DÄMONEN DER STEPPE. Michael Stuhr

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DÄMONEN DER STEPPE - Michael Stuhr

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Tiere, die sich anzupassen vermögen.“ Nekoi sah kurz zu Jomo hinüber, der nun auch wieder friedlich im Gehege stand und scheue Blicke auf Arkas warf. Der Druck an Ysells Schulter verstärkte sich kurz, dann stand Nekoi auf.

      So funktionierte Zucht? Eine endlose Folge von Verstümmlungen zum Nutzen der Menschen? Ysell schüttelte hilflos den Kopf. Unauffällig schielte sie nach Nekois Händen, denn sie war es gewesen, die Bogan bei seiner blutigen Verrichtung geholfen hatte; aber natürlich hatte sie sich sofort gewaschen und nicht die kleinste Spur von Arkas´ Blut war mehr zu entdecken.

      „Du warst übrigens sehr tapfer heute.“ Nekoi sah Ysell ernst an. „Aber mach so etwas besser nie wieder!“

      Sie und tapfer? Ysell sah Nekoi verständnislos an. Sie wusste nur davon, dass sie ohnmächtig geworden war, und das war peinlich genug. Wollte die Trossfrau sie etwa verspotten?

      „Tu bloß nicht so unwissend!“, lachte Nekoi. „Wir haben alle genau gesehen, wie du die Tiere davon abhalten wolltest, durch die Lücke zu springen. - Du hast ja den Weg erst freigegeben, als sie schon in der Luft waren.“

      Jetzt begriff Ysell. - Das meinte Nekoi also! Dass sie nur in wilder Angst mit den Armen gewedelt hatte, weil ihre Beine vor lauter Schreck wie gelähmt gewesen waren, konnten die Trossleute ja nicht wissen - und Ysell dachte im Traum nicht daran, die Sache richtig zu stellen. „Och ...“, meinte sie nur und machte eine unbestimmte Handbewegung, die Bescheidenheit vortäuschen sollte, dann stand auch sie auf und ging mit Nekoi zum Essen.

      Natürlich sprach es sich in Windeseile herum, dass die kleine Ysell sich ganz allein zwei rasenden Tragtieren im Paarungskampf entgegengestellt hatte, und für die Zeit des Essens war sie der Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie zur Heldin des Tages geworden war, weil sie vor lauter Angst nicht hatte weglaufen können - aber feiern ließ sie sich gerne, und nach der Pause schmerzte ihr die Schulter von den freundschaftlichen Klapsen, die die Trossleute ihr gegeben hatten.

      „Kannst du eigentlich lesen?“, fragte Nekoi unvermittelt, als sie nach dem Essen wieder zu den Gehegen hinausgingen.

      „Was? - Äh, wie bitte?“ Ysell war noch ganz in ihren Gedanken gefangen.

      „Ob du lesen kannst.“

      „Och, ein wenig.“ Das war nicht gelogen. Vor einiger Zeit hatte Ysell sich zeigen lassen, wie ihr Namenszeichen aussah, und sie würde es jederzeit wiedererkennen.

      „Willst du es richtig lernen?“, fragte Nekoi freundlich „Ich könnte dir jeden Tag ein wenig beibringen und mit dir üben.“

      „Du kannst lesen?“ staunte Ysell.

      „Ja“, bestätigte Nekoi „Und ich bin zahlenkundig!“ So etwas wie Wehmut schwang in ihrer Stimme mit, so als denke sie gerade an längst vergangene, bessere Zeiten.

      „Ich könnte es ja mal versuchen“, meinte Ysell nachdenklich.

      „Fein!“, freute sich Nekoi. „Dann komm doch morgen früh gleich zu mir. Ich werde mir für eine Handmaß frei nehmen und auch dafür sorgen, dass du Zeit dafür bekommst.“

      So kam es, dass Ysell jeden Morgen nach ihrem Besuch bei Läufer zuerst zu den Gehegen hinausging und mit Nekoi ein paar Lektionen durchnahm. Das Lesenlernen war nicht gerade eine Offenbarung für sie, weil Nekoi keine Bücher hatte, und die Schriftzeichen mit einem spitzen Stock in den Boden ritzte, aber Ysell begriff schnell und beide hatten eine Menge Spaß bei dem Unterricht. Es kam allerdings auch schon mal vor, dass Ysell nicht die rechte Lust hatte, aber auch an solchen Tagen ging sie zu Nekoi, um ihre neue Freundin nicht zu enttäuschen.

      Arkas Wunde heilte gut, und inzwischen war er ganz zahm und zutraulich geworden. Die anderen Tiere interessierten ihn nicht mehr und so konnte er sein Leben doch noch friedlich im Tross verbringen und der Gang zum Schlachthof blieb ihm erspart.

      „Ha! Jetzt nehmen sie dich aber richtig ran!“, stellte Ysells Vater belustigt fest, als sie ihm nach ein paar Tagen von den Leseübungen erzählte. Er schien das für einen Teil ihrer Strafe zu halten. Die Mutter schaute nur verständnislos und wunderte sich, was die Leute im Zwinger alles mit ihrer Tochter anstellten. - Das Kind war ja kaum noch wiederzuerkennen.

      Ysell war inzwischen über das einfache Buchstabenlernen hinausgekommen und konnte, wenn auch mit Mühe, schon ganze Wörter und Sätze entziffern. Das war sehr aufregend für sie und sie gab sich viel Mühe, denn Nekoi hatte ihr versprochen, sie auch noch in die Geheimnisse der Zahlenkunde einzuweihen, wenn sie erst richtig lesen könne.

      Ysells auferlegte und selbst gewählte Pflichten wurden also nicht weniger, und das Einzige, was sie an ihr altes Leben erinnerte, war, dass sie noch jede Nacht zu Hause schlief. - Aber auch das sollte sich bald ändern.

       BOGAN

      Ysell war nun schon seit einiger Zeit den Aufspürern als Magd zugeteilt. Es fielen zwar immer noch die schmutzigen, unangenehmen und schweren Arbeiten an, die die Hundezucht so mit sich bringt, aber Ysell wurde von allen im Zwinger als fleißige und willige Arbeiterin anerkannt. Sie fühlte sich den Trossleuten fast gleichgestellt, darum machte ihr die Verrichtung ihrer Pflichten nicht mehr so viel aus.

      Es gab aber auch angenehmere Arbeiten im Zwinger. Ysell durfte sogar mit den Aufspürern vor die Stadt gehen und dort in den Sandfeldern für die Trosshunde den Jumper spielen. Jumper waren in der Steppe die Hauptgefahr für die Clans. Die mannsgroßen, krebsartigen Tiere lauerten im Sand vergraben auf Beute und schnellten mit einem Riesensatz empor, wenn ein leichtsinniger Wanderer ihnen zu nahe kam. Also ging Ysell frühmorgens mit den Aufspürern und ein paar anderen Trossleuten in die Steppe, um sich dort eingraben zu lassen. Zunächst mussten alle zusammen aber das Sandfeld in verschiedenen Richtungen durchkreuzen, damit die Trosshunde sich nicht an den Spuren orientieren konnten. Nach diesem morgendlichen Dauerlauf, der gut eine Handmaß lang dauern konnte, wurden Ysell und die Trossleute von den Aufspürern flach auf dem Rücken liegend bis an die Nasenspitze im Sand vergraben. Dann endlich kam Bogan mit den Hunden und die Aufspürer trainierten mit den Tieren das Jumper-Finden. Zuerst hatte Ysell Angst gehabt, eines der großen Tiere könnte ihr im Eifer der Suche auf das Gesicht treten, aber diese Sorge war gänzlich unbegründet. Es war wirklich so, wie Bogan gesagt hatte, die Tiere spürten die Gedanken aller Lebewesen und fanden Ysell und ihre Gefährten jedes Mal, so gut sie sich auch versteckten - und da sie nicht wirklich Jumper waren, durften sie auch ihre Arme und Beine behalten.

      Ysell liebte die Trosshunde und es gab immer eine freundschaftliche Balgerei, wenn sie aufgespürt worden war. - Trotzdem ärgerte es sie, dass sie fast immer als Erste gefunden wurde. - Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, die Hunde hereinzulegen. Aber es war hoffnungslos. Die Trosshunde waren ganz vernarrt in Ysell und spürten natürlich, wo sie sich versteckt hatte, so sehr sie sich auch bemühte, ihre Gedanken unter Kontrolle zu halten. So hörte Ysell in ihrer flachen Mulde immer sehr schnell den schweren Galopp der vierbeinigen Jäger und wenn die Tiere so nahe an ihr vorbei stürmten, dass die aufstiebenden Sandkörner ihre Nasenspitze trafen, dann war es wieder mal so weit: Aufbrüllend schoss sie aus ihrem Versteck hervor - denn schließlich war sie ein Jumper - und begann mit dem nächstbesten Trosshund einen „fürchterlichen“ Ringkampf.

      Das Leben im Zwinger gefiel Ysell jetzt außerordentlich gut. Nahezu freudig beteiligte sie sich auch an den unangenehmen Drecksarbeiten, die nach wie vor anfielen und nie ein Ende nahmen. Ysell sah aber ein, dass die Tiere versorgt werden mussten und dass sie ihren Teil dazu beizutragen hatte. Außerdem winkte am Ende eines jeden Tages die Belohnung: Ysell durfte eine Handmaß lang mit Läufer spielen.

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