Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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Flintenkugel getroffen zusammen, seine Augen weiteten sich in maßloser Verblüffung, sein Brustkorb sank ein, die Schultern sackten nach vorn, und ein grämlicher Ausdruck bohrte sich in seine Mundwinkel. Ach Gottchen, wie schadenfroh sie damals feixte nach der ersten Verwirrung. Viel zu früh und viel zu unbedarft. Das war’s dann wohl, mein Lieber, flüsterte sie bereits, während doch das Drama erst seinen Anfang nahm. Nicht Ilse Taube sollte ihr den Hermann wegnehmen, sondern die rothaarige Walküre, die ihm wenig später von hinten auf die Schulter tippte, mit grünen Augen anblitzte, in denen goldene Lichter vielversprechend funkelten, und mit einem warmen, etwas heiseren Alt sagte: „Mein Name ist Lola Woitzack und wir sollten einmal auf gute Nachbarschaft anstoßen, Herr Nichterlein.“ Und Hermann versank zum zweiten Mal an diesem Morgen – und zwar für die Dauer von siebenundzwanzig langen Jahren - zwischen wogendem Busen und kräftigen Schenkeln. Bis zum Vorabend des Tages, an dem ihn das Beerdigungsunternehmen Heimkehr in den Sarg nagelte, ihren Hermann und seine vom Anstoßen versteinerte Leber.

      Diese Schlampe! Emmi spähte in den verwilderten Woitzack’schen Garten und verzog das Gesicht. Innen pfui und außen pfui. Bah!

      Doch gleich darauf lächelte sie wieder zufrieden. Wie immer, wenn sie ihren Steingarten betrachtete. Schön sah er aus im Sommer. Die blauen Glockenblumen wiegten sich im Wind, die Hornveilchen, weiß, gelb und lila, wuchsen bunt durcheinander, der Goldflachs strahlte mit der Sonne um die Wette, der Thymian duftete gegen Seifenlauge und Grillwürstchen an, und die Nachtkerzen hatte der Sturm geplättet. Zwei dicke Hummeln rauften sich um die Stachelnüsschen, der Zitronenfalter auf dem Storchschnabel klatschte mit den Flügeln behäbigen Beifall, und über dem kleinen Teich am Fuße des Steingartens, einer eingebuddelten, zerbeulten Zinkwanne, schwebte majestätisch eine bunt schillernde Libelle.

      Sie atmete tief durch und hangelte sich dann mit der schweren Gießkanne von Trittstein zu Trittstein. Und plötzlich schoss ihr die verrückte Idee durch den Kopf, auf Hermanns Grab einen zweiten kleinen Steingarten anzulegen, und bei der Vorstellung an sein empörtes Knochenklappern prustete sie laut los. Ein schwerwiegender Fehler, denn die Schrubbgeräusche auf Nachbars Terrasse endeten abrupt, und Emmi biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. Natürlich, man konnte schleichen, wie man wollte, die olle Taube hörte alles. Und das, obgleich sie immer klagte, sie litte unter einem schrecklichen Tinnitus in beiden Ohren und höre rein gar nichts mehr! Emmi schüttelte wütend den Kopf. Sie wusste, was ein Tinnitus war und wenn die Taube wieder mit ihrem eingebildeten anfing, würde sie ihr diesmal ganz bestimmt ein paar Takte dazu sagen. Alte Hexe, die!

      Eilige Schritte näherten sich, dann knarrte die Kiste, welche die olle Taube seit zwei oder drei Jahren brauchte, um über die Ligusterhecke sehen zu können. Obgleich die Hecke in all der Zeit immer auf die gleiche Höhe zurückgestutzt wurde - mit angelegter Messlatte - standen die Nachbarinnen eines Tages in ihren Gärten und stellten verblüfft fest, sich nicht mehr in die Augen sehen zu können. Es lag an dem vermaledeiten Rückwärtswachstum. Irgendwie schrumpfte der Körper mit zunehmendem Alter. Eine Zeit lang unterhielten sie sich noch von Haarschopf zu Haarschopf, bis auch diese hinter dem grünen Blättergewirr entschwanden, und gerade, als Emmi sich, nach dem Verstummen jeglicher Heckengespräche und damit auch der Taubeschen Seitenhiebe, dieses erfreulichen Aspektes ihres Rückwärtswachstums bewusst wurde, kramte die erfindungsreiche Taube einfach nach einer Kiste.

      Füße schabten auf Holz, Emmis Nackenmuskulatur spannte sich, und die Kopfhaut begann erwartungsvoll zu kribbeln. Gleich würde die Nachbarin sie ansprechen. Egal, womit sie sich beschäftigte, ob sie Zeitung las, im Liegestuhl auf der Terrasse schlummerte oder Kaffeegäste bewirtete, die olle Taube krähte ungeniert dazwischen. Wahrscheinlich würde sie nicht einmal den Mund halten, wenn sie, Emmi, auf der Wäscheleine einen Stepptanz probierte. Sie zwang einem die Unterhaltung auf, wie eine Mutter ihrem brüllenden Sprössling im eisigen Winter die Pudelmütze aufzwingt. Es gab kein Entrinnen. Nichts half. Kein Abwenden, keine plötzlichen Hustenanfälle oder gekonnte Stakkatonieser, kein heiseres Krächzen und stumm mit dem Finger auf den gebrochenen Kehlkopf zeigen. Höchstens tot umfallen, obgleich ihr bestimmt auch dazu noch das eine oder andere einfiele. Die Taube begann zu krähen, wann sie wollte, krähte, solange sie wollte, und hörte ebenso abrupt wieder auf, wenn sie des Krähens müde wurde.

      Ein lautes Räuspern ertönte. Emmi ignorierte es und bückte sich, um einen Grashalm aus dem Ehrenpreis zu zupfen. Wie lange mochte es wohl gedauert haben, bis die Evolution in der Taubeschen Ahnenreihe diejenigen Sprachgene ausgemerzt hatte, die weniger als zehn Worte pro Sekunde hervorbrachten und weniger als drei Seitenhiebe pro Rede. Meist blieb nur, den ungehemmten Wortschwall der ollen Taube stumm über sich ergehen zu lassen, die hinterhältig ausgelegten Fußangeln zu extrahieren und, wenn einem, was eher selten war, eigene Redezeit vergönnt war, gebührend zu kontern.

      Hermann hatte immer mit unwilliger Bewunderung gebrummelt: „Wenn die mal stirbt, muss man ihr das Maul noch extra totschlagen!“ Und nun lag Hermann auf dem Friedhof, und die olle Taube quasselte ungerührt weiter. Wen sie in Grund und Boden schwatzte, schien ihr egal; Müllmann oder Generaldirektor, niemand blieb verschont. Die Lehmann’sche von gegenüber behauptete sogar, sie ab und an auf den Stachelbeerbusch einreden zu hören.

      Zu allem Überfluss verfügte die Taube über ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das sie jederzeit und in wohldosierten Häppchen abrufen konnte. Sie wusste, wer mit wem, wann, warum und wie lange, wieso Brunners Enkel nicht zu Ostern aber Meiers Tochter zu Weihnachten kam, warum Anskar Blum zum Geburtstag von seiner Großmutter eine Ohrfeige erhielt und was er daraufhin seinen Eltern schrieb und an welchen Zaunpfählen Rosenstocks Dackel Dreizehn bevorzugt sein krummes Bein hob.

      Sie wollen etwas über Emmi Nichterlein, geborene Rieffenbach, wissen? Aber gern doch:

      In Koppstedt geboren. Vater Ludwig Rieffenbach, Holzfabrikbesitzer, Mutter Charlotte, Ehemann Hermann, Suffkopp und verstorben, Kinder David, (50 Jahre), Stefan (48), Julia (43) und Christina (31); Enkel: Raoul (13), Magdalena (11), Roberto (5) und Friederike (9 Monate). Zu welchem Thema darf ich Ihnen nähere Informationen präsentieren? Gewicht, Schuhgröße, Liebschaften?

       O nein Sie, dem ihr Oller trug man nur die gute Unterwäsche von Schiesser, als ob die’s so dicke hätten!

      Emmi blieb gebückt, während sich das Kribbeln von der Kopfhaut nun auch die Wirbelsäule hinuntertastete, und zupfte einen verirrten Erdrauch aus dem Steinbrechpolster. Lautlos begann sie zu zählen: eins – zwei – drei …

      „Morgen Frau Nichterlein!“, krähte die Taube in einer Lautstärke, das ein weiteres Ignorieren unmöglich machte.

      Sie richtete sich ächzend auf, und während ihre Füße auf dem schmalen Trittstein umeinander herumtapsten, zwang sie ein unverbindliches Lächeln in die Mundwinkel.

      „Morgen Frau Taube.“

      Der Startschuss war gefallen, das Rennen begann.

      „Was für ‘ne hübsche Bluse Sie da anhaben, Frau Nichterlein. Na ja, manchen steht ja grün nich’, die meisten sehen so ausgespuckt aus, wissen Sie, aber das kommt wohl auch auf den Farbton an. Frau Lemke ihre Tochter, die hat auch so eine grüne. Die Schwester von der, die Sophie, Sie wissen schon, das is’ die, wo immer so verquollen aussieht – also mein Jochen hat ja immer gesagt, das is ’n Luder und die säuft auch – aber egal, jedenfalls hat die gesagt, ihre Schwester hat sich auch so eine gekauft. Bei Charme & Anmut für 19.90 Euro. Genau die, wo Sie da anhaben. Wissen Sie, alles konnten die im Sommerschlussverkauf ja auch nich’ loswerden, ein paar Ladenhüter bleiben immer liegen. Also die steht Sie wirklich gut, wenn sie auch ein büschen blass macht. – Überhaupt, Sie haben sich ja heute Morgen so hübsch gemacht, mit die Cremes und das alles. So kenn’ ich Sie ja gar nich’. Kommen die Kinder endlich mal wieder zu Besuch? Ne? Na, macht auch nichts, wer nich’ will, der hat schon. Also mein Thomas, Sie wissen schon, der wo mein Ältester is’, wenn der mit die Lütten sonntags zum Mittagessen

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