Der 7. Lehrling. Volker Hesse

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Der 7. Lehrling - Volker Hesse

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      Als wiederum zwei quälende Stunden ohne Ergebnis vorüber waren und der Nachmittag sich langsam dem Ende neigte, erhob sich Korbinian von seinem Stuhl.

      „Ehrwürdige Brüder und Schwestern. Es ist zu Recht diesem erfahrenen Gremium vorbehalten, die richtigen Wege zu finden und zu bestimmen. Bislang haben wir das auch immer geschafft.“ Zustimmendes, erschöpftes Nicken in der Versammlung.

      „Aber wie ich feststellen muss, sind keine weiteren Vorschläge mehr da, und auch ich bin mit meinen eigenen Ideen längst am Ende angelangt. Wir haben heute zum ersten Mal versagt.“ Die Betroffenheit und das stille Eingeständnis, keine einzige Idee mehr zu haben, waren aus jedem Gesicht deutlich herauszulesen.

      „Aber vielleicht gibt es doch noch eine kleine Hoffnung.“ Müde, zweifelnde Augenpaare wandten sich ihm entgegen, hier und da blitzte ein kleiner Schimmer Zuversicht auf.

      „Als ich heute Morgen durch das Dorf spazierte, traf ich eine erstaunliche junge Hexenschülerin mit einer noch erstaunlicheren Idee.“ Sofort schlug die Stimmung um. Korbinian wollte ihnen offensichtlich schon wieder irgendwelche grünschnäbeligen Pläne auftischen. Das hatte jetzt gerade noch gefehlt! Nicht genug damit, dass er erst vor Kurzem den Wandergesellen einen schier unglaublichen Auftrag verschafft hatte, jetzt kam er sogar mit der Idee einer Schülerin um die Ecke! Korbinian musste den Verstand verloren haben! Mehrere Magier sprangen auf und machten ihrem Unmut mit deutlichen Worten Luft. Die Versammlung drohte aus den Fugen zu geraten.

      Da schlug Korbinian so fest mit der Faust auf den Tisch, dass es laut durch den ganzen Saal krachte. Er donnerte die Versammelten an: „So! Ihr haltet das für Unfug, was? Ihr, die ihr seit Stunden hier sitzt und keine einzige brauchbare Idee präsentieren könnt! Ihr, die ihr in diesem Jahr nur vier von sechs Lehrlingen gefunden habt, obwohl ihr alle wusstet, dass wir sieben brauchen? Ihr, die ihr mit Euren Einfällen genauso wie ich völlig am Ende seid? Ihr besitzt tatsächlich die Überheblichkeit, Euch diesen Vorschlag noch nicht einmal anhören zu wollen? Wenn aus unseren Überlegungen auch nur eine einzige brauchbare Lösung hervorgegangen wäre, glaubt mir, ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, euch diesen Vorschlag zu unterbreiten. Aber so wie ich die Situation sehe, können wir weder wählerisch sein, noch uns einbilden, immer die einzig guten Lösungen für alles zu haben. Also setzt euch gefälligst wieder hin und hört euch erst einmal an, was ich zu sagen habe!“

      Korbinians Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Diejenigen, die gerade noch laut schimpfend herumgestanden hatten, setzten sich wieder und schwiegen. Eingebildet zu sein, wollte sich keine Hexe und kein Zauberer unterstellen lassen. Und irgendwie hatte Korbinian ja auch recht: Es konnte nicht schaden, sich die Idee anzuhören. Vermutlich war der Vorschlag sowieso nicht besser als das, was sie bisher diskutiert hatten. Er würde genauso scheitern wie alle anderen bisherigen Versuche. Vielleicht sah Korbinian dann endlich ein, dass es Zeitverschwendung war, sich die unausgegorenen Fantasien von jungen Lehrlingen anzuhören.

      #

      Quentin schlief tief und fest. Er hatte einen schönen Lagerplatz an einem Bach gefunden. Eine uralte Trauerweide streckte ihre mächtige Krone zur einen Hälfte über das Wasser und zur anderen Hälfte über das Ufer. Mit ihren lang herabhängenden Ästen hatte sie auf diese Weise einen kreisrunden Platz geschaffen, der gegen Wind, Regen und insbesondere neugierige Blicke gut schützte. Man brauchte das Versteck noch nicht einmal zu verlassen, um frisches Wasser zu holen, schließlich floss der Bach geradewegs an der Weide vorbei. Die Zweige waren so dicht, dass sogar der Schein eines kleinen Feuers von außen kaum zu sehen war, während im Inneren ein sehr behaglicher und warmer Raum entstand. Quentin hatte sich ein Feuer gemacht und seinen kleinen Topf daraufgestellt. Dann hatte er mit seinem Taschenmesser die Champignons geputzt und zusammen mit etwas klein geschnittenem Speck und wildem Lauch gebraten. Was für ein Festmahl! Nach dem Essen hatte er noch eine Weile ins Lagerfeuer geschaut und war irgendwann eingeschlafen.

      Quentin träumte von der Stadt Balsberg und malte sich in den buntesten Farben aus, was er alles erleben würde. So lag er friedlich schlummernd am langsam niederbrennenden Feuer, während am Himmel über der alten Trauerweide die Sterne ihre Bahn zogen.

      #

      Korbinian hatte den Hexen und Zauberern Adinas Plan dargelegt. Bevor jedoch darüber diskutiert wurde, unterbrach er die Versammlung für das Abendessen.

      Der Speisesaal war riesig. Lange Tische und Bänke standen unter hohen Kreuzgewölben, deren Bögen auf gewaltigen siebeneckigen Pfeilern ruhten. Pentagramme, geheimnisvolle Schriftzeichen und Reliefs schmückten die Schlusssteine jedes einzelnen Gewölbes. Die langen Wände waren mit Bildern verziert, die Geschichten aus dem Leben der Magier vor einigen hundert Jahren erzählten. An jedem Pfeiler waren sieben Fackeln angebracht, die ein helles, unruhiges Licht in den Saal warfen und die Figuren auf den Wandgemälden scheinbar zum Leben erweckten.

      Alle Magier waren gern in diesem Saal. Sie fanden ihn sehr gemütlich, und oft kam es vor, dass sich ein Abendessen bis tief in die Nacht erstreckte.

      Während alle im großen Speisesaal saßen und hungrig über den leckeren Braten, die Kartoffelklöße und das Gemüse herfielen, wurde natürlich über Adinas Vorschlag geredet. Und hier, abseits der eher strengen Versammlungsregeln, geschah etwas Unerwartetes: Es gelang den Befürwortern der Idee, die Zweifler langsam, aber sicher auf ihre Seite zu ziehen. Korbinian merkte dies und beendete das Essen daher bei Weitem nicht so schnell, wie er eigentlich beabsichtigt hatte. Er musste schmunzeln: Er hätte nicht gedacht, dass bereits einige andere – und ihre Zahl war nicht gering – auf seiner Seite waren.

      #

      Es war ein eindeutiges Abstimmungsergebnis für Adinas Vorschlag. Korbinian war unendlich erleichtert – wenn Adina das erst hören würde!

      Den Versammelten war die Erleichterung ebenfalls deutlich ins Gesicht geschrieben. Nach der Rückkehr ins Convenium hatte die Beratung nicht mehr lange gedauert. Die unverhofften Helfer hatten gute Vorarbeit für Korbinian geleistet. Eigentlich ging es nur noch um die Art und Weise, wie der Plan umgesetzt werden sollte, und nicht mehr wirklich darum, ob er überhaupt von der Versammlung angenommen würde. Aber es gab ja auch keine Alternative.

      Korbinian ließ einen alten Rotwein ausschenken, dann stießen sie auf das Gelingen ihres Plans an. Und der sah so aus:

      Es gab ein Netz aus Beobachtern, das das ganze Land überspannte, alles erfahrene Hexen und Zauberer. Das waren natürlich die anwesenden Teilnehmer der Ratsversammlung. Sie waren alle zu ihrer jährlichen Sitzung angereist, auf der eigentlich die neuen Lehrlinge ausgewählt werden sollten.

      Außerdem gab es die wandernden Gesellen. Sie waren ebenfalls über das ganze Land verstreut und auf der Suche nach Arbeit, Erfahrung und – neuen Lehrlingen.

      Schließlich gab es noch etliche Magier, die ohne besondere Aufgabe über das Land verstreut oder in Filitosa wohnten, und die Lehrlinge, die in Filitosa ihre Ausbildung absolvierten. Die Versammlung hatte sich geeinigt, alle Lehrlinge ab dem dritten Ausbildungsjahr bei der Suche mit einzusetzen.

      Und all diese Hexen, Zauberer, Gesellen und Lehrlinge würden gemeinsam nach dem einen Lehrling suchen, den sie um jeden Preis bis zum übernächsten Vollmond gefunden haben mussten.

      Filitosa lag etwa in der Mitte des Landes. Das bedeutete, dass man vom Dorf aus gesehen die Suche so durchführen konnte, wie sich die Zeiger einer Uhr drehten. Auf diese Weise würde kein Dorf, keine Stadt, kein Flecken ausgelassen.

      Es sollten drei Ketten gebildet werden. Eine Kette würde bei 12, eine bei 4 und eine bei 8 Uhr mit der Suche beginnen und im Uhrzeigersinn vorwärts gehen. Jede Kette würde in einer festgelegten

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