Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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immer noch auf der Suche nach dem tieferen Sinn seines Lebens sein, so wie sich Christina ausdrückte. Sie, Emmi, war mit dreißig schon verheiratet und zweifache Mutter gewesen, und so sollte es auch sein, Doktortitel hin oder her. Stattdessen ließ sich Christina die Tarotkarten legen, schwang das Pendel und traf sich einmal im Monat zum Tischerücken mit irgendwelchen mystischen Okkultisten. Eines Tages goss sie sicherlich noch bei Vollmond auf einem Friedhof Silberkugeln oder schwenkte eine tote schwarze Katze im Kreis.

      Was ihr fehlt ist ein Mann“, murmelte Emmi und schnitt sich am Kartoffelschälmesser. Sie hätte damals diesen Udo heiraten sollen, diesen ... diesen komischen Trottel, der offensichtlich seinen Stimmbruch verschlafen hatte. Aber immerhin war er ein reicher Trottel gewesen und mit fünfunddreißig schon Professor. Und was machte das Mädel? Sie teilte ihm aus heiterem Himmel mit, er strahle eine krankhafte Aura aus und jagte ihn damit in die Flucht! Hatte er nicht kurze Zeit später die Tochter eines Rossschlächters geheiratet?

      Draußen jaulte Dackel Dreizehn kurz aber empört, und die energische Stimme der kahlköpfigen Blum tönte grimmig: „Lass das, Anskar oder es setzt was!“

      Was wohl die olle Taube sagte, wenn sie ihr erzählte, es gebe jetzt eine waschechte Doktorin in der Familie? Und wie lange würde sie wohl brauchen, um weiterzutratschen, Christina stecke in einer Zwangsjacke in der Psychiatrie und habe Schaum vor dem Mund. Pschüchiatrie würde sie sicherlich sagen, aber verstehen täten es die Leute der Siedlung trotzdem.

      Mütterlicher Neid umwölkte ihre Stirn und ließ sie die Unterlippe vorschieben. Wie kam es eigentlich, dass sich ihre Kinder so sonderbar benahmen, während ausgerechnet die beiden der ollen Taube, Thomas und Susanne, doch fast normal waren? Die Susi hatte es fein getroffen mit ihrem Krabbenkutterkapitän oben an der Nordsee, bewohnte ein schmuckes Häuschen und vermietete teure Ferienwohnungen an krabbenhungrige Feriengäste. Sie erstarrte weder zu Bronze noch träumte sie von der Zeugung einer Fußballmannschaft. Und Thomas arbeitete als Beamter in der Koppstedter Stadtverwaltung, zwar nur auf der unteren Verwaltungsebene und bestimmt schlechter bezahlt als David, dafür streichelte er im Ehebett mit Sicherheit keinen Gummiknüppel, sondern seine Polnische, mochte sich die olle Taube auch noch so giften. Außerdem schmollte er nicht, wenn er seine Mutsch besuchte, im Gegenteil, er kam sogar freiwillig, und der Schmatz, den er ihr zur Begrüßung auf die Wange knallte, scheuchte die Vögel im ganzen Birkenpfuhl auf. Ein sonniges Kerlchen, wenn auch vielleicht etwas zu klein geraten mit seinen ein Meter fünfzig. Die Lehmann’sche sagte, sie habe ihn neulich auf der Terrasse bei seiner Mutter auf dem Schoss sitzen sehen, aber der Lehmann’schen konnte man nicht trauen, die Demenz machte ihr zu schaffen.

      Auf jeden Fall war Thomas kein Miesepeter wie David, der bereits seit seiner Geburt die Welt anschmollte. Zusammengepresste Lippen unter vorwurfsvollen Augen und einer nervös zuckenden Nasenspitze. Schon im Kinderbettchen verzog er schmollend das Gesicht, wenn sich Hermann in väterlichem Stolz über ihn beugte und mit den Ohren wackelte. Und so blieb es auch. David schmollte sich durch den Kindergarten, die Schule, den Bund, seine Ausbildungszeit und den Beruf, und dereinst würde er schmollend im Sarg liegen und vielleicht bis in alle Ewigkeit als schmollender Geist mit verschränkten Armen auf seinem Grabstein hocken.

      Koppstedt mochte in seiner siebenhundertfünfzigjährigen Stadtgeschichte auf eine stolze Reihe Süchtiger zurückblicken, einen Schmollsüchtigen wie David hatte es mit Sicherheit noch nicht gegeben, davon war Emmi überzeugt. Und wenn er an seiner Umgebung nichts mehr zu schmollen fand, dann schmollte er über seinen Namen. Emmi fühlte sich immer wieder bemüßigt, ihm zu versichern, dass David nicht ihre Idee gewesen sei - sie war natürlich für Cord oder allenfalls noch Hubertus -, sondern der Wunsch seines Vaters zum Gedenken an seinen Freund David Eisenstein, der in Treblinka umkam. Aber das wusste David natürlich längst, ebenso wie er wusste, dass eigentlich Tante Mathilde und ihr Bibelspleen die Schuld an seinem Namenshass trugen.

      „Mathilde, das Walross“, sagte Emmi versunken und angelte im heißen Wasser nach der Gabel. Ob sie wohl noch lebte, da oben in ihrem Kloster in der Schweiz? Wie hieß das doch noch gleich? Ürzi ...? Ürzel ...?

      Als David zwei oder drei war, hatte sie schon zwei Zentner gewogen, und ihre fleischigen Arme drückten alles auf ihre wuchtigen Oberschenkel, was irgendwie nach Kind aussah. Außer ihren Eigenen vor allem aber David, und er hasste Tante Mathilde mit der ganzen Inbrunst seine Kinderseele. Er würgte beinahe, wenn sie ihn zwischen ihre gewaltigen Brüste presste und all die schrecklichen Davidgeschichten aus der Bibel erzählte. Hochreligiös war sie gewesen, die Mathilde und ein Fluch für jedes Kind mit biblischem Namen. Ihre eigenen zehn wurden in alphabetischer Reihenfolge nach den Aposteln benannt, fädelten Rosenkränze auf, wie andere Kinder ihres Alters bunte Glasperlen und mussten sich ständig bekreuzigen, weil in jeder Zimmerecke ein hölzerner Jesus hing. Sogar im Bad hing einer.

      Üzlir ...?

      Emmi ging mit tropfenden Handschuhen und ärgerlich gefurchter Stirn quer durchs Zimmer und drehte die verblichene Postkarte um, die seit zehn Jahren an der Pinnwand hing. Richtig. Das Kloster Ürzlicastel der Unbeschuhten Karmelitinnen. Wenn Julia nicht bald aufhörte, Kinder in die Welt zu setzen, würde sie eines Tages auch in ein Kloster flüchten müssen.

      Jedenfalls war es Mathildens Schuld, wenn David lernte, seinen Namen zu hassen. Sie ließ keine Geschichte aus. David, der Goliath mit einer Schleuder zu Fall bringt. David, der König Saul für die Hand seiner Tochter Michal hundert Vorhäute der Philister bringen soll und zweihundert erbeutet, eine Geschichte, bei der er die Beine zusammenkniff, nachdem Hermann ihm in einem geheimen Vater-Sohn-Gespräch gewisse Verständnisfragen beantwortet hatte. David, der Wankelmütige im Dienst der Philister, David als König von Juda. David, der im kurzen Rock vor der Bundeslade tanzt und Harfe spielt und David, den sein eigener Sohn Absalom zu stürzen versucht. Und dabei wiegte Mathilde ihren Lieblingsneffen zwischen Schenkel und Brüsten, und Klein-David bekam nasse Hosen vor Angst.

      Ob er deshalb keine eigenen Kinder haben wollte? Fürchtete er, Tante Mathilde könnte plötzlich Ürzlicastel und den Schweizer Bergen entkommen und sich seine eigenen Kinder zwischen Busen und Schenkel klemmen? Packte ihn die Angst, einen zweiten Absalom zu zeugen? Oder war seine Alice, diese Etepetete, am Ende gar unfruchtbar? Ob Raoul wohl etwas darüber in Erfahrung bringen konnte?

      Mit sechs Jahren jedenfalls saß David eines Tages tränenüberströmt in seinem Zimmer und hielt ein brennendes Streichholz an ein Kinderbuch. David das Igelkind. Und mit David dem Igelkind wären beinahe auch David, der Schmoller und die ganze Nichterlein’sche Wohnung abgebrannt. Ein Jahr später verschwanden unter mysteriösen Umständen beide Hausbibeln, was Hermann, als Weihnachts- und Osterkatholiken, lediglich ein Schulterzucken und ein breites Grinsen abrang. Tante Mathilde konnte es ohnehin nicht von ihren Geschichten abhalten, sie kannte alle auswendig.

      Die Bibeln verschwanden etwa zu der Zeit, als David in die Schule kam und entsetzt feststellen musste, dass Tante Mathildens Davidgeschichten mittlerweile ganz Koppstedt erobert hatten. Die Erstklässler erwiesen sich daher in diesem Jahr als besonders bibelfest, was den Religionslehrer, der einmal die Woche aus Göttingen anreiste, ernstlich verblüffte, und David ein Bündel packen ließ, um Tante Mathilde, den frotzelnden Mitschülern und allen anderen Philistern zu entkommen. Er schaffte es bis ins Nachbardorf Kleinheim. Dort wurde er vom Briefträger aufgegriffen und in Koppstedt wieder zugestellt.

      Hermann hatte ihm nur das Bündel aus der Hand genommen und ihn ein klein wenig gebeutelt, und Emmi begrub stillschweigend ihre Angstfantasien von durchs Leinetal ziehenden, kinderraubenden Zigeunern.

      Armer Junge. Aber wenigstens wusste er damals noch nichts von Fräulein Matthies, die in der dritten Klasse seine Musiklehrerin werden sollte. Sie lebte ja nun auch schon lange nicht mehr, die alte Matthies mit ihrem Pferdegesicht und den blauen Babyaugen. Im Krieg war sie HJ-Scharführerin gewesen, bei den Braunen Knilchen in Kreuzstadt, und nach dem Krieg verschlug es sie, warum auch immer, als Lehrerin in die Stadt. Sie unterrichtete die

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