Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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P1 heiß erster Prämolar, erster Backenzahn, und als sie zwei Wochen später den Mirkowitz so ganz nebenbei aufforderte, sich doch auch mal den aufmüpfigen M2 unten rechts anzusehen, da blickte er nur belustigt auf, und sein hämisches Hä? brachte sie in arge Versuchung, kräftig zuzubeißen, als seine langen beweglichen Finger in ihrem aufgerissenen Mund herumfuhrwerkten. Jedenfalls musste sie wegen des renitenten P1 augenblicklich rechts kauen.

      David bleckte bei der Geschichte nur stumm und kariös die Zähne, dieser Feigling, und wurde bei der Schilderung der Wurzelbehandlung des M2 noch blasser als gewöhnlich. Wenn der Junge seine Zahnarztphobie nicht bald überwand, bekam er noch lange vor ihr ein Vollgebiss. Außerdem lutschte er Pfefferminzpastillen wegen des Mundgeruchs. Dass seine Alice da nicht meckerte, obgleich sie doch sonst in allem so etepetete war!

      Sie seufzte, und ein Nudeleckchen fiel ihr aus dem Mund.

      David und sein stummer Widerstand. Dabei dauerte das Aufhängen der Stores nicht einmal zwei Stunden, und die Fahrt von Frankfurt nach Koppstedt, meine Güte, mit seinem neuen großen BMW, schwarz wie ein Leichenwagen, ging das doch ruckzuck. Bis Göttingen die Autobahn und dann nur noch ein knappes Stündchen über die Landstraße. So viel Aufheben um nichts.

      Ich hätte sie länger auf dem Feuer lassen sollen, dachte sie ärgerlich und verfolgte die letzte Ravioli quer über den Teller. Die Füllung war nicht einmal lauwarm. Wie immer! Welch boshaftes Teufelchen rieb ihr da eigentlich ständig ihre eigene Blödheit unter die Nase? Das Alzheimersche? Oder lag es doch eher an ihrer zunehmenden Trägheit alltäglichen Dingen gegenüber? Bettwäschewechsel nur noch, wenn sie eine leichte Muffigkeit aus den Kissen schreckte, Saugen erst, wenn sich die Krümel hart in die Fußsohle bohrten und die Ravioli eben gedankenlos von der Herdplatte nehmen, sobald die Tomatensoße die erste Blase schlug. Es war niemand da, der protestierte, und ihr eigener Protest verscholl zwischen Gedanke und Ausführung.

      „Alzheimer“, sagte sie laut, schrieb Ravioli länger im Topf lassen auf einen Zettel - mit drei Ausrufezeichen - und pinnte ihn mit einer Reißzwecke an die kleine aufgehängte Korkwand neben der Terrassentür. Gleich über den ausgeschnittenen Cartoon aus dem Anzeiger für‘s Koppstedter Land, der Gast und Kellner in einer Bilderfolge zeigte: „Was haben Sie heute als Menü? – „Der Herr Professor haben das Menü ja gerade gegessen!“ - „Gut. Dann möchte ich zahlen.“ – „Der Herr Professor haben soeben bezahlt!“ - „Hm – bin ich gegangen?“

      Alzheimer!

      „Ach verdammt noch mal“, hatte David unwirsch gemurmelt und wütend die Stores gebeutelt, als sie ihn harmlos fragte, ob nach der Gesundheitsreform die Kassen eigentlich noch die Kosten für Pflegeheimpatienten übernahmen oder ob man hilflose Alte jetzt einfach einschläferte.

      Dieser dumme Junge. Wäre er nicht erst am Sonntag, sondern schon ein oder zwei Tage früher gekommen und sich von ihr vernünftig bekochen lassen, seine Alice brachte mit ihrem Schlankheitswahn bestimmt nur labbrige Salate auf den Tisch, dann hätte ihn sein stummer Vorwurf nicht selbst so hart getroffen. Und vielleicht wäre es ihm erspart geblieben, sich in seiner Ungeduld in den Stores zu verheddern und die eine Seite der Gardinenstange aus der Wand zu reißen. So rieselte Putz aus dem Loch in der Wand, David fluchte lauthals, und sie rührte Moltofill an.

      „Warum konntest du nicht Julia oder Christina kommen lassen?“ So lautete sein erster Mehrwortsatz an diesem Tag.

      Emmi lächelte grimmig.

      Er war einfach an der Reihe gewesen. Immer klagte er über die große Entfernung und seinen ermüdenden Schichtdienst und glaubte, sich so einfach freikaufen zu können. Und wenn der Berg nicht zum Propheten kam, dann musste der Prophet eben Gewalt anwenden. O ja, sie wusste nur zu gut, dass keines ihrer Kinder gern nach Koppstedt kam und sie daher jedes Jahr wieder einen Rotationsplan zur rationellen Mutterbetreuung in Verknüpfung eigener Interessen aufstellten. Besuche so häufig wie nötig, aber so selten wie möglich. Seit gut einem halben Jahr wusste sie von diesen Plänen und auch, wer wann an der Reihe war. Raoul, Julias Ältester, hatte sie eines Tages angerufen und gesagt: „Oma, für einen Fünfziger erzähl ich Dir was!“ Seit damals verband sie mit ihrem Enkel ein geschäftliches Abkommen. Der Junge wollte Rennfahrer werden und übte sich auf einer Gokartbahn, was bedeutete, dass er ständig in Geldsorgen schwebte und auf gutwillige Sponsoren angewiesen war. Natürlich waren seine Zukunftspläne altersgemäß kindisch, schließlich lag sein dreizehnter Geburtstag erst ein paar Wochen zurück, und wahrscheinlich würde er nie Rennfahrer werden, aber, und so viel stand fest, auch kein perspektivloser Schlappschwanz wie sein Papa. Der Junge besaß Mumm, Unternehmungsgeist und das notwendige Maß an Skrupellosigkeit, um in der Geschäftswelt zu überleben, und bis er eines Tages in der Vorstandsetage irgendeines Multikonzerns aufräumte, bis dahin zahlte ihm seine Oma für jede interessante Neuigkeit über die Familie eine Prämie.

      Julia verwunderte sich am Telefon immer noch über Raouls plötzliches Interesse am täglichen Geschehen im Hause Becker, und seine ungeteilte Aufmerksamkeit ihren persönlichen Problemen gegenüber versetzte sie in helle Begeisterung und ließ ihr mütterliches Herz vor Stolz anschwellen, wenngleich mitunter eine gewisse Besorgnis in ihrer Stimme mitschwang:

      „Offensichtlich pubertiert er“, sagte sie nachdenklich, „obgleich er ja komischerweise überhaupt keine Pickel bekommt. Rupert meint, er hätte diese Stufe einfach übersprungen und würde viel schneller erwachsen, als wir es für möglich gehalten haben. Allerdings nimmt sein plötzliches Interesse manchmal recht sonderbare Formen an. Neulich nachts musste Rupert ihn unter dem Bett hervorfischen, als wir gerade Na-du-weißt-schon-was machen wollten.“

      Im nächsten Brief schrieb Emmi ihrem Enkel Raoul, für Spannereien aus zweiter Hand zahle sie nichts, wohl aber für die Information, ob seine Eltern ernsthaft gedächten, die Zeugung der Fußballmannschaft weiterhin voranzutreiben. Raoul schrieb zurück, er habe im ganzen Haus kein einziges Kondom finden können, und da er seine Eltern aber immer noch in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie von Mittwoch auf Donnerstag aus dem Schlafzimmer stöhnen höre, befürchte er das Schlimmste, aber er habe im Internet eine Anzeige gefunden, das ein nigerianisches Ehepaar für fünfundzwanzigtausend Euro ein weißes Baby zu kaufen suchte und ob seine Oma gegebenenfalls als prozentual beteiligte Vermittlerin fungieren wolle. Emmi antwortete, sie werde darüber nachdenken, aber Raoul möge ihr doch bitte Bescheid geben, wenn er im Internet eine Anzeige zwecks Abgabe erwachsener Kinder finde. Sie gebe auch gern noch ein paar Euro dazu. Raoul schrieb zurück, angesichts der Inhalte ihrer Briefe halte er es doch für besser, sie unmittelbar nach dem Lesen zu verbrennen, und er bitte sie nachdrücklich, seinem Beispiel zu folgen. Von nun ab unterzeichnete er nur noch mit einem Fingerabdruck aus Tinte. Ein cleverer Enkel. Und bis dato stimmten seine Informationen aufs i-Tüpfelchen. Julia stürzte sich erneut in eine Schwangerschaft, Christina erschien gemäß seiner Ankündigung zu Weihnachten, David (ohne Alice) zu Ostern und Julia nebst Kinderschar am Pfingstsonntag. Zum Muttertag lieferte die Friedhofsgärtnerei Pauli drei mittelgroße Blumensträuße ab.

      Raoul schrieb, der Rotationsplan sei auf dem Mist seines Vaters gewachsen, der es leid gewesen sei, immer zuhören zu müssen, wie Tante Christina seiner Mama vorjammere, alle erwarteten von ihr, öfter nach Koppstedt zu fahren, nur weil Göttingen näherliege als Hildesheim oder Frankfurt, und das sei nicht fair. Und nach diesem katastrophalen Siebzigsten - Raoul schrieb: der geilen Schlägerei - scheine das allgemeine Besuchsinteresse noch stärker nachzulassen. Raoul beendete seinen Brief mit: „Mama hat Papa angeschrien, wenn er Tante Alice auch nur noch einmal ansieht, dann würde sie ihn mit demselben Messer kastrieren, mit dem Papa immer den Kälbern die Eier abschneidet.“

      Nach dem ersten Grimm fand Emmi die Idee eines Rotationsplanes gar nicht mal so schlecht, und nach zwei Tagen billigte sie das Ergebnis der kindischen Verschwörung nicht nur, wie sie die Zusammenrottung ihrer Kinder bei sich nannte, sie begrüßte es sogar. Im Pulk benahm sich die Familie wie eine Herde eifersüchtiger Hammel und blökte genauso

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