Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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Emmi jammerte stumm um Cord von Herkenstein, der aussah wie Errol Flynn.

      Und als sich Christina, ihr viertes Kind, dann auch noch anmeldete – ach du liebes Lieschen. Zu einem Zeitpunkt, wo sie sich auf der Straße nach Centstücken bückte, weil Hermanns großprotzige Zukunftsvisionen kläglich im Doppelkorn ertranken, und Emmis Hoffnungen längst vom Treibsand des Alltags verschluckt waren. Sie fuhr heimlich mit dem Bus aufs Land, aber die alte Hebamme, die noch vor dem Krieg all die kleinen Korrekturen vorgenommen hatte, über die man nicht sprach, wurde just im Moment ihrer Ankunft mit den Füßen voraus aus ihrer Kate getragen. Als auch die heißen Bäder und die schwere körperliche Arbeit das Ei nicht veranlassen konnten, seine verbissene Umklammerung mit der Gebärmutter aufzugeben, fügte sich Emmi notgedrungen in ihr Schicksal. Christina kam als rosiger Wonneproppen auf die Welt, ein süßes Baby mit schwarzen Haaren und blauen Augen, die heute noch so blau leuchteten wie damals. Mit ihrer später sommerbesprossten Stupsnase und dem entschlossen vorgereckten Grübchenkinn geriet sie weder dem Nichterlein’schen noch dem Rieffenbach’schen Familienzweig nach, und Emmi durchfuhr gleich beim ersten Anblick der Gedanke, sie sehe aus wie der längst verblichene Cord von Herkenstein.

      „Bist du sicher, das Kind ist von mir?“, hatte Hermann dann auch misstrauisch im Krankenhaus gefragt und sich kritisch im Spiegel über dem Waschbecken beäugt.

      Emmi stellte die halb gefüllte Gießkanne ächzend in der Wanne ab. Der harte Wasserstrahl aus dem Hahn prasselte auf das grüne Plastik, und es spritzte ihr kalt ins Gesicht.

      Ob sie wohl auch mit dem Wissen jeden Samstag zum Baden in den Keller geschickt zu werden so verbissen darauf bestanden hätte, auf die Welt zu kommen?, dachte Emmi. Und vor allem so holterdipolter. Ich hab’s damals ja kaum bis ins Krankenhaus geschafft.

      Christina und ihre Spinnenangst. Wie sie schon als Kleinkind unter ihrem Arm gebrüllt und gezappelt hatte, und wie sie später immer erst nackt und bibbernd um die Ecke des weißen Plastikvorhanges schielte, ob auch keine Spinne von der feuchten Decke gefallen war und mit schwarzen haarigen Beinen im Wasser paddelte, um sich auf sie zu stürzen, sowie sie in die Wanne stieg. Jede Woche aufs Neue ein Kampf. Tränen, Geheul und schließlich das ganze Repertoire elterlicher Machtworte mit diversen Androhungen. Und von jenseits der Kellerwand brüllte Ilse Taubes Thomas, der zwar keine Spinnen fürchtete, aber unter einer ebenso unheilbaren Wasserphobie litt.

      Und dann, eines Tages, nahm das Drama tatsächlich seinen Lauf, und auch Hermanns wütendes Brummen später, die Weiber hätten das Ganze schlichtweg herbeigeredet, viel zu viel Aufhebens um Christinas Spinnenangst gemach, und die Kinder verweichlichten bei diesen modernen Erziehungsmethoden nur, konnte die Folgen der Tragödie nicht mildern.

      Was für ein Sonnabend. Das Mädchen hockte zitternd im heißen Wasser und schrubbte sich unter angstgepeinigtem Umherspähen in Windeseile ab, als über ihr an der Decke ein altersschwacher Methusalem von einem Weberknecht wasserdampfbetäubt den Halt verlor und keine Elle vor Christinas Brust ins Wasser segelte. Als Emmi bei dem Gekreisch herumfuhr und vor Schreck ein Zwetschgenglas aus dem Kellerregal mit dem Eingemachten fegte, kam es gerade zur Katastrophe. Christina sprang in wilder Panik auf, ihr hochschnellender Körper hinterließ im Wasser einen Hohlraum, der augenblicklich eine kräftige Unterströmung auslöste, und als sie stand, pappte der noch zappelnde Weberknecht an ihrem Bauchnabel fest.

      Emmi schüttelte lächelnd den Kopf und drehte den Wasserhahn zu.

      Am Abend vor ihrer Konfirmation war das gewesen. Mein Gott, wie konnte ein kleines Mädchen nur so laut brüllen. Und um sich schlagen. Schließlich musste sie mit einer halben Adumbran zu Bett gebracht werden, und bei dem feierlichen Gottesdienst am nächsten Morgen schlief sie ein und rutschte unter die Kirchenbank.

      Eine Woche später – wie erbittert Hermann und sie sich in diesen Nächten über das Trinken und die unerreichbaren Eckhäuser mit den großen Badezimmern gestritten hatten - da saß Christina wieder in der Wanne, mit zusammengepressten Lippen und diesem seltsamen Blick in den aufgerissenen blauen Kinderaugen, während Emmi - Hermann war wohlweislich in die Dicke Wirtin geflüchtet - mit verschränkten Armen auf der Badematte stand und das Mädchen beaufsichtigte.

      Und am nächsten Tag, dachte Emmi und schloss die Kellertür zum Garten auf, habe ich mir den linken Arm gebrochen, als ich die Treppe hinunterging und auf einen ihrer Rollschuhe trat, der halb verborgen im Schatten der letzten Stufe stand. Und Hermanns ganzer Stolz, seine Streichholztitanic, lag zerquetscht unter dem dicken Weltatlas, der auf unerklärliche Weise aus dem Bücherregal gerutscht war.

      Was ihre Fähigkeit zu konsequentem Handeln betraf, schlug Christina eindeutig dem Rieffenbach’schen Familienzweig nach.

      Emmi schleppte die schwere Gießkanne die Steinstufen der Kellertreppe hinauf. Jenseits der großen, vom Regen hässlich gewordenen Bastmatte - sie trennte die Terrassen der beiden Mittelhäuser voneinander - hörte sie das monotone Schrubben der ollen Taube. Wieder einmal. Seit vierzig Jahren jeden zweiten Tag dasselbe Geräusch. Erst schrubbte sie die Terrasse, dann die Steine des Gartenweges. Energisch und unermüdlich. In Kittelschürze und mit nach hinten gebundenem Kopftuch, die Wangen vor Anstrengung gerötet, die großen grauen Augen mit dem schwarzen Wimpernkranz blitzend vor Genugtuung, der hölzerne Stiel des Schrubbers in festem Griff. Sie schrubbte alltags, an Sonn- und Feiertagen, bei Hitze und Kälte. Selbst nach einem Eisregen im Winter sah man sie gelegentlich auf Socken über die Steine schliddern, einen dampfenden Eimer mit heißem Wasser in den rot gefrorenen Händen. Erst wurde abgetaut, dann geschrubbt

      Die Luft roch nach Seifenlauge und Grillwürstchen. Eine Schwalbe segelte im Tiefflug über Emmis Kopf und ließ sie ärgerlich die Stirn runzeln. Sollte etwa der Wetterfrosch im Radio mit seiner Unkerei doch recht behalten?

      „Unsinn“, wisperte sie energisch, „es wird ein schöner Sommer.“ Und schlich sich auf Zehenspitzen längs der Hecke zum Steingarten. Nur keine schrubbende Nachbarin wecken.

      Heute konnte sie darüber lachen, wenn sie an Hermann und seine erste Begegnung mit Ilse Taube zurückdachte, aber damals? Eine neuerliche Bestätigung seiner schwerenöterlichen Veranlagung. Seiner Bereitschaft, sie für jeden flatternden Frauenrock beiseitezuschieben, was er auch buchstäblich tat, als er Ilse Taube erblickte, obgleich sie keinen flatternden Rock trug, sondern lediglich eine geblümte ärmellose Kittelschürze. Ein göttlicher Anblick. Eine kittelbeschürzte Aphrodite mit schulterlangen schwarzen Haaren, einem hellen Teint, großen grauen Augen, von dichten schwarzen Wimpern gerahmt und hohen Wangenknochen, die sich erwartungsvoll röteten. Rosenrot stieg zu Hermann aus dem Märchenbuch herab, und Hermann schmolz wie ein Schneemann auf einer Sonnenbank.

      Dass vom Eckgrundstück auf der anderen Seite eine spatenbewaffnete, busenwogende Walküre mit tizianroter Lockenpracht über frisch aufgeworfene Erdschollen herüberstapfte, bekam er in seiner Verzückung überhaupt nicht mit. Die Blendung der nymphenhaften Elfe mit dem poetischen Namen Ilse Taube überstrahlte alles. Ilsekind, wie ihr Mann sie rief. Oder Täubchen. Was für ein peinlicher, entwürdigender Augenblick. Hermanns Gestalt wuchs, seine Muskeln strafften sich, er zog den Bauch ein und drückte die Brust heraus, und Emmi konnte sich noch genau daran erinnern, sich just in dem Moment, als die kittelbeschürzte Aphrodite auf langen schlanken und nackten Beinen über die schmale Grenzrinne der brachen Grundstücke sprang und mit ausgestreckter Hand auf Hermann zuschwebte, sich unwillkürlich nach dem Fleischmesser auf dem Terrassentisch umgesehen zu haben. Überflüssigerweise, wie sich gleich darauf herausstellte, denn Hermanns Ego erschütterte nur Momente später ein Schock, der ihn zeit seines Lebens ungläubig den Kopf schütteln ließ.

      Rosenrot blieb stehen, ihre zarten Finger verschwanden in Hermanns rauer Pranke, das wohlgeformte Näschen kräuselte sich, sie öffnete die rosigen, fein geschwungenen Lippen und krähte mit durchdringender Kastratenstimme: „Siiiieee, is’ das man die Schubkarre von Sie, die mein Jochen, der wo mein Männeken is’, in die

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