Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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Aber sie selbst brauchte ja nur den Kühlschrank zu öffnen, und ihre Waage kreischte vor Empörung. Erbost stopfte sie sich die Handvoll Erdbeeren in den Mund. Irgendetwas krabbelte auf ihrer Zunge. Sie schluckte energisch, und das Krabbeln hörte auf.

      In diesem Sommer würde es eine Menge Stachelbeeren geben, die beiden Büsche saßen voll. Schade, dass keines ihrer Kinder Stachelbeeren mochte. Sie holte die Heckenschere aus dem Haus, öffnete das Gartentor und schnitt ein paar vorwitzige Triebe ab, die schon ziemlich weit in den Fußweg zwischen den Reihenhäusern hineinragten. Die Kuhn, diese gelbgesichtige, hakennasige Zimtzicke, beschwerte sich sonst nur wieder. Das war so eine Hundertprozentige, eine ehemalige Volksschullehrerin, die im Frühjahr ihren Vorgarten mit einem exakten Schachbrettmuster aus gelben und blauen Stiefmütterchen bepflanzte und gnadenlos alles ausmerzte, was sich dazwischendrängen wollte.

      Was für ein hässlicher Weg; kein Vergleich mit dem bunten Kiesweg vor ihrem eigenen Reihenhaus! Graue Platten mit abbröckelnden Ecken; einige waren sogar in der Mitte schon durchgebrochen, und zwischen ihnen schaufelten unermüdliche Ameisenvölker Millionen von kleinen Sandkörnern auf das Grau der Steine. Jedenfalls so lange, bis die Kuhn mit ihrer Sprayflasche Ameisentod kam und anschließend mit dem Handfeger Leichen und Sand fein säuberlich in die Ritzen zurückfegte. Dann gab es für eine Woche Ruhe, bis ein neues Ameisenheer die Ritzen eroberte und die Schaufeln zückte.

      Und weil sie die Heckenschere einmal in den Händen hielt, schnitt Emmi gleich noch die langen Kantenhalme des Rasenvierecks rund um den Apfelbaumtorso und fand einen kleinen toten Spatz, der von Maden und allerlei sonstigem Getier schon halb ausgehöhlt war und nahe daran, die untere Hälfte seines Schnabels zu verlieren. Sie packte ihn an der letzten seiner Schwanzfedern und trug die Leiche mit spitzen Fingern zum Komposthaufen vor den Stachelbeerbüschen, zusammen mit einer dicken schwarzen Made, die seitlich zwischen den Miniaturrippchen herausbaumelte und sich schaukelnd mittragen ließ.

      Nachdem die wuchernden Grastriebe gekappt waren, kam sie nur ächzend wieder in die Höhe. Diese verflixte Bandscheibe. Doktor Kühne sagte natürlich, das seien nur altersbedingte Verschleißerscheinungen und grinste sich eins, als sie die Geschichte von David und dem alten Schuhschrank erzählte. Wie er über den Teppich stolperte und sie so plötzlich das ganze Gewicht des Schränkchens allein tragen musste. Und wie es just in diesem Moment laut knackte in ihrem Rücken, damals vor fünf Jahren und zwei Monaten. An demselben Tag, als Julias drittes Kind, Roberto, zur Welt kam und Julia ihr Angebot nach Hildesheim zu kommen, um auf Raoul und Magdalena aufzupassen, so unfreundlich ablehnte.

      In der Äskulapschlange hatte sie kurz nach diesem Schuhschrankunfall einen Artikel über Bandscheibenschäden gelesen. Prolaps! Häufig als Folge einer traumatischen Einwirkung. Und dieser Tag war doch wohl traumatisch genug gewesen. Seitdem litt sie schließlich immer wieder unter heftigen Schmerzen, die rechte Hüfte knirschte seltsam, und gelegentlich zog sie sogar das Bein nach.

      Neben sensiblen Störungen kann es zu motorischen Ausfallserscheinungen bis hin zur Lähmung kommen.

      Aber der Kühne wusste es natürlich wieder einmal besser, und darüber hinaus machte er sich sogar noch über sie lustig, als sie wiederholt über Hüftbeschwerden klagte. Ja, du meine Güte, Frau Nichterlein, Sie trinken mir doch nicht etwa? Gerade vor Ihnen hat der Herr Sowieso auf demselben Stuhl gesessen und über dieselben Schmerzen geklagt. Und im Vertrauen gesagt, der ist wahrscheinlich der größte Saufbold in ganz Koppstedt!

      Dieser unverschämte, arrogante Schnösel von einem Arzt. Der alte Frisch hätte sich eher die Zunge abgebissen, als so daherzureden, aber die Respektlosigkeit der heutigen Jugend machte nicht einmal mehr vor kranken Menschen halt.

      Sogar Christina lachte am Telefon, als sie sich entrüstete.

      Es war wohl das Schicksal der Welt, dass die Guten ausstarben und die Schnösel nachrückten. Die jungschen Besserwisser, die nicht einmal Medikamente verschrieben. Medikamente haben Nebenwirkungen, Frau Nichterlein. Gehen Sie lieber ins Kräuterhaus. Aber über das Kräuterhaus, da würde sie dem Kühne am Montag schon die Meinung geigen. Hundert Gramm Taubnesselblüten für dreiundzwanzig Euro und neunzig. Und die Nieren taten ihr trotz des Tees weh. Allerdings musste sie seitdem alle naselang zur Toilette rennen. Vielleicht profitierte ja wenigstens die Blase von den teuren Blüten und wurde mal tüchtig durchgespült. Hatte die Lehmann‘sche nicht erzählt, dass die Süderholz aus der Kastanienallee erst letzte Woche an einem Blasenkatarrh gestorben war?

      „Dreiundzwanzig Euro und neunzig!“, murmelte Emmi entrüstet und humpelte die Kellertreppe hinunter, eine Hand auf dem zweiten und dritten Wirbel der Lendenwirbelsäule - ihrem Prolaps.

      Die Turmuhr der Apostel-Paulus-Kirche schlug zwölf. Zeit fürs Mittagessen.

      Im Nachbargarten schrubbte die olle Taube den Gartenweg.

      Ich muss Hermann gießen, dachte Emmi. Aber nicht heute. Sonst lauf ich auf dem Friedhof noch der Ollen in die Arme.

      3.

      Ravioli aus der Dose und eingemachte Stachelbeeren als Kompott.

      Wie lange war es eigentlich her, dass sie ein vollständiges Essen gekocht hatte – mit Fleisch, frischem Gemüse und Kartoffeln? Letzen Sonntag? Nein, da gab’s Tiefkühlpizza mit Eiscreme. Und davor ...? - Richtig, zu Davids Ehren vor fünf Wochen, Ende Mai. Er kam, um ihr oben im Wohnzimmer die neuen Stores, beige mit Schmuckborte, aufzuhängen, oder besser gesagt hatte er kommen müssen, weil sie ihn nachdrücklich herzitierte. Mein Gott, wie die Zeit verging und wie er wieder schmollte, ihr Ältester. David der Rührmichnichtan mit seinen braunen vorwurfsvollen Augen. War das nötig?, fragten sie in stummer Verzweiflung. Musstest du ausgerechnet mich anrufen? Und ausgerechnet an diesem Wochenende?

      „David gramt mal wieder mit der Welt“, pflegte Hermann immer zu sagen, wenn er seinen Sohn schmollend in der Ecke fand. Keines seiner Kinder beherrschte das wortlose Schmollen so meisterlich nuancenreich wie David. Jeder Widrigkeit des Lebens wurde ein ganz spezifisches Schmollen entgegengesetzt, und auf einer Intensitätsskala von eins bis hundert stand ein erzwungener Besuch in Koppstedt bei neunundneunzig.

      Aber war es nicht ihr gutes Recht, ihn herzuzitieren, nach der Geschichte mit dem Schuhschrank vor fünf Jahren und zwei Monaten, diesem knackenden Trauma in ihrem Rücken? Sollte sie etwa selbst die Leiter aus dem Keller schleppen, die Arme hoch über den Kopf recken und das Gewicht der schweren Stores ausbalancieren?

      Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Allein bei der Vorstellung kreischte ihr Rücken gemartert auf, die Schultergelenke wimmerten, die Arme fielen kraftlos an den Seiten herab, der hölzerne Rührlöffel plumpste zu Boden, und die Tomatensoße der Ravioli spritzte an ihre Beine und den Herd.

      „Ich sag’s ja!“, sagte Emmi.

      In der nächsten Woche würde sie David eine Kopie des Prolaps-Artikels aus der Äskulapschlange schicken: Motorische Ausfallerscheinungen infolge eines Bandscheibenschadens. Prolaps! Selbst Schäden im unteren Lendenwirbelbereich verursachen mitunter indefinite Schulter-Hals-Syndrome mit eingeschränkter Beweglichkeit der Extremitäten. Sollte er es doch selbst nachlesen.

      Nicht einmal über seine ausstehende Beförderung hatte er reden wollen, ihr schmollender Herr Sohn. Er strafte sie mit der Kargheit seiner zäh über die Lippen tropfenden Worte. Ja und nein und bitte und danke. Und nein danke, o Wunder, als sie ihm die teuren Pralinen anbot, für die sie extra seinetwegen mit dem Bus in die Stadt gefahren war. Er verweigerte sich, obgleich seine Augen einen Moment lang ganz begierig aufflackerten.

      Emmi kaute die Ravioli auf der rechten Seite. Wegen des Wackelzahns links unten, dem P1, wie

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