DÄMONEN DER STEPPE. Michael Stuhr

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DÄMONEN DER STEPPE - Michael Stuhr

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Kind zu, holte weit mit dem Besen aus und ließ ihn mit voller Wucht im Halbkreis knapp über das Pflaster zischen. Der Schlag riss dem Mädchen die Beine unter dem Körper weg, so dass es klatschend auf das Steinpflaster schlug.

      Jäh verstummte das Geschrei der anderen Kinder und Ysell blieb ernüchtert stehen. Totenblass vor Schmerz und halb betäubt richtete das Mädchen sich auf und schaute ungläubig auf seinen Unterschenkel, der an einer Stelle leicht abgewinkelt war, wo er niemals hätte abgewinkelt sein dürfen.

      Endlose Augenblicke lang stand Ysell da und schaute auf das Kind hinab, das in stummem Schmerz sein Bein umklammert hielt und mit angstverzerrtem Gesicht zu ihr aufsah. Andere Gesichter tauchten auf. Gesichter von Kindern und Erwachsenen, die sich zu dem Mädchen hinunterbeugten und sich dann und wann Ysell zuwandten. Es war wie ein Alptraum, denn was Ysell in den Gesichtern sah, war reiner Abscheu vor ihr und ihrer Tat. Schuldig! - Das war es, was Ysell in allen Gesichtern las. Jetzt fing das Mädchen an laut zu weinen, und der Ausdruck in den Gesichtern der Menge wandelte sich zu nacktem Hass. Nichts wünschte sich Ysell mehr, als alles ungeschehen zu machen. Hätte sie sich doch nur besser beherrscht! - Schon lange bevor die Wachen kamen, hatte Ysell ihren Wutausbruch zutiefst bereut.

      „Du benimmst dich wie eine Sandviper“, stellte der Richter fest. „So geht das nicht! - Du kannst nicht jeden angreifen, dessen Gesicht dir nicht gefällt.“

      „Aber die anderen ...“, wollte Ysell einwenden.

      „Schweig!“, donnerte da der Richter plötzlich los und Ysell duckte sich vor der Gewalt seiner Stimme. „Du hast ein Kind schwer verletzt! Ein Kind, das viel kleiner ist als du! - Was immer es auch getan hat - dass es jetzt mit gebrochenem Bein daliegt und lange Zeit Schmerzen leiden muss, das hat es nicht verdient!

      „Ich weiß.“ Ysells Stimme war nicht mehr als ein Hauch. „Das wollte ich wirklich nicht. - Es tut mir so Leid.“

      Der Richter tat so, als nähme er Ysells Bedauern überhaupt nicht zur Kenntnis. „Da du also mit Menschen nicht umgehen kannst“, fuhr er scheinbar unbeeindruckt fort, „wirst du dich morgen bei den Zwingern der Trosshunde melden. Ein volles Jahr lang sollst du die Magd des Trossmeisters sein und ich rate dir dringend, dein Temperament zu zügeln - denn Trosshunde sind andere Gegner als kleine Mädchen - die können sich nämlich wehren!“

       DER ZWINGER

      Mit einem sehr mulmigen Gefühl meldete Ysell sich am nächsten Tag bei Trossmeister Bogan, der sie selbst am Tor des Zwingers in Empfang nahm. Trosshunde waren, soweit Ysell wusste, sehr große, halbwilde Tiere, die für alles andere als ihre Freundlichkeit bekannt waren. Nie sah man einen von ihnen in der Stadt, aber die Geschichten, die über sie erzählt wurden, waren Legion - und es waren alles sehr blutrünstige Geschichten.

      Alle paar Jahre, wenn die Bevölkerung der Stadt zu groß wurde, und die Ernten nicht mehr ausreichten, um noch alle ernähren zu können, wurde aus mehr oder weniger freiwilligen Kandidaten eine Gruppe gebildet, die `Land machen´ ging.

      So fanden sich dann in etwa jedem siebten Jahr Abenteurer und Glücksritter, Machthungrige und Arme zu einem Clan zusammen. Etliche Leute, denen der Boden in der Stadt aus irgendwelchen Gründen zu heiß geworden war, fanden hier genauso Aufnahme, wie Schuldner, denen die Gläubiger im Nacken saßen. Ertappte Gesetzesbrecher konnten sich schlimmerer Strafe entziehen, wenn sie freiwillig in die Verbannung gingen; und die Obrigkeit nutzte gern die Gelegenheit, die Gefängnisse zu leeren. Jeder konnte sich melden und niemand wurde abgelehnt, solange er noch einigermaßen laufen konnte. So waren denn jedes Mal auch viele Alte dabei, die mitgingen, um ihren Familien nicht zur Last zu fallen. In der ärmeren Bevölkerung war es nahezu eine Ehrenpflicht, sich im Alter einem Clan anzuschließen und die Stadt für immer zu verlassen.

      Diese Clans gingen natürlich nicht mit leeren Händen. Zelte, Vorräte, Werkzeuge, Waffen und sonstige persönliche Besitztümer mussten transportiert werden. Hoch beladene Tragtiere bildeten den Tross, der vor dem Clan herzog, das Gepäck beförderte und den Weg ebnete. - Diese Tragtiere und auch den Clan gegen die Gefahren der Steppe zu schützen, das war die Aufgabe der Trosshunde.

      Trosshunde waren von wuchtigem Körperbau, ungeheuer stark und kannten keine Angst. Sie konnten schneller laufen als ein Pferd, nahmen es auch mit den gefährlichsten Tieren auf; und selbst ein gut bewaffneter Kämpfer sollte der Legende nach keine Chance gegen sie haben. - Mit diesen furchtbaren Tieren sollte es Ysell jetzt jeden Tag zu tun haben. - Ihr war schlecht vor Angst.

      „Du wirst dich vor allem um Läufer kümmern“, brummte Bogan, als er mit Ysell über den Hof des Zwingers ging. „Ein Trosshund reinsten Blutes. - Leider nur ein wenig ungehorsam. Ich traue mich selbst kaum, ihn zu berühren - aber du wirst mit ihm schon fertig werden.“

      „I-Ist er groß? - Ist er gemein? - Beißt er? “ Ysell konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. Ein ausgewachsener Trosshund wog weitaus mehr als sie selbst und konnte armdicke Holzknüppel zwischen seinen Kiefern zermalmen. Was, wenn es ihm nun einfiel, sehr ungehorsam zu sein, und ihr kurzerhand ... Ysell mochte nicht weiterdenken. Die Knie wurden ihr schwach und willenlos taumelte sie dem Alten hinterher, der, mürrisch wie er war, natürlich keine Antwort gab.

      Auf der anderen Seite des Hofes war das eigentliche Zwingergebäude. Ein Schuppen, dessen eine Seite mit Eichenstäben vergittert war. „Deinen Hund konnte ich hier nicht unterbringen“, erklärte der Alte im Vorbeigehen „Die Gitter würden ihn nicht halten können.“

      Endlich stoppte Bogan vor einem geschlossenen Schuppen am Ende des Zwingergebäudes. Betont vorsichtig fingerte er an dem Riegel der schweren Tür herum und Ysell sah ganz genau, dass er sich so hinstellte, dass er von der sich öffnenden Tür gedeckt war, während sie vollständig ungeschützt auf dem Hof stand.

      Ysell kam es vor, als habe der Richter sie zum Tode verurteilt und Bogan sei der Vollstrecker. Knarrend schwang die schwere Tür auf. Mit jeder Faser ihres Körpers bereit, beim geringsten Anlass laut schreiend davonzulaufen, starrte Ysell angstvoll in das Dunkel hinein und sah - einen Welpen.

      „Das ist dann also Läufer“, stellte Bogan Ysell das Tierchen vor. „der Name täuscht aber - denn laufen kann er noch nicht so gut.“

      Der Alte hatte sie belogen! Ysell merkte, wie die Wut in ihr emporkroch. - Er hatte ihr Schauermärchen erzählt und sie zu seinem Vergnügen wie eine Marionette der Angst über den Hof taumeln lassen. Was erlaubte sich dieser Hohlkopf eigentlich? So konnte er vielleicht mit seinen Viechern umspringen, aber doch wohl nicht mit ihr!

      „Du verstehst sicher, dass ich ihn wirklich kaum berühren mag“, drang die Stimme des Alten wie von weit her in Ysells Geist. „Ich habe Angst, ihm mit meinen groben Händen wehzutun. - Und was den Zwinger angeht - die Stäbe könnten ihn tatsächlich nicht halten. Er würde einfach dazwischen durchlaufen.“

      Heiße Schauer wallten in Ysell auf. Dieser alte Trottel faselte einen so unerträglichen Blödsinn, dass sie es kaum noch aushalten konnte. Sie spürte genau, dass gleich wieder der Zorn in ihr hochkochen würde.

      In diesem Moment jaulte der Welpe im Schuppen angstvoll auf und wich mit tapsigen Schritten zurück. Dann überlegte er es sich aber plötzlich anders, das kurze Fell stellte sich in seinem Nacken auf - und blitzartig machte er mit hochgezogenen Lefzen und zurückgelegten Ohren Front gegen Ysell.

      „Was ist denn das?“ Ysell schaute fassungslos auf das winzige Tierchen, das zähnefletschend in dem Verschlag stand - und vergaß dabei ganz, sich noch weiter in ihre Wut hineinzusteigern.

      „Er hat gespürt, dass du

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