DÄMONEN DER STEPPE. Michael Stuhr
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Bogan hatte kein Wort gesagt und dem Tier auch kein Zeichen gegeben, als die Hündin plötzlich den Blick von Ysell nahm und zu ihm aufschaute, als habe sie ein Kommando vernommen. Dann ging sie langsam auf Ysell zu, beschnüffelte ihre Hand - und gab den Weg in den Schuppen frei.
„Geh nur“, wurde Ysell von Bogan ermuntert. Ich habe ihr gesagt, dass du freundlich bist, du brauchst keine Angst mehr zu haben.“
„Ich habe keine Angst“, presste Ysell hervor, denn die Furcht schnürte ihr die Kehle zu.
„Dann muss Féira sich wohl irren“, stellte Bogan fest „Das ist seltsam, denn sie irrt sich fast nie.“
„Féira heißt sie? Kann sie spüren, was ich denke?“ Ysell stand wie angewurzelt da. Der große Hund machte ihr immer noch Angst.
„Sie spürt, was ich denke“, erklärte Bogan „Bei dir spürt sie nur, was du fühlst. Sie hat dich übrigens Zweibein-Welpe genannt. Sie sieht keine Bedrohung in dir.“
Zweibein-Welpe! - Das gab Ysell den nötigen Schub. Sie sah sich eher als junge Frau und wollte auch entsprechend behandelt werden. Tapfer ging sie in den Schuppen hinein und schaute sich nach Läufer um.
Obwohl im Schuppen nur Dämmerlicht herrschte, erkannte Ysell Läufer sofort. Die Welpen lagen alle auf einem Lager aus Stroh. Läufer thronte in der Mitte und nuckelte am Ohr eines Geschwisterchens. Plötzlich aber, als habe sie ihn gerufen, ließ Läufer Ohr Ohr sein und sah Ysell an. Hastig strampelte er sich aus dem Nest heraus.
Ysell sah den Welpen an und beugte sich zu ihm nieder. Läufer schien ihr nichts nachzutragen; neugierig kam er auf seinen dicken Pfoten angetapst und sah sie treuherzig an. Ysell spürte, wie etwas in ihrem Inneren nachgab und ganz weich wurde. Liebevoll hielt sie dem Tierchen zur Begrüßung den Zeigefinger entgegen und konnte sich vor Lachen kaum halten, als es unverzüglich anfing, daran zu saugen.
„Nun, Ysell - wie hat dir der erste Tag deines Dienstes gefallen?“, wollte Bogan später wissen und schaute sie ernst an.
„Hm - ja - ganz gut.“ antwortete Ysell, denn es war ja wirklich nicht alles nach Wunsch verlaufen.
Bogan ließ sich durch das Zögern nicht beeindrucken. „Dann kann ich also morgen wieder mit dir rechnen.“ Das war keine Frage, das war eine Feststellung.
„Ja“, bestätigte Ysell „Natürlich!“
„Dann bis zwei Handmaß vor Frühsonne.“ Ysell war für heute entlassen. Sie ging auf direktem Weg nach Hause, verschmähte ihr „Abendessen“ und fiel sofort todmüde ins Bett. Eigentlich hätte sie ja Sabé suchen und ein wenig mit ihm plaudern können - aber das ließ sich ja immer noch nachholen.
Mit jedem Tag, den Ysell länger im Zwinger arbeitete, trat ihr vorheriges Leben mehr und mehr in den Hintergrund. Bald schon konnte sie sich kaum noch vorstellen, dass sie früher den ganzen Tag lang in der Stadt herumgelaufen war. Die Langeweile, die sie früher zu den wildesten Streichen getrieben hatte, war vollständig verflogen. - Im Gegenteil: Ysell hatte manchmal den Eindruck, die Tage seien kürzer geworden - zu kurz, um all das zu erledigen, was zu tun war.
Früh am Morgen schon stand sie jeden Tag vor dem Tor des Zwingergeländes und begehrte Einlass. Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, kurz bei Féira und ihren Welpen vorbeizuschauen, bevor der reguläre Dienst begann. Bald schon forderten die Trossleute Ysell dann für alle möglichen Arbeiten auf dem Gelände an. So half sie ihnen, Futter und Wasser zu den Gattern der Tragtiere zu schleppen, fasste mit an, wenn es galt, die Gehege zu reinigen und machte sich nützlich, wo immer sie konnte - alles, um zur Hochsonne und am Abend schnell noch ein paar Fingermaß lang mit Läufer spielen zu dürfen. Nach Einbruch der Dunkelheit wankte sie dann todmüde nach Hause und schlief so lange, bis es Zeit war, wieder zum Zwinger zu gehen. Es war kein böser Wille, der Ysell davon abhielt, Sabé zu suchen, und ihm von ihrem neuen Leben zu erzählen - sie hatte einfach keine Zeit.
Ysell war dabei, die Zaunpfosten eines Gatters dick mit einer übel riechenden, braunen Paste anzustreichen, um sie vor dem ewig schmirgelnden Sand, den der Steppenwind zwischen sie wirbelte, zu schützen. Sie schaute den Zaun entlang, aber die nächsten Trossleute waren über hundert Schrittmaß weit entfernt im nächsten Gehege - keine Chance, sich ein wenig mit ihnen zu unterhalten. Die Gatter waren schon alt und nur der guten Pflege durch Bogan und seine Vorgänger war es zu verdanken, dass überhaupt noch etwas davon vorhanden war. Ein schutzlos dem Wind ausgesetztes Stück Holz hätte dem stetigen Ansturm der dünnen Staubfahnen nicht standhalten können und wäre innerhalb weniger Jahre zu Pulver zerrieben worden. Ysells Arbeit war also wichtig, das wusste sie, aber sie war auch eintönig und lästig. So sehr sie sich auch einzureden versuchte, dass es eine große Ehre sei, den Zaun der Tragtiere vor dem Zerfallen zu bewahren, der Spaß an der Arbeit wollte sich heute einfach nicht einstellen. So verlängerte Ysell ihre Qualen auch noch unnötig, indem sie trödelte. Lustlos tauchte sie den Pinsel in die zähe Pampe und schmierte das Zeug widerwillig und missmutig auf die Pfosten. Obwohl es erst ein Handmaß vor Frühsonne war, taten ihr schon jetzt die Finger und Handgelenke weh.
Wenn doch bloß irgend etwas passieren würde, das sie von dieser Fron erlöste. - Ein Sandsturm vielleicht, oder ein Wolkenbruch, der das Land überschwemmte - vielleicht sogar ein Steppenbrand, der das Gehege bedrohte. - Das wäre richtige Arbeit! Da könnte man sich bewähren! Sie, Ysell, würde als Einzige dem Sturm trotzen und die Tragtiere ungeachtet der sie umtosenden Sandmassen in Sicherheit bringen. - Oder wenn bei der Überschwemmung alle anderen nur darauf bedacht waren, nicht zu ertrinken, würde sie sich heldenhaft in die Fluten stürzen und die Tiere auf den nächsten Hügel treiben. - Und bei einem Steppenbrand erst! Da würde sie ...
Ysell war ganz in ihrem Heldentraum gefangen und hörte das Herannahen der zwei kämpfenden Hengste zu spät. Die weichen Fußballen der Tragtiere verursachten kaum ein Geräusch auf dem sandigen Boden der Koppel.
Plötzlich stürmten zwei große Schatten auf der anderen Seite des Zauns heran und krachten in vollem Lauf gegen die Planken. Das oberste der drei langen Hölzer zerbrach mit einem splitternden Laut und Ysell sprang schnell zurück, um nicht von den herabfallenden Teilen getroffen zu werden. Der Pinsel fiel ihr aus der Hand und der Eimer mit dem Schutzanstrich kippte um, als der schwere Balken auf ihn fiel.
Die zwei Tragtiere, die in den Zaun hineingerannt waren, wirbelten herum und durchquerten die Koppel abermals in rasendem Galopp. Ysell erkannte Jomo und Arkas, zwei von Nekois Hengsten. Arkas war Jomo dicht auf den Fersen und trieb ihn mit Bissen in die Kruppe und den Höcker vor sich her. Arkas war viel schneller als Jomo und jedes Mal, wenn dieser die Richtung ändern wollte, war er schon neben ihm und trieb ihn weiter auf den gegenüberliegenden Zaun zu. Wieder krachte Jomo gegen die Balken und Arkas drängte mit seinem Körper unbarmherzig nach. Dabei schnappte er nach der Schulter seines Rivalen und riss ihm das Fell auf einer handtellergroßen Fläche aus.
Blass, die Hände zu Fäusten geballt, stand Ysell dort, wohin der Schreck sie gebannt hatte, und wusste nicht, was sie tun sollte. Es war Paarungszeit, und in allen Gehegen kämpften die Hengste um die