Killerwitwen. Charlie Meyer

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Killerwitwen - Charlie Meyer

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      „Also, das ist doch!“, murmelte sie empört. „Ich hab’ Hunderte von Nägeln im Keller. Wozu sollte ich welche kaufen?“ Und versank für Minuten in eine tiefe innere Einkehr und nagte gedankenverloren am Bleistift. Wie diese Kerle aber auch gebrüllt hatten vor Lachen, und wie peinlich es gewesen war, als die rote Lola kam und alle drei sie so einfach auf der Straße stehen ließen. Bei dem Alten zu Hause dauert‘s bestimmt auch nochne kleine Weile, bis er einen ... Es musste doch am Alter liegen, dass sie die Beleidigungen so stumm hinnahm. Oder am Alzheimer. Blieb ihr diese aphasische Stummheit nun bis an ihr Lebensende erhalten? Und wo bitte schön war denn der Mumm in ihren eigenen Knochen? Kümmerling, würde Hermann hetzten, du bist schon genauso ein Kümmerling wie dein feiger Herr Sohn! Wehr dich gefälligst.

      Baldrian-Dragees, schrieb sie mit angenagtem Bleistift auf den Einkaufszettel. Darunter: Schlaf- und Nerventee. Klopapier, aber nicht wieder den billigen Krepp aus dem Osten, mit dem man sich die Haut vom Po scheuerte. Was noch? Marmelade? Zitronen? Mohrrüben? Ja, Zitronen vielleicht. Aber nur, wenn sie nicht so grün waren wie die letzten. Zucker? Salz? Einen Hammer? Nein, ein Hammer lag im Kellerregal neben der Keksdose mit den Nägeln. Aber das Salz könnte sie mitbringen. Jetzt gab es ja nicht nur welches mit Jod, sondern auch mit ... mit ... ? War das nicht dasselbe Zeugs, das man neuerdings gegen Fußpilz in öffentliche Freibäder schüttete? Dieses ... dieses ...

      „Alzheimer“, rief sie wütend und begann, um den Esszimmertisch zu wandern. Sollte sie oder sollte sie nicht? Wenn du es nicht tust, flüsterte das Teufelchen eindringlich, dann gehörst du auch schon zu den alten Schnepfen, die sich kampflos rupfen lassen.

      „Na schön“, nuschelte sie unterlippeknabbernd, „aber sag hinterher bloß nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

      Etwas wurde ihr nur zu deutlich bewusst, als sie bedächtig die Kellertreppe hinunterstieg, den Blick fest auf die Kühltruhe gerichtet, an deren rechter oberer Ecke vor fünfzehn Jahren dieses graue Zeugs aus Hermanns Kopf geklebt hatte. Das Alter forderte Tribut. Bei der Sache mit dem Meerschweinchen waren weder Entschluss noch Ausführung der Bestrafung ein Thema gewesen, und jetzt zitterten ihr schon die Knie, wenn sie bloß in den Keller sollte, um das Werkzeug zu holen.

      Sie schüttete eine Asselfamilie aus der Einkaufstasche, klaubte im hinteren Keller Hammer, Kneifzange und die blecherne Nagelkeksdose aus dem Regal, und stieg mit Butterknien die Treppe wieder hinauf. Die meisten Nägel waren verrostete Reliquien aus Hermanns halbherziger Handwerkerperiode Anfang der Sechziger. Meist kleine ungeeignete Bildernägelchen. Aber es gab auch ein paar größere, und einer davon schien ihr durchaus geeignet. Er war lang, dünn und spitz, besaß aber einen breiten Kopf. Ob es derselbe war, den sie damals benutzt hatte?

      Durch das Esszimmerfenster sah sie Kreszentia Kuhn gebückt den Weg hinter den Gärten entlangschlurfen, in der linken Hand die gelbe Sprühdose Ameisentod, rechts die rote Dose mit dem durchgestrichenen pinkelnden Hund auf dem Etikett. Beides nutzte wenig, aber die Zimtzicke Kuhn zeichnete von jeher eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit aus, und sie schien wild entschlossen, in verstärktem Maße nach der Flucht ihres Karls, keinerlei persönliche Niederlagen mehr dulden zu wollen. Emmi ächzte vor Aufregung. Was, wenn vor ihrem Haus ebenfalls jemand herumschlich und sie bei ihrem Treiben überraschte. Was, wenn Sauerbachs sie aus ihrem Wohnzimmerfenster beobachteten, oder der gelähmte Meier in seinem Rollstuhl irgendwo zwischen den Büschen seines Gartens lauerte. Was, wenn die Taube hinter der Gardine hockte? Was, wenn die beiden großen stämmigen Möbelpacker sie auf frischer Tat erwischten und gewalttätig wurden?

      Emmi ließ sich schnaufend auf einen Stuhl fallen und versuchte, das Gedankenwirrwarr zu enttoddern. Ihre Finger schlossen sich um den langen kalten Nagel. „Hab Vertrauen, Emmeline“, murmelte sie dumpf. „Steh auf und tu es einfach.“

      Sie gehorchte, schlich auf Zehenspitzen in den Flur, als gelte es einen Eindringling rücklings zu überfallen, und horchte an der Wand. Stimmengewirr und Geschirrklappern. Die rote Lola bewirtete noch ihre Gäste. Die Einkaufstasche am Arm trat Emmi vor die Tür und schloss mit unruhigen Fingern das Fahrrad auf. Die Aufregung pulste durch ihre Adern, eine Hitzewallung trieb ihr kleine Schweißtröpfchen auf die Stirn, und am Gartentor blieb sie mit weichen Knien stehen und sah sich unauffällig um.

      Also wirklich, alt zu werden war einfach nur lästig.

      Sie zauderte. Im vorderen Reihenhaus stand in Meiers Schlafzimmer der eine Fensterflügel offen, und der Wind blähte die Gardine. Konnte der Meier sie noch sehen, wenn sie hinter Sipkovs hoher Buchenhecke hockte? Sie peilte die Linie Fenster-Hecke an und schüttelte erleichtert den Kopf. Nein, der nicht, dafür aber mit Sicherheit die olle Taube, sollte sie auf die Idee kommen, sich hinter die halb vorgezogene Gardine ihres weit aufgerissenen Wohnzimmerfensters zu stellen. Die hatte es gerade nötig auch noch die Fenster aufzumachen, die alte Hexe, dabei besaß sie ohnehin schon die unheimliche Gabe, jedes Ereignis im Birkenpfuhl aus dem Effeff und in allen intimen Einzelheiten weiterzutratschen, auch wenn sie zu dem Zeitpunkt nachweislich nicht einmal in der Stadt gewesen war, und die Beteiligten sich am nächsten Laternenpfahl aufzuhängen drohten, wenn sie der Taube gegenüber auch nur die Andeutung einer Andeutung angedeutet hätten. Hieß es da nicht das Schicksal herausfordern, sich trotz des schon vorbereiteten Taube‘schen Logenplatzes an den Reifen zu wagen?

      Emmi stöhnte gequält, von Zweifeln geplagt. Sollte sie oder sollte sie nicht? Ja oder nein? - Nein, sie würde es nicht tun. Es war viel zu riskant. Hier gab es keinen verlassenen Parkplatz vor einem sonntäglich verrammelten Supermarkt in der Abenddämmerung, wie damals bei dem Kühlwagen, sondern nur einen buntkiesigen knirschenden Weg zwischen zwei Reihenhäusern an einem Samstagmorgen zur besten Einkaufszeit. Langsam schob sie das Fahrrad den Weg hinunter, schielte erst über die Heckenrosenhecke in Woitzacks Garten und dann über die Buchenhecke in Sipkovs Garten. Niemand zu sehen. Weder in den Gärten, noch auf der Straße, so weit sie für Emmi einsichtig war. Auch nicht im Führerhaus des Möbelwagens, der hoch und blau quer vor der Mündung des Weges parkte. Dafür stand aber die Haustür der roten Lola weit offen. Und eben, als sie ein weiteres Mal zehenspitzig spähte, und sich gerade streng zur Ordnung rief, schwing dich auf dein Fahrrad, Emmeline, und fahr einfach einkaufen, da tönte doch aus dem dunklen Schlund des Hauses ein dröhnendes Gelächter, und ertappt zuckte sie zurück und spürte hitzig den Blutandrang im Kopf. Die schon wieder! Sicher saßen sie jetzt alle zusammen, wiederholten ein ums andere Mal diesen schweinischen Witz und lachten über die drollige Alte, die nur ein Un-mög-lich über die Lippen gebracht hatte. Nun gut, es reichte. Das Lachen würde ihnen bald vergehen. Nagel und Hammer waren griffbereit. Entschlossen und angestachelt durch die nicht enden wollenden Heiterkeitsbekundungen aus dem Woitzack’schen Hause stellte sie das Fahrrad auf den Ständer, hockte sich vor dem rechten Vorderreifen des Möbelwagens auf den Weg und blickte sich hastig um. Sipkovs Hecke verbarg sie vollständig vor den Blicken der vorderen Reihenhausbewohner, sie selbst konnte nur noch den Dachfirst sehen, und zur linken verdeckten die Heckenrosen Lolas offene Tür. Emmi spitzte zufrieden die Lippen. Damit setzte sie sich allenfalls der Gefahr aus, dass plötzlich Sauerbachs hinter ihr den Weg hinuntertrippelten, um zum samstäglichen Einkauf in den Supermarkt zu fahren - Schmidtchen Schleicher und sein Pusselchen. Oder die olle Taube am Fenster hockte. Sie sah sich noch einmal um. Sauerbachs Wohnzimmerfenster füllte eine gelbe Jalousie aus, und Taubes Gardine hing schlaff herunter.

      Nur eine Frage der Schnelligkeit, dachte Emmi, schlang hastig das Handtuch um den Hammerkopf, setzte die Spitze des langen dünnen Nagels in eine der tiefen Reifenrillen und schlug kräftig zu. Der Nagel federte zurück und ließ ihren ganzen Körper erzittern. Sie stutzte und schlug ein zweites Mal zu! Der Nagel federte zurück. Emmi runzelte die Stirn. Waren die beiden Reifen des Kühlwagens nicht viel durchgängiger gewesen? Längst nicht so hartnäckig? Sollte sich in den knapp dreißig Jahren so viel in der Reifenherstellung geändert haben? Gab es vielleicht sogar schon nagelsichere Reifen? Emmi biss die Zähne zusammen und hob den Hammer so hoch es ihr ratsam schien, um den Nagelkopf und nicht ihre Finger zu treffen, als

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