aufbewahrte und ab und an sogar wehmütig betrachtete. In Wirklichkeit waren sie wie der Cornet ein Andenken an ihre erste große Liebe Cord. Baron Cord von Herkenstein. Was für ein Mann! Er sah aus wie Errol Flynn und sprach wie Johannes Heesters. Ein Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle und immer schnieke, selbst in den wirren Kriegsjahren. Er brauchte wegen eines nervösen Leidens nicht an die Front und starb 1948 in Koppstedt an dem gezielten Huftritt eines Ackergaules.

      Die Rose war eine von den drei langstieligen roten Rosen, die man Cord so stilvoll zwischen die kalten Finger geklemmt hatte, damals in seinem offenen Sarg in der Kapelle. Als man ihn schließlich in die Gruft hinuntertrug, umklammerte er nur noch eine, und Emmi rätselte mitunter noch heute über den Verbleib der zweiten Rose nach, wenngleich sie einen bestimmten Verdacht hegte.

      Sie hielt inne und blickte versonnen ihr Spiegelbild an. Wie wohl ihr Leben an der Seite von Cord verlaufen wäre, wenn er sie denn gefragt hätte und wenn der hinterhältige Gaul nicht gewesen wäre. Kein hellhöriges Reihenhaus, sondern ein gepflegter Gutshof außerhalb der Stadt inmitten einer Parkanlage mit beschnittenen Buchsbäumen, bunt schillernden Pfauen und stolz wiehernden Hengsten. Keine abendlichen Saufgelage mit Bier und Schnaps, sondern das dezente Klirren von bauchigen Kristallgläsern, in denen der Wein im Kerzenschein blutrot glühte.

      Nein!

      „Saufen ist saufen“, sagte Emmi energisch und zwang sich an die glücklichen Jahre nach Hermanns Tod zu denken, während sie auf der Suche nach dem Lippenstift widerstrebend den Alibert ausräumte.

      Im ersten Frühjahr hatte sie sich auf den kleinen Garten hinter dem Haus gestürzt und endlich einen Steingarten angelegt. Hermann hasste Steingärten. Sie pflanzte Goldkamille und rote Grasnelken, Storchschnabel und Sonnenröschen, Mauerpfeffer und Thymian, und konnte sie sich kaum sattsehen an der blühenden Pracht aus ihren eigenen Händen.

      Sie fand Gefallen daran, über das rekonstruierte mittelalterliche Kopfsteinpflaster der Koppstedter

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