Der 7. Lehrling. Volker Hesse

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Der 7. Lehrling - Volker Hesse

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style="font-size:15px;">      Wenn er einen Nagel berührte, erzählte ihm dieser seine Geschichte. Wie er geschmiedet worden war. Dass er vielleicht einmal ein Hufeisen an einem Reitpferd festgehalten hatte.

      Zuerst hatte Quentin gedacht, ihm würde das alles einfach nur einfallen. Zuerst hatten die anderen Kinder auch immer gelacht. Die Erwachsenen hatten gesagt, er habe „eine blühende Fantasie“. Aber Quentin merkte immer deutlicher, dass er nicht fantasierte, sondern tatsächlich etwas besaß, was die anderen nicht hatten.

      Und als er immer wieder Dinge erzählte, die tatsächlich wahr waren, die er aber nie und nimmer wissen konnte, zogen sich die Kinder – meist auf Geheiß ihrer Eltern – mehr und mehr von ihm zurück.

      Da war zum Beispiel die Sache mit dem Bilderrahmen im Haus des Schusters. Der umrahmte ein Bild von einem bunten Blumenstrauß. Als Quentin ihn berührte, wusste er sofort, dass früher einmal das Bild von der Mutter des Schusters darin gehangen hatte. Der Schuster staunte nicht schlecht, als Quentin ihn neugierig fragte, was er denn mit dem Bild seiner Mutter gemacht habe.

      Es dauerte nicht sehr lange, da wurden seine Eltern von den Nachbarn gemieden. Das war besonders deshalb schlecht, weil sein Vater eine Mühle hatte und für die Bauern das Korn mahlte. Das Geschäft ging immer schlechter. Im Dorf wurden schon Worte wie „die Hexenmühle“ hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Schon zweimal hatte irgendjemand versucht, die Mühle anzustecken. Zum Glück hatte die Familie das Feuer jedes Mal rechtzeitig bemerkt, sonst wäre alles niedergebrannt.

      Simon war das mit den Geschichten egal. Er hatte viel Spaß mit Quentin. Vielleicht hätten die anderen Kinder das ja auch gern gehabt, aber sie hatten nun mal Eltern, die sagten: „Spiel nicht mit Quentin, der ist komisch, der passt nicht hierher!“

      Bei Simon war das anders. Er wohnte beim Gastwirt in der Dorfschänke. An seine Eltern konnte er sich kaum noch erinnern. Seine Mutter war kurz nach seiner Geburt gestorben, und sein Vater war eines Tages vom Bäumefällen im Wald nicht mehr zurückgekommen. Da hatten ihn die Wirtsleute bei sich aufgenommen. Er musste natürlich in der Wirtschaft helfen, aber das war für ihn eher ein Spaß als eine Arbeit. Jedenfalls sagten der Wirt und seine Frau nichts zu Quentins Geschichten.

      Simon zog Quentin sogar manchmal damit auf. Wenn die beiden auf ihren Entdeckungsreisen an einem Wegstein vorbeikamen, sagte Simon zum Beispiel: „Quentin, fass doch mal den Stein da an! Ich würd’ gern wissen, wann der Marketender mit den süßen Sachen wieder ins Dorf kommt!“

      Dann kam der schlimmste Tag in Quentins Leben. Sein Vater nahm ihn beiseite und sagte mit sorgenvollem Blick: „Mein Junge, Deine Geschichten machen uns das Leben immer schwerer. Wir haben bald keine Arbeit und auch kein Essen mehr, weil die Leute nicht mehr zu uns kommen. Wir müssen aber doch essen und trinken! Es ist einfach so: Du machst den Leuten Angst mit diesen Geschichten. Der Himmel allein weiß, wie Dir immer solche Sachen einfallen! Du kannst wohl nichts dafür, aber Du bist irgendwie anders als die anderen. Und die Leute mögen es nicht, wenn jemand anders ist. Quentin, Du bist jetzt alt genug, um bei einem Handwerksmeister in die Lehre zu gehen. Es zerreißt mir das Herz, Dich fortzuschicken, aber es ist für uns alle besser, wenn Du gehst und anderswo Dein Glück suchst!“

      Er gab ihm einen Rucksack voll mit nützlichen Sachen, seine Mutter packte ihm ein wenig zu essen ein. Jedes seiner sechs Geschwister gab ihm noch ein kleines Andenken mit.

      Dann kam die Stunde des Abschieds. Sie waren alle sehr traurig, aber sie schickten ihn von zuhause weg. Quentin verstand nicht, warum das so war. Aber er war dreizehn Jahre alt, und er war ein folgsames Kind. Und deshalb tat er, was seine Eltern von ihm verlangten, auch wenn es ihm noch so schwer fiel.

      Als er ging, verschwamm der Weg nach Norden in seinen Tränen. Er hatte noch nicht einmal Simon Lebewohl sagen können.

      #

      Quentin öffnete verschlafen die Augen und blinzelte in die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Über seine Gedanken an zuhause musste er eingeschlafen sein. Es war kühl, aber die Nacht war trocken geblieben. Das Feuer war heruntergebrannt, aber als Quentin ein bisschen in der Asche stocherte, fand er noch ein wenig Glut. Er legte dünne Zweige an und blies ganz vorsichtig in die Asche, bis eine kleine Flamme aufflackerte. Schnell brannte ein Feuer, an dem Quentin sich wärmen konnte. Der Rest des leckeren Karpfens, den er am Vorabend nicht mehr geschafft hatte, vertrieb die letzten traurigen Gedanken.

      Nach einer Weile machte er sich auf den Weg. Wieder Richtung Norden, ohne ein echtes Ziel. Das würde sich schon von allein ergeben, da war Quentin sich sicher.

      #

      Korbinian begann seinen Tag mit einem frühen Spaziergang durch das um diese Zeit noch sehr ruhige Dorf Filitosa. Filitosa war eine weitläufige Anlage, die vor unzähligen Generationen mitten im Wald, weitab von der nächsten Ansiedlung, angelegt worden war. Es gab Bauernhöfe, ein Sägewerk, eine Tischlerei, eine Schmiede, eine Käserei, einen Metzger, einen Bäcker, eine Töpferei, eine Glasbläserei, eine Imkerei, eine Mühle, eine Weberei, ein kleines Weingut, eine Schneiderei, und all das umrahmte der dichte Wald in Form eines großen Pentagramms. Im Zentrum lag ein großes wehrhaftes Gebäude. Es bildete die Hauptunterkunft der Zauberer und Hexen.

      Das Dorf war unabhängig von jeglicher Versorgung, und zwar mit Absicht. Als die Menschen begannen, sich mehr und mehr von den Magiern abzuwenden, sie aus ihren Dörfern zu verjagen oder schließlich sogar zu verfolgen, beschloss die große Versammlung, einen sicheren Rückzugsort zu gründen. Und so schufen sie das Dorf Filitosa. Alle Wege dorthin waren mit mächtigen Zaubern geschützt, und niemand, der nicht über die Gabe verfügte, hätte das Dorf jemals gefunden.

      Die Betriebe in Filitosa wurden allesamt von fast ausgelernten Lehrlingen geführt, ältere Magier kümmerten sich als Lehrmeister nur um die handwerkliche Ausbildung. Alle Lehrlinge erlernten so neben der Magie auch einen richtigen Beruf, der ihnen das Leben in der Welt der Menschen erleichterte. Etliche Hexen und Zauberer lebten auf diese Weise in den Dörfern und Städten außerhalb von Filitosa, ohne jemals aufzufallen.

      Der Name Filitosa kam übrigens nicht von ungefähr: Viele Orte mit magischer Bedeutung auf der ganzen Welt trugen diesen Namen. Als die Zauberer und Hexen damals dem Dorf seinen Namen gaben, hofften sie, dass damit Magie in seine Mauern einziehen würde. Nun, ob es tatsächlich am Namen Filitosa lag, konnte nach der langen Zeit niemand mehr herausfinden. Tatsache blieb, dass aus Filitosa im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte ein äußerst magischer Ort geworden war.

      #

      Korbinian begrüßte auf seinem Weg durch Filitosa alle, die um diese frühe Zeit schon unterwegs waren. Er kannte hier jeden mit Namen, obwohl das Dorf insgesamt auf etwa einhundertundsechzig Hexen, Zauberer und Lehrlinge kam. Korbinian nahm sich für alle Zeit, die sich mit kleinen oder größeren Anliegen an ihn wandten. Das verstand er nicht nur als seine Pflicht, er tat es gern. Außerdem spielte Zeit in Filitosa keine wirklich große Rolle. Über die Hast der Menschen konnte Korbinian meist nur lächeln. Nur im Moment nicht. Das Problem mit der unbesetzten Lehrlingsstelle war tatsächlich sehr ernst. Er hatte noch keine Idee, wie sie es schaffen sollten, in der Zeit bis zum übernächsten Vollmond einen geeigneten Kandidaten zu entdecken. Hoffentlich würde die Versammlung eine Lösung finden. Korbinian war zum ersten Mal in seinem langen Leben wirklich ratlos.

      Als er an der Bäckerei vorbeikam, konnte er dem Duft nicht widerstehen, der aus der offenen Tür wehte, er zog ihn magisch an. Mit einem Lächeln darüber, dass er gerade in Gedanken auch Brot und Brötchen in die Familie der Magier aufgenommen hatte, betrat er die Bäckerei.

      #

      Adina,

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