Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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gut hieß, kam ihr der aufgestellte Plan - Raouls schickte für einen Hunderter eine Kopie des Originals - etwas spärlich besetzt vor, und so hockte sie sich an den Esszimmertisch und erweiterte ihn nach eigenen Bedürfnissen. Zwischen Weihnachten (Christina) und Ostern (David) zitierte sie Mitte Februar Julia nach Koppstedt, um sich von ihr bei einer Frauensache beraten zu lassen, eine Formulierung, die Julias Neugierde weckte - und wieder einschlafen ließ, als sich bei ihrem übereilten Kommen die Frauensache lediglich als Beratung beim Einkauf diverser Schminkutensilien herausstellte. Die Spanne zwischen Ostern (David) und Pfingsten (Julia) war ausreichend kurz und benötigte keine Abänderung des ursprünglichen Plans. Aber zwischen Pfingsten (Julia) und August (Christina stand am ersten Wochenende auf dem kopierten Plan) bestellte sie David zum Aufhängen der neuen Stores. Und nach Christina Anfang August und vor Davids turnusmäßigem Erscheinen zu ihrem Geburtstag im November würde sie erneut Julia bemühen müssen. Aus welchem Grund auch immer, seit Uronkel Heinrich war die Rieffenbach’sche Fantasie in Familienkreisen berüchtigt, und das Jahr konnte mit Christinas Erscheinen zu Weihnachten zu ihrer Zufriedenheit ausklingen.

      Rupert und Alice, Schwiegersohn und Schwiegertochter, standen nicht auf dem Plan und mussten als Angeheiratete ohnehin nur zu Nullergeburtstagen oder Beerdigungen erscheinen, eine Tradition, die Emmi nach Kräften unterstützte, weil sie beide nicht mochte. Rupert war in ihren Augen ein dümmlicher Möchtegern-Bauer, mit dem sich ohnehin nichts anzufangen ließ, und Alice eine arrogante Zicke, die sich in allem besser dünkte als der Rest der Welt. Seit ihrem Geburtstag herrschte sowieso Funkstille. Grundgütiger, was war sie damals auch so naiv gewesen, sich von diesem ganzen Siebzigerjahre-Trara derart mitreißen zu lassen. Eine Familienfeier im großen Stil, so wie im Fernsehen, mit Sekt und einem Festessen und sie als strahlender Mittelpunkt einer großen glücklichen Familie. Was für ein Schmarren!

      Es fing schon damit an, dass die Kinder im Vorfeld auf ihre Anregung sehr verhalten reagierten und ihr versuchsweise die persönlichen Opfer andeuteten, die sie ihr Kommen kosten würde. David musste seiner beleidigten Schwiegermutter absagen, Christina ihr Meditationswochenende in der Eifel und Julia und Rupert einen Aushilfs-Kuhmelker einarbeiten. Raoul schrieb später, in diesem Jahr sei der Rotationsplan etwas konfus ausgefallen, und ihr Geburtstagstermin sei versehentlich in den Januar gerutscht, was bei allen große Bestürzung ausgelöst habe. Aber nachdem sie so drängte und einmal, wie peinlich, beinahe sogar in Tränen ausbrach (die Kinder der ollen Taube hatten kurz zuvor deren Siebzigsten im Koppstedter Grand-Hotel ausrichten lassen!), da blieb ihren eigenen Sprösslingen natürlich keine Wahl mehr, als wenigstens zu erscheinen. Es war auch nicht so gewesen, dass sie sich nicht wirklich bemühten, sich in ihrer unterdrückten Gereiztheit nicht gegenseitig die Haare auszureißen. Sie kamen, lachten laut und nervös, standen sich und anderen im Weg herum, und die Enkel tobten ungezügelt durchs ganze Haus.

      Erst als der vom Partyservice gelieferte Rollbraten nebst Leipziger Allerlei am Abend verzehrt war, der erste Sektkorken knallte und die große Bowle im Wohnzimmer auf dem Tisch stand, da entwickelte sich tatsächlich bis zu einem gewissen Grade eine angeheiterte Geselligkeit wie unter normalen Menschen ohne hemmende Verwandtschaftsgrade. Bis Alice, diese Etepetete in klappernden Stöckelschuhen, plötzlich den Geburtstag gründlich verdarb. Sie vertrug einfach einen Alkohol.

      Emmi schüttelte verärgert den Kopf. Warum hörte dieser Junge auch nie auf sie? Dabei stand doch schon vor seiner Hochzeit klipp und klar fest, wie wenig er und seine Zukünftige zusammenpassten und was für einen schrecklichen Fehlgriff er zu ehelichen gedachte. Aber nein, David schmollte nur wieder, als sie ihn vorsichtig darauf hinwies, und sprach wochenlang kein einziges Wort mehr mit ihr. Und bei der Hochzeitsfeier brach Alices Mutter in Tränen aus, nur weil sie, Emmi, glaubte, in ihr eine Frau mit gesundem Menschenverstand gefunden zu haben, die der Lächerlichkeit dieser Verbindung offenen Auges gegenüberstand.

      Obgleich es an ihrem Geburtstag eigentlich Julias Rupert war, der die Lawine auslöste. Ganz plötzlich schweifte er von Tinnitus und Prolaps ab und ließ sich über Reizwäsche aus. Vielleicht lag es ja daran, dass man von einem Maurer, der sich als Bauer versuchte, nichts anderes erwarten konnte, aber dass Julia, Alice und selbst Christina dann anfingen, sich gegenseitig zu überbieten und vor den offenmündigen Kindern mit BH-Größen, geschlitzten Slipzwickeln und was sonst noch für Schweinereien prahlten, hatte sie doch sehr verärgert. Kein Wunder, dass Alice mit einem Mal verschwand, wieder auftauchte und in einem rosa Flatternegligé durchs Zimmer tanzte - wie ein Schluckspecht hatte sie den ganzen Abend lang ihren Schnabel in die Bowle getaucht! Und natürlich wollte sie mal wieder alle anderen ausstechen.

      Und dann erst David. Für eine Mutter wirklich beschämend zu sehen, wie sehr sich der Junge zum Narren machte. Musste er wie ein Springteufel mit hochrotem Kopf aufspringen und seine kreischende Frau quer durchs Zimmer jagen? Hätte eine einfache Ohrfeige nicht ausgereicht? Ein wenig mehr zupackende Vernunft und der albernen Göre wäre keine Zeit mehr geblieben zu stolpern und auf Ruperts Schoss zu landen. Was für ein Kuddelmuddel!

      Rupert packte beherzt zu, Alice kreischte lauter, David brüllte vor Wut und zerrte an ihr, Rupert brüllte vor Lachen und hielt fest, Julia ging fauchend dazwischen, Magdalena und Raoul stießen im allgemeinen Getümmel das Goldfischglas um, was ihnen die erste mütterliche Ohrfeige ihres Lebens einbrachte und dem Goldfisch ein frühes Ende, weil er irgendwie unter die Füße kam. Roberto flüchtete sich auf Christinas Schoss und nuckelte verschreckt am Daumen, und das Baby wachte auf und begann zu schreien. Zwei Häuser weiter klopfte sogar der kleine Erwin Sauerbach verschreckt gegen die Wand und flüsterte: „Ruhe bitte!“ Im hinteren Reihenhaus erhellten sich die Fenster, eins nach dem anderen, das grimmige Gesicht des alten Brunner schob sich aus der Dachluke, und bei Nichterleins nahm der Siebzigste bedrohliche Formen an.

      Während Alice und Julia im Chor mit den Enkeln heulten, schubsten sich David und Rupert durchs Wohnzimmer wie zwei brunftige Elche und drohten sich Unflätigkeiten an, bis David rücklings über eine umgeschlagene Teppichecke stolperte und sich das Steißbein anknackste. Dies war sonderbarerweise für beide das Zeichen, sich die Hände zu reichen. Rupert zum Aufhelfen, David zum Hochziehen und beide zur Versöhnung.

      Und während all des Chaos saß Christina mit Roberto auf dem Schoss in ihrer Sofaecke, mit geschlossenen Augen offensichtlich fernöstliche Buddhas anrufend, und murmelte ein ums andere Mal: „Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Wirklich, ich weiß gar nicht, was ihr habt.

      Wessen dumme Idee war es nur gewesen, ihren Siebzigsten groß feiern zu wollen?

      Morgens um halb vier trat dann endlich Ruhe ein, und während sich der Rest der Familie auf die übrigen Zimmer verteilte, schleppte Emmi die alte Gartenliege aus dem Keller ins Esszimmer, stopfte zwei Decken in einen Bezug, ein Sofakissen unter ihren berstenden Schädel, wedelte den Zigarettenqualm vom Gesicht und dachte: Nie wieder!

      „Nie wieder!“, wiederholte sie energisch und kroch auf der Suche nach einer vermissten Ravioli unter den Tisch.

      Der nächste Morgen war ein Sonntag gewesen. Ein makellos blauer Vorwinterhimmel wölbte sich über einer frühen Neuschneedecke, die in Myriaden von Kristallen in der Sonne funkelte. Alice hing würgend über der Kloschüssel und flehte die Götter um einen schnellen Tod an, was David böse murmelnd befürwortete, Julia und Rupert sahen am Frühstückstisch demonstrativ aneinander vorbei, Magdalena und Raoul zielten unter dem Tisch nach diversen Schienbeinen, Roberto war nächtlings gegen ein Tischbein gelaufen und sah noch ganz benommen aus unter der dicken Stirnbeule, und das Baby verweigerte die Mutterbrust. An Christina dachte man erst, als das Frühstück bereits vorbei war. Sie hatte sich – der Himmel mochte wissen, warum – in der hinteren Dachkammer eingeschlossen und dabei versehentlich den Schlüssel abgebrochen.

      Kinder!, dachte Emmi kopfschüttelnd und trug das Geschirr zur Spüle. „An meinem Achtzigsten fahre ich auf eine unbewohnte Hallig!“

      Und dann ganz plötzlich hatte sich der Frust aller gegen sie gerichtet. Nur, weil sie sagte, damals, im Krieg, da habe man in den Luftschutzkellern

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