Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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und weißt du was? Wenn ich dich so reden höre, bin ich immer noch froh darüber. Und wenn ich noch zehn Jahre durchhalte, dann wird man deine Knochen wieder ausbuddeln, weil die fünfundzwanzig Jahre Pacht abgelaufen sind, und dann, mein Lieber, kaufe ich die Grabstelle ganz für mich allein. Oder hast du im Ernst gehofft, wir beide würden noch einmal im selben Bett landen? Vielleicht lass ich mir sogar irgendetwas zur abschreckenden Erinnerung an dich geben, wenn man dich ausbuddelt. Ein Fingerknöchelchen oder so. Wobei mir einfällt - neulich war dein Sohn zu Besuch. - Ja, natürlich meine ich David, deinen anderen, du weißt schon wen, den hast du mit deinem Gemeckere ja bis ans Ende der Welt getrieben. Du wirst seinen Namen nie mehr in meiner Gegenwart nennen, Emmi! So ein hirnverbrannter Blödsinn. Du bist genauso eine Mimose wie David. – Na jedenfalls war der Junge da und hat mal wieder gegramt. Dein Gesicht kann im Augenblick auch nicht steifer sein, als seines bei dem Besuch war. Und dann diese fürchterliche Empfindlichkeit. Dabei unterhielten wir uns nur ein bisschen, und schon spuckt er das gute Mittagessen wieder aus. Rouladen mit Sahnesoße und Kroketten. Aber du warst genauso. Ein Wort mal nicht auf die Goldwaage gelegt und Hermannchen lief grün an. – Glaubst du nicht? Seltsam. Ich war nämlich die, die dir beim Essen immer gegenübersaß. Emmi, deine Frau.“

      Emmi verstaute die Grabutensilien in ihren diversen Plastiktäschchen, die diversen Plastiktäschchen in einer großen Plastiktüte, wischte mit einem Papiertaschentuch den Staub vom Boden der Handtasche, streifte die dreckigen Schuhsohlen an der Kante des Grabsteins von Hermanns Nachbarn ab - las stirnrunzelnd Thomas Meinert, Gott verzeihe ihm - und sah schließlich einen Moment lang sinnend auf die Grabschale, unter der sie Hermanns skelettierten Kopf vermutete.

      „Die Kinder gucken immer noch ganz bedröppelt, wenn die Rede auf den fehlenden Grabstein kommt“, sagte sie langsam. „Aber sag mal ehrlich, welche Inschrift hätte ich denn guten Gewissens eingravieren lassen sollen: Meinem geliebten Mann, treu bis in den Tod oder Hier liegt Hermann Nichterlein, Schluckspecht und Hurenbock? Weißt du, ich glaube, wir lassen die Kinder einfach weiter bedröppelt gucken. Und falls ihnen deine Steinlosigkeit das Herz zerreißen sollte, können sie dir ja einen eigenen Grabstein mit eigener Inschrift kaufen. Unserem geliebten, treu sorgenden Vater zum ewigen Gedenken. Er brachte uns immer ein paar Bierdeckel aus der Kneipe mit. Oder so etwa Ähnliches. - Da fällt mir übrigens noch was ein. Nicht, dass ich neugierig wäre, aber David fragte letztlich danach. Sind bei dir eigentlich die Larven geschlüpft, oder bist du jetzt eine dieser Wachsleichen? – Ja, ja, schon gut, du Pingel, ich gehe ja schon. Tschüsschen und lass die Finger von der Marianne.“

      Sie stapfte schwerfällig den Hauptweg hinunter und atmete tief durch. Unten in der Stadt schlugen die Kirchturmuhren halb neun, und erst wenige Frühaufsteher beugten stumm die Rücken über verwandtschaftlichen Gräbern oder kreuzten, ächzend unter dem Gewicht überschwappender Gießkannen, die Wege. Noch gaben Hunderte zwitschernder, tschilpender und tirilierender Vögel auf dem Friedhof den Ton an, und zehn Meter vor Emmi hoppelten zwei aufgeschreckte Wildkaninchen mit angelegten Löffeln und weiß blitzender Blume über den Weg, die Reste bunter Grabsträuße noch zwischen den großen Raffzähnen. Aus dem Ribbenkopp’schen Buchenwald hinter den Gräbern stieg der Morgennebel auf, und erste zaghafte Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg zur Erde. Die Luft war lau.

      Ein schöner Morgen, dachte Emmi tief durchatmend und blieb dann plötzlich stehen. Schon wieder der Alzheimer. Da erzählte sie Hermann allen möglichen Brimborium, aber das Wichtigste, dass die rote Lola auszog und heiratete und dass angeblich Sauerbachs und Sauerbachs Verwandtschaft die Mittelhäuser aufkaufen wollten, vergaß sie schlichtweg.

      Wieso?

      „O Mann!“, schimpfte sie ärgerlich und stampfte mit dem Fuß auf. „Am Montag muss mir der Kühne irgendwas gegen die Vergesslichkeit verschreiben!“ Sollte sie kehrtmachen und den Hügel wieder hochstiefeln? Nein, Hermann konnte gut und gern bis zum nächsten Mal warten, zumal, wenn er derart dummes Zeug schwätzte.

      Sie gähnte lauthals, als sie das Friedhofstor durchschritt und sich mit dem klemmenden Fahrradschloss abmühte. Eine schlaflose Nacht mehr, mit all den krausen Erinnerungen und dem Wissen um eine ungewisse Zukunft. Was würden die neuen Nachbarn sein? Krakeelendes Pack? Naserümpfende Etepetetes? Oder Abziehbilder ihrer Verwandten, den Sauerbachs? Schmidtchen Schleicher, hatte Hermann den Erwin immer genannt und von Perdita als von Schmidtchen Schleichers Pusselchen gesprochen.

      Böse Vorahnungen plagten sie, als sich Emmi gähnend in den Sattel schwang und die schmale Nussbaumallee hinunterrollen ließ. Die waldbestandenen Hügel jenseits der Leine schienen zum Greifen nahe. Kein Schönwetterdunst hing über dem Tal, und nur aus den Wäldern dampfte es noch hier und da. Irgendwann in der Nacht war sie nach einem gewaltigen Donnerschlag hochgeschreckt, und am Morgen hatte der Anzeiger düster orakelt: Gewitter in der Vollmondzeit, verkünden Regen lang und breit. Es sah tatsächlich nach Regen aus.

      Kurz nach neun bog Emmi in die Weidenstraße ein und ließ ihre Blicke geistesabwesend über die Häuser der Buchenhain-Siedlung schweifen. Das Gartencenter öffnete gerade seine Tore, und die ersten Autos rangierten vor den wenigen freien Parkplätzen. Der Meier saß im Rollstuhl vor seinem Haus und winkte ihr matt zu, das griesgrämige Gesicht in schiefe Falten gelegt. Sein dritter Schlaganfall machte ihm zu schaffen. Eine Haustür weiter, im Eckhaus zur Sackgasse Im Birkenpfuhl, werkelte Annemarie Sipkov im Vorgarten herum. Als sie Emmi sah, richtete sie sich mit schmerzverzogenem Gesicht auf, eine Hand im Rücken, und rief etwas Unverständliches.

      Emmi winkte dem Meier und der Sipkov halbherzig zurück und schnitt gedankenverloren und schwungvoll die Kurve. Eine Schrecksekunde später stand sie auf der Bremse. Sipkovs hohe Buchenhecke hatte ihr die Sicht versperrt, und sie kam gerade noch mit schlitterndem Hinterrad vor dem Kühlergrill eines großen blauen Möbeltransporters zum Stehen. Die beiden Fahrer, die sich in kurzen Hosen im Führerhaus Rücken an Rücken auf den Sitzen lümmelten, die nackten Beine zum Fenster rausbaumeln ließen und spitzfingrig dampfenden Kaffee aus Pappbechern schlürften, grinsten unverschämt, als sie mit zitternden Knien abstieg.

      „Na, Gnädigste, immer schön langsam“, rief der Mann hinter dem Lenkrad aus dem Fenster. „Wir sind ja nicht mehr die Jüngste, und bei Ihrem Alten zu Hause, da dauert‘s bestimmt auch noch ‘ne kleine Weile, bis er einen hochkriegt!“

      Einen Moment lang verdrehten die Beiden hinter der Windschutzscheibe die Köpfe, um sich verdutzt anzusehen, dann rissen sie gleichzeitig die Zähne auseinander, brachen in ein schallendes Gelächter aus, klatschten sich auf die nackten Oberschenkel und suchten sich mit verrenkten Oberkörpern gegenseitig in die Rippen zu boxen. Der Kaffee schwappte schwarz und heiß über, und in das Gelächter mischten sich kleine Schmerzensschreie.

      „Mann, das kam einfach so raus, sag ich dir.“ Der Fahrer, ein breitschultriger Bursche mit schon hohem Haaransatz und pockennarbigem Gesicht, rang keuchend nach Atem.

      „Mensch, ich glaub, ich pinkel mich ein. Bei dem Alten zu Hause ... Du Schorsch, das ist der Witz des Jahres, den musst du heute Abend unbedingt dem Chef erzählen.“ Der Beifahrer, einen halben Kopf kleiner, mit eingefallenen Wangen und schmalen Lippen, krümmte sich japsend und blickte bewundernd.

      „Ach nein“, keuchte Schorsch und verfärbte sich bescheiden. „Nein, ich weiß nicht. Meinst du denn wirklich? Ich dachte, der Schulze wär so ein Vornehmer, der unsereins links liegen lässt.“

      „Da ... da liegst du aber voll daneben. So einer ist das nicht. Wenn’s hart auf hart kommt, steht der wie eine Eins hinter seinen Leuten, und für einen guten Witz ist er allemal zu haben. Mensch, nee, sowas aber auch ... Glaub mir ruhig, der lacht sich reinweg schimmelig.“

      „Na, wenn du’s sagst. Ist aber auch wirklich ein guter Witz, oder?“

      „Ehrlich, sowas hätte ich dir gar nicht zugetraut. Warte mal“, der Beifahrer

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