Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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sei dahingestellt. Jedenfalls blieb ihr das Gemunkel in der falschen Kehle stecken, und sie trichterte der Klasse im ersten Halbjahr die israelische Nationalhymne ein: Solange im Herzen darinnen, ein jüdisches Fühlen noch taut ... Und weil es so schön war gleich noch einmal auf hebräisch: Kol od balewaw penima, nefesch jehudi homija ... Ihre kühnsten Fantasien aber gipfelten darin, David als Vorsänger mit glockenheller Stimme vor den disharmonischen Chor zu platzieren. Bis sie feststellte, dass er dem Rieffenbach’schen Familienzweig nachschlug und wie ein Rabe krächzte. Also musste er das Lehrerpult erklimmen, mit dem Gesicht zur Klasse stehen und beidhändig mit Bambusstöcken herumfuchteln.

      Hermann brüllte vor Lachen als ihm David verdattert eine Eins im Zeugnis präsentierte.

      Seine Heiterkeit hielt an, bis Fräulein Matthies eines Tages seinen Sohn in der Pause beiseite nahm und sich nach den häuslichen Ausübungen seiner Religion erkundigte. Ob seine Familie orthodox sei, mit zwei Besteckschubladen und diesen Gebetsriemen und all dem, na er wisse schon, was sie meine, und als er immer noch ratlos die Achseln zuckte, zischelte sie ihm ins Ohr, ob man ihm nicht als Baby irgendwas da unten weggeschnitten habe, was andere kleine Jungs noch hätten. Komm schon, David, sag’s dem Fräulein ...

      Hermanns Grinsen erlosch, er rasierte sich, gurgelte mit Odol, nahm David an die Hand und brüllte die Lehrerin im Lehrerzimmer vor versammeltem Kollegium zusammen. Im nächsten Halbjahr sang die Klasse die amerikanische Nationalhymne und Erwin Wegener durfte dirigieren und sich in die rachitische Brust werfen. David bekam eine vier im Zeugnis.

      Obgleich mit dieser Episode, einmal abgesehen von der Pubertät, als seine flachsenden Freunde die Vorhautgeschichte wieder aufleben ließen, sein Golgatha hinter ihm lag, flüchtete er sich mit achtzehn zum Bund und ließ sich auf zehn Jahre verpflichten. Seltsamerweise fiel es ihm nie ein, sich bei seinem zweiten Namen Rainer rufen zu lassen. David zu heißen schien ihm unabänderliches Schicksal zu sein – trotz seines Atheismus gottgewollt - und ein fester Pfeiler, wenn nicht gar das Fundament seines geliebten Schmollens.

      Und die einzige Gelegenheit, seinem Namen ein modernes Ausspracheoutfit zu verleihen, verpatzte er an seinem fünfzehnten Geburtstag. Billy, ein Alliiertenkind aus England, mit seinen Eltern gerade in die Besatzungsreihenhäuser oben am Ribbenkopp eingezogen, rief ihn Dävid. Und der unfreiwillig Anglisierte ließ es sich eine Weile gefallen, das schmale Gesicht aber wurde immer angespannter, und plötzlich fuhr er herum und brüllte Billy an: „Ich heiße Daaavid, du Hornochse.“

      So ein Dussel, dachte Emmi, schäumte mit dem Schwamm das Spülbecken ein, brauste den Schaum ab und polierte den Edelstahl mit dem karierten Geschirrtuch.

      „Meister Proper putzt so glänzend, dass man sich drin spiegeln kann“, sang sie gedankenverloren.

      Der tiefe Teller mit dem Goldrand und das gläserne Kompottschälchen kamen in den Hängeschrank über der Spüle, der Topf in den Schrank darunter, und Kelle und Löffel in die Schublade. Fertig! Ravioli mit eingemachten Stachelbeeren brauchten nicht viel Geschirr. Rouladen mit Mandelbrokkoli, Kroketten, Sahnesoße und Zitronenschaumcreme schon eher, aber als David kam, war das Geschirr, dass sie zur Vorbereitung brauchte, bereits wieder abgewaschen und während er die Stores oben im Wohnzimmer aufhängte, musste sie nur noch die Rouladen und die Brokkoli aufwärmen, die Soße anrühren und darauf warten, bis sich die Kroketten auf dem Backofenblech goldbraun färbten. Die Zitronenschaumcreme stand fix und fertig im Kühlschrank. Die geschlagene Sahne ebenfalls.

      Angesichts des festlich gedeckten Tisches – mit Platzdeckchen und Servietten und dem schäumenden Bierglas neben seinem Teller – und vor allem angesichts der großen dunklen Rouladen, deren Bratenduft jeden Winkel des Hauses durchstreifte, angesichts all dessen taute die oberste Firnis von Davids Schmollen tatsächlich an, und einmal lächelten sie sich über die Teller hinweg sogar zu. Nur seine Augen schimmerten weiterhin vorwurfsvoll.

      Mein Gott, wie hatte sie nur die Empfindlichkeit des Jungen vergessen können!

      Emmi ging kopfschüttelnd durchs Esszimmer, trat auf die Terrasse hinaus und ließ sich einen Moment lang mit geschlossenen Augen von der Julisonne aufwärmen. Immer noch huschten sturmzerzauste Wolken über den Himmel, und eine schwarz maskierte Elster humpelte mit begehrlichen Blicken und einem abgeknickten Bein beutehungrig die Erdbeerbüsche entlang.

      „Ksch!“, machte sie, und die Elster hüpfte beidbeinig und in doppelter Geschwindigkeit zurück.

      Eine schwüle Hitze lastete über der Siedlung Am Birkenpfuhl, die Sonne stach mit tausend Speeren, und die Quecksilbersäule des Außenthermometers an der Hauswand war auf 24 Grad Celsius geklettert. Durch die brütende Stille klang aus einiger Entfernung das leise Kreischen einer Motorsäge herüber, die sich offensichtlich durch einen vom Sturm gefällten Baumstamm fraß. Wie es jetzt wohl oben am Ribbenkopp und in den Kleingärten unterhalb des Waldes aussah? Wenn sie morgen Hermann begoss, könnte sie eigentlich gleich vorbeifahren und in den Gärten nach dem rechten sehen. Sie verzog unwillig das Gesicht und klammerte das Geschirrtuch an die Wäscheleine zwischen Hauswand und Birnbaumtorso.

      Wieso der Junge aber auch immer noch, mit fünfzig Jahren und bei seinem Beruf, so empfindlich reagierte? Natürlich passten Rouladen und BSE nicht zusammen, aber wenn David sich nicht gleich wieder so überheblich und besserwisserisch über die übertriebene Berichterstattung der Medien geäußert hätte, dann wäre es ihr doch nie in den Sinn gekommen, ihm in allen Einzelheiten zu schildern, wie das gewesen war im Fernsehen mit den hilflos herumtorkelnden Rindern, die schon auf den Weiden geschlachtet und noch zuckend mit großen Bulldozern zusammengebaggert wurden. Und wenn Alice, diese Etepetete mit ihrer Angst vor Elektrosmog – und das, obgleich sie wie ein Schlot rauchte - einen Fernseher im Haus duldete ... Aber so konnte der Junge ja gar nichts darüber wissen.

      Sie seufzte und trampelte halbherzig mit den Füßen auf der Stelle, um die Elster endgültig zu vertreiben. Die drehte sich gelassen um und sah sie vorwurfsvoll an, während das verletzte Bein unter ihr wegknickte. Emmi warf einen Erdklumpen, und die Elster kreischte empört und flog davon.

      Armer David. Wie gehetzt er plötzlich ausgesehen hatte, als sie ihm schilderte, wie im Schlachthof den Rindern die Köpfe abgetrennt wurden, damit die Veterinäre das BSE aus den Hirnen extrahieren konnten. Er bekam denselben gehetzten Ausdruck in die Augen wie seinerzeit Hermann, wenn er eine Schnecke im grünen Salat oder einen Wurm im Matjes fand.

      Die Rieffenbachs sind härter im Nehmen als die Nichterleins, dachte sie zufrieden.

      Und von BSE und den abgeschlagenen Rinderköpfen zu Hermann und dem Problem mit den sogenannten Wachsleichen zu kommen, die nicht verwesten, schien ihr auch im Nachhinein noch logisch. Vielleicht etwas gedankenlos, weil es doch um Davids Vater ging, aber immerhin lag er nun schon seit fünfzehn Jahren auf dem Waldfriedhof und wenn man nicht einmal mehr dem eigenen Sohn sagen durfte, was einem so durch den Kopf ging ...

      Unsinn, murmelte David natürlich wieder, alle Leichen verwesen. Was blieb ihr da anderes übrig, als ihn zu widerlegen, von dem Stauwasserhorizont über den Lehmschichten zu erzählen, in denen manche Särge verbuddelt wurden, und richtig blass wurde er auch erst, als sie ihm erklärte, Regenwürmer und Käfer befänden sich nur in den oberen dreißig Zentimetern des Bodens und kämen folglich gar nicht erst in den Genuss der Leiche, und dass die Larven der Maden in den tieferen Bodenschichten, die eigentlich die Verwesung vorantrieben, in den Verstorbenen nicht schlüpfen könnten, weil die Kälte des Stauwassers einfach keine Schlüpftemperatur aufkommen lasse. Und dass sich durch seltsame chemische Reaktionen in dieser Stauwasseratmosphäre die Haut der Leichen in eine Art Wachs umwandle, was sie auf Jahrzehnte hinaus konserviere.

      David hatte auf seine halbe Roulade gestarrt, die tot und still auf dem Teller lag und nur innen noch etwas rosig schimmerte, und das mechanische Mahlen seiner Kiefer – Hermann musste auch

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