Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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– vom Gartentisch der roten Lola auf das hochstehende Ende. Grundgütiger. Bis der Krankenwagen endlich kam, war Stefan vor lauter Brüllen blau angelaufen, und Hermann, kreideweiß, kämpfte angesichts des aus der Wunde ragenden Knochens mit Ohnmachtsanfällen. Schließlich bekam nicht Stefan die erste Beruhigungsspritze, sondern Hermann. Und während die Sanitäter den Jungen mit einer Platzwunde am Kopf und seinem offenen Armbruch in den Krankenwagen schoben, stützte die rote Lola Hermann ins Haus, und sie selbst, Emmi, fuhr mit ihrem Sohn allein ins Krankenhaus, derweil Fritze Woitzack, blass aber gefasst, ein blutiges Büschel Haare aus der Astgabel seines zerfledderten Kirschbaumes rupfte und seinen Jungs eine müde Standpauke hielt.

      Birkenpfuhler Plagen, die großen wie die kleinen Woitzacks.

      Vielleicht war sogar Fritze die größte Plage gewesen, wie er da mit seinem Werkzeugkoffer durch die ehemannberaubten Häuser zog, um den verwaisten Frauen hilfreich unter die Arme zu greifen. Nicht, dass er zudringlich wurde. O nein, er ersetzte die liebestollen Männer lediglich in ihrer Eigenschaft als Handwerker. Dachte man jedenfalls damals noch. Fritze Woitzack mit seinem Werkzeugkoffer. Er konnte einfach alles: malern, Teppichböden verlegen, Bäder kacheln, Lampen anbringen und jede Art von Küchengerät reparieren. Nur bei ihm zu Hause, da musste der Bayer aus der Kastanienallee kommen und wochenlang herumklempnern. Und je beliebter sich Fritze Wotizack mit seiner angeblich selbstlosen Hilfsbereitschaft in der Siedlung machte, desto seltener lupfte die rote Lola für ihn ihr Nachthemd. Eigentlich kein Wunder, dass er sich schließlich an kleinen Mädchen vergriff.

      Aber das wusste damals noch niemand, als er eines Tages beim Ausrichten der Antenne vom Dach fiel. Taubes Dach, nicht Emmis, obgleich er seitlich abrutschte und genau genommen in beiden Vorgärten gleichermaßen landete. Mitten auf den schmiedeeisernen Spitzen des niedrigen Begrenzungsgitters. Und nur, weil sich Hermann im Göttinger Klinikum gerade einer Blinddarmoperation unterziehen musste, und Jochen Taube auf die Schnelle niemanden fand, der bereit war, Fritze für zwei, drei Stündchen in die Dicke Wirtin zu schleppen, damit er ungestört zur Lola konnte. Deshalb schickte Jochen den Fritze zum Ausrichten der Antenne aufs Taubesche Dach, und Fritze fiel herunter.

      Was für ein schrecklicher Anblick. Es war nur gut, dass alles so schnell ging und er starb, bevor er das ganze Ausmaß der Katastrophe begreifen konnte. Im ersten Moment schaute er nur von unten verblüfft in die geschockten Gesichter seiner herbeigerannten Nachbarn. Dann riss er den Mund weit auf - schrie aber nicht. Er lag nur da, krampfte die zitternden Finger mit den aufgeplatzten Knöcheln um die schmiedeeisernen Spitzen, die aus seiner keuchenden Brust ragten und begann dann Blut zu spucken. Und gerade als in der Ferne das Martinshorn ertönte, zuckten seine langen spillerigen Arme plötzlich zur Seite, und die Finger bohrten sich in die nasse Gartenerde. Er sah aus wie ein aufgespießter Frosch mit verdrehten Pupillen, und die kleine Sauerbach bekam einen Schreikrampf.

      „Huh!“ Emmi schauderte und zog die Decke bis über das Kinn.

      Sie hatte nur zwei Meter vom Gartentor entfernt gestanden. Zusammen mit der Taube, die gerade aus dem Supermarkt kam und mit ihrer spitzen Zunge diverse Bekannte durchhechelte. Und gerade als sie sagte: „Und nu stellen Sie sich das man vor, da sagt mich die doch ganz frech...“, da bumste es neben ihnen, der Boden erzitterte, und Fritze schielte über Kopf zu ihnen herüber. Wie sich später herausstellte, gab es sogar einen Augenzeugen des Unfalls. Den Meier aus der Weidenstraße. Er konnte alles genau berichten. Wie der Fritze auf dem Dachfirst danebentrat und das Gleichgewicht verlor, wie er bäuchlings auf den Ziegeln hinunterrutschte und wie er in letzter Sekunde die Finger in den offenen Spalt des Dachfensters krallte.

      „Der Mann war ein wirklicher Pechvogel“, sagte Hubert Meier den Polizisten, „er hatte es ja schon geschafft, der Dussel. Mit den Fingern hielt er sich im offenen Fensterspalt und die Füße standen quasi schon in der Dachrinne, da knallt ihm doch auf einmal das Fenster auf seine Finger, und der Woitzack segelt rücklings vom Dach.“

      Ein tragischer Unfall.

      Nach dem Unfall hatte Emmi die halbe Nacht in tiefes Nachdenken versunken wach gelegen, während sich Christina in ihren Armen wohlig an ihr schubberte und friedlich vor sich hinschnarchte. Und am nächsten Morgen hantierte sie lange an einem der Dachfenster herum, und das Herz wurde ihr von Minute zu Minute schwerer. Ihr Fenster und das der Taube kamen aus derselben Fabrik. Genormte Fließbandarbeit, im selben Geschäft bestellt und am selben Tag eingesetzt, etwa ein Jahr zuvor, als nach dem schweren Sturm die Dächer neu gedeckt werden mussten. Und diese Kippfenster ließen sich zwar nach oben und unten um hundertundachtzig Grad drehen, weil sie punktartig in der Mitte beider Seiten befestigt waren, aber egal in welchem Öffnungswinkel man sie losließ, sie blieben in exakt derselben Stellung stehen. Man benötigte sogar ein gewisses Maß an Kraft, um die großen Fenster auf- und zuzuschieben. Und je länger Emmi zog, zerrte und schob, um so besorgter wurde ihr Gesichtsausdruck.

      Die alten Klappfenster, die man vorn hochklappte und dann auf einem wackligen Metallhebel befestigte, o ja, die brauchte man nur ungeschickt anzustoßen und schon knallten sie zu. Aber dieses hier ...

      Ihre Sorge war aber unbegründet gewesen. Weder damals noch in all den Jahren danach kam es jemandem in den Sinn, die zehnjährige Christina Nichterlein zu verdächtigen, nur weil sie zufällig im Nachbarhaus mit Taubes Thomas‘ gespielt hatte und just zum Zeitpunkt des schrecklichen Unglücks, im Moment des zuklappenden Fensters, allein in der Dachkammer gewesen war, während Thomas, breitbeinig und zwei Etagen tiefer vor der Kloschüssel stand und mit seinem verklemmten Hosenschlitz kämpfte. Ob von den Erwachsenen überhaupt jemand etwas von Fritze Woitzacks pädophilen Neigungen wusste?

      Tapfere kleine Christina, dachte Emmi in einem Anflug mütterlichen Stolzes, und nicht unzufrieden fiel ihr ein, dass die Bälger der roten Lola ein Jahr später allesamt in ein Heim für Schwererziehbare verfrachtet wurden, weil sie Rosenstocks Dackel Neun im Woit-zack’schen Keller die Beine brachen, während Herrchen im Bett der roten Lola stöhnte.

      Und jetzt zog Lola Woitzack ebenfalls aus und vielleicht ging der Ärger damit wieder von vorne los. Wer weiß, wie die Neuen waren.

      Sie seufzte schwer und drehte sich auf die Seite. Draußen begann es leise zu regnen.

      6.

      „Weißt du, Hermann“, sagte Emmi Nichterlein am nächsten Morgen und zupfte Grasbüschel aus der Grabschale mit den Ringelblumen und Sommerastern. „Ich musste in letzter Zeit oft über uns beide nachdenken. Eigentlich ist es schade, dass du so ein Suffkopp und Schürzenjäger gewesen bist. Manchmal frage ich mich, wie unser Leben andernfalls verlaufen wäre ... Die Rosenstock und ihr Herbert sitzen immer noch ganz friedlich zusammen auf der Terrasse und trinken Kaffee. Und ich müsste nicht alle Naselang hier hochfahren, um dir die Läuse vom Pelz zu klauben. Wenn du bloß sehen könntest, wie das Gras in diesem Jahr wuchert! – Was sagst du? - Gern? Ach Gottchen, wer geht schon vor seiner Zeit gern auf den Friedhof? Und dass mein Prolaps beim Bücken vor Freude jauchzt, kann ich auch nicht gerade behaupten. Aber das ist wieder mal typisch Hermann Nichterlein! Bis ins Knochenmark ein Egoist. Erst säufst du dich halb zu Tode, ohne auch nur einen Gedanken an mich oder die Kinder zu verschwenden, aber kaum unter der Erde, soll ich dich nicht nur entkrauten, sondern ich soll es auch noch gern tun! - Deine Liebchen kommen wohl nicht mehr, dass du ausgerechnet auf mich zurückgreifen musst, was? Soll ich mich vielleicht ins Efeu hocken und Witze erzählen? Oder dein knochiges Händchen halten? Mein Gott, Hermann, denk doch mal nach. Ausgerechnet ich ... !

      Weißt du eigentlich, dass ich dich ohne schlechtes Gewissen vertrocknen lassen würde, wenn nicht der halbe Birkenpfuhl auf dem Waldfriedhof begraben läge und die andere Hälfte jeden Sonntag hier heraufstapft, um sich die Mäuler über die Gräber der Nachbarn zu zerreißen? Was meinst du wohl, wie die erst tratschen würden, wenn ich dich einfach mit Unkraut zuwuchern ließe.

      Apropos

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