Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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des Großen Wagens blinkte ein hektischer Stern und verlosch dann plötzlich. Sie seufzte schwer.

      Manchmal hatte es sogar den Anschein gehabt, als schrecke selbst die rote Lola vor ihren Kindern zurück. Dabei ließ sich ihr wahrhaftig keine Lieblosigkeit attestieren. Im Gegenteil. Eine leuchtende Aura tiefer Mütterlichkeit zog alle Kinder in ihren Bann und ließ die Birkenpfuhler Frauen ein weiteres Mal die Plastikübergebisse über ihre Zähne stülpen. Die rote Lola herzte, küsste, und knuddelte alle, ließ sich von ihnen die brennend roten Locken zu Zöpfen flechten und drückte jedes einzelne Kind an ihren wogenden Busen, bis die Väter vor Neid zu sabbern begannen. Jedes Kind, bis auf die eigenen. Die küsste und knuddelte sie nicht. Und Zöpfe flechten ließ sie sich auch nicht von ihnen. Auf eine seltsame Art und Weise ignorierte Lola Woitzack ihre Kinder, was nicht hieß, dass es ihnen jemals an einer anständigen Versorgung gemangelt hätte. Äußerlich, kurzhosig, rotznasig und mit aufgeschürften Knien, unterschieden sie sich in nichts von den anderen Jungs und Mädchen. Und nett anzusehen waren sie obendrein noch mit ihren pfiffigen Sommersprossengesichtern und den ererbten Silberblicken. Doch die Lola schien ihr eigenes Spielzeug zu langweilen. Sie griff viel lieber nach dem der anderen. Nach den Kindern fremder Mütter. Nach den Männern anderer Frauen.

      Nach Hermann!

      Himmel, wie war ihm aber auch die Brust geschwollen, nachdem er zum ersten Mal auf der falschen Seite seiner Hauswand im Bett stöhnen durfte. Und mit welch lautem Pffffft fiel sie wieder in sich zusammen, als ihn die Lola plötzlich wieder von der Bettkante schubste. Was musste es für Hermann eine herbe Enttäuschung gewesen sein! Doch keine allüberwältigende Liebe einer von ihm überwältigten Nachbarin, nur das erste Kapitel im Buch der unersättlichen Begierde. Und auf der letzten Seite des ersten Kapitels schubste ihn die Lola mit einem Lächeln aus dem Traum in die harte Wirklichkeit zurück, und Hermann landete unsanft und höchst verwirrt. Wochenlang schleppte er sich mit den gequälten Augen eines waidwunden Rehs durch den tristen Alltag und schien auf den Gnadenschuss zu warten - ein Wunsch, den Emmi in jener Zeit gern erfüllt hätte - während es sich jenseits der Wand sein Kumpel Jochen Taube im vorgewärmten Schoss bequem machte. Hermanns Miene hellte sich erst auf, als er das System endlich begriffen hatte (als alle es begriffen hatten!), und er sich von neuem der Schlange der Wartenden einreihte.

      „Männer sind überflüssig. Die einen so, die anderen so“, murmelte Emmi vage und starrte stirnrunzelnd auf den bläulichen Mondhof. Wie war das doch noch gleich gewesen? Hat der Mond einen Hof, dann ... dann änderte sich das Wetter am nächsten Tag. Klar. Aber in welche Richtung? Regnete es oder schien die Sonne?

      „Alzheimer“, sagte sie laut, schlüpfte wieder unter die leichte Daunendecke und gähnte wie ein Scheunentor. Trotzdem wollte sich der Schlaf einfach nicht einstellen. Nach einer Weile vergeblichen Bemühens verschränkte sie die Arme unter dem Kopf und blickte seufzend an die Schräge.

      Wer war eigentlich noch zur Lola geschlichen, außer Hermann, Jochen und dem Rosenstock?

      Friedel Bayer, der Klempner aus der Kastanienallee. Ein grobschlächtiger Mensch mit zusammengewachsenen schwarzen Augenbrauen, der so selten sprach, dass alle, wenn er wirklich mal die Zähne auseinander bekam, lange dem Gebrummel hinterherhingen und andächtig mit dem Kopf nickten. Im Buchenhain, der Nachbarsiedlung, verehrte man ihn als eine Art Orakel, im Birkenpfuhl erschien er, wenn die rote Lola über diesen komischen Geruch im Badezimmer klagte, während Fritze Woitzack mit seinem Werkzeugkoffer traurig in den Buchenhain zog, um nach tropfenden Wasserhähnen Ausschau zu halten.

      Dann der Mann der Zimtzicke Kuhn. Emmi gähnte zum Gotterbarmen. Wie hatte er doch noch gleich geheißen, der Kuhn? Emil? Nein, aber irgendetwas mit E am Anfang, das war sicher. Egon, Erwin, Erich... ? Richtig. Karl hieß er. Karl Kuhn, und fesch war er außerdem. Damals arbeitete er als Briefträger. Aber nicht in diesem Bezirk, sondern in der Villengegend auf der anderen Seite der Leine. Hier trug er nur sein Sperma aus, was seine Frau Kreszentia eines Tages veranlasste, ihn in einem Wutanfall mit einer langen Mettwurst niederzuschlagen und der Lola öffentlich ein schlimmeres Schicksal anzudrohen. Doch die kam ihr zuvor und kündigte Karl Kuhn den Liebhabervertrag. Kurze Zeit darauf verschwand er spurlos. Ohne Abschiedsbrief. Die Lehmann’sche behauptete, er habe sich von dem Schlag mit der Mettwurst nie wieder erholt, und irre seitdem durch die Gänge der Bettelheim‘schen Anstalten, aber die Taube kannte natürlich einen, der eine kannte, die einen Cousin hatte, dessen Schwester den Kuhn gesehen haben wollte, wie er in Bremerhaven mit einer dicken Kopfbeule über die Planken eines Walfängers wankte. Jedenfalls war er der Welt irgendwo abhanden gekommen, und eigentlich vermisste ihn auch niemand.

      Emmi wischte sich die Gähntränen aus den Augen und lachte laut auf, als ihr Hubert Meier einfiel. Hubert der Sanfte aus der Weidenstraße. Zwei Meter groß und fast ebenso breit. Von ihm wusste ganz Koppstedt, dass er seiner Elsie in der Hochzeitsnacht im Überschwang der Gefühle zwei Rippen brach, was am nächsten Morgen den Koppstedter Stadtrat zu einer Sitzung zusammentreten ließ - unter Vorsitz von Elsie’s Vater, dem damaligen Bürgermeister -, an deren Ende in einem einzigartigen Akt Koppstedter Stadtautonomie die feierliche Zerreißung der Heiratsurkunde stand. In der Folgezeit tat man, als sei diese Ehe nie vollzogen worden, was neun Monate später recht fragwürdig erschien, als Elsie einen strammen Jungen gebar und ihn Hubert junior nannte.

      Ob es der Lola wohl gelungen war, den kleinen Sauerbach unter ihre Decke zu zerren?

      Emmi lächelte und betrachtete die Mondlichtmuster an der Schräge der Dachkammer.

      Was für eine Vorstellung! Der kleine Sauerbach, wie er zwischen den üppigen Brüsten der roten Lola mit dem Ersticken kämpfte und aufheulte, wenn sie die Schenkel schloss. Und seine Frau, diese graue Maus mit ihrem Topfschnitt, wie sie währenddessen zu Hause auf dem Sofa schluchzte und ein Taschentuch zwischen den dünnen Fingern drehte. Mit rot verheulten Augen und einem Eisbeutel für ihres Mannes Männlichkeit im Kühlschrank.

      Ich könnte am Montag nach dem Arzttermin zum Friseur gehen und mir die Haare färben lassen, dachte sie plötzlich. So wie sie früher waren. Kastanienbraun. Kein Topfschnitt wie die Sauerbach, sondern einfach nur färben.

      Heute schien es undenkbar, dass damals niemand ernsthaft daran gedacht hatte, sich wegen der roten Lola scheiden zu lassen. Sicher, die Zeiten wurden besser, die Wirtschaft rappelte sich zusehends auf in den Fünfzigern und Anfang der Sechziger, aber die Kinder waren noch klein und wollten versorgt werden, und außerdem steckte das gemeinsame Geld im Haus. Wovon sollte man leben ohne Ernährer? Wovon die Scheidung bezahlen? Und schließlich kam der Mann ja auch wieder zurückgeschlichen mit seinem schlechten Gewissen, und wenn man seine desolate Verfassung gescheit und umsichtig ausbeutete, beispielsweise öfter als sonst und mit tief verletzter Miene seinen Weg kreuzte, ließ sich aus der demütigenden Affäre zumindest ein Nutzen ziehen. Hundert Euro mehr Haushaltsgeld im fraglichen Monat, Wintermäntel für die Kinder oder sogar auf Wochen hinaus das Musterexemplar eines demütigen Ehemanns. Also schwieg man, und es gab sogar Zeiten, in denen die arme verlassene Kreszentia Kuhn mitleidig belächelt wurde.

      Was wohl aus den Kindern der roten Lola geworden war, diesen Musterexemplaren der siebenten Bitte? Und befreie uns von dem Bösen! Hermann hatte immer behauptet, Gott hätte statt der Pestilenz, den schwarzen Blattern und den Heuschrecken besser die vier Roten nach Ägypten gesandt, um die Israeliten freizupressen, das wäre schneller gegangen und billiger gewesen.

      Beim ersten Mal, als sie Hermanns eifriges Gestöhne durch die Wand hörte, da hoben draußen im Garten gerade die vier Woitzack’schen Bälger Klein-Julia aus dem Laufställchen, steckten sie in einen alten Kartoffelsack, banden ihn oben zu und ... Zur Erleichterung aller blieb ihr weiteres Vorhaben im Dunkeln, weil die entrüstete Kuhn geistesgegenwärtig mit dem Besenstiel dazwischenhieb. Emmi schüttelte den Kopf. Noch Jahre später war sie nachts schweißgebadet aufgewacht.

      Ein anderes Mal, zwei, drei Jahre nach dem Kartoffelsack, überredeten

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