DÄMONEN DER STEPPE. Michael Stuhr

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DÄMONEN DER STEPPE - Michael Stuhr

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nur auf das Reden, denn nach und nach hatten sie immer mehr Gefallen aneinander gefunden. Nekoi und Bogan pflegten eine liebevolle Beziehung voller gegenseitigen Respekts, denn sie waren beide sehr stark - und wäre ihnen die sichere Freiheit nicht noch lieber als die Sicherheit einer festen Bindung gewesen, so hätten sie als Paar zusammengelebt.

      So kam es, dass Ysell nach wenigen Monden schon besser ausgebildet war als die meisten Bewohner der Stadt. Sie war sehr stolz auf ihre neuen Künste, und wenn es irgendwo etwas vorzulesen, zu schreiben oder zu rechnen gab, bot sie sich gerne an und erntete auch so manche kleine Belohnung für ihre Freundlichkeit. Bedauerlich fand sie nur, dass ihre eigenen Eltern so gar kein Gespür dafür zu haben schienen, wie stolz sie auf sich selbst war.

       LÄUFER

      Ysells Mutter machte Schwierigkeiten. Zuerst war es sehr schwer für Ysell gewesen, sie überhaupt dazu zu bewegen, sich einmal mit Bogan zu unterhalten. Tage waren darüber hinweggegangen. Dann aber, als sie schließlich doch mit Bogan und Ysell auf der Bank im Hof des Zwingers saß, entdeckte sie auf einmal die Liebe zu ihrer Tochter und machte Bogan schwere Vorwürfe, dass er ihr Kind in die Wüste locken wolle - einem ungewissen Schicksal entgegen. Ihr armes, blindes Kätzchen wolle mit offenen Augen in sein Verderben laufen, lamentierte sie und brachte es tatsächlich fertig, ein paar Tränen hervorzuquetschen. Dann verlegte sie sich unvermittelt aufs Feilschen und Fordern. Ihr Atem roch nach Wein, und Ysell schämte sich furchtbar. Nicht genug damit, dass ihre Mutter Bogan zwischen den Worten unterstellte, er habe noch andere als berufliche Absichten, was Ysell angehe, denn schließlich sei diese ja fast schon eine junge Frau - sie verlangte sogar noch Geld von ihm, damit sie ihm ihre Tochter überließ. Nur Bogans begütigenden und warnenden Blicken war es zu verdanken, dass Ysell nicht vor Scham und Wut mit erhobenen Fäusten auf sie losging.

      Bogan verhandelte sehr geschickt. Mit Meisterschaft spielte er den tumben Hundezüchter, der sich das Futter für seine Tiere zusammenbetteln müsse und dabei selbst kaum etwas zu beißen habe. Er hatte sofort gemerkt, dass es Ysells Mutter nur darum zu tun war, sich in den Vordergrund zu spielen, und er machte das Spiel Ysells wegen mit. Als er sie sogar nach einer kleinen Spende fragte, zog Ysells Mutter dann auch eilig, zwar ohne Geld - aber hoch erhobenen Hauptes - von dannen. Sicherlich in dem Gefühl, diesem ärmlichen, alten Hundetreiber haushoch überlegen zu sein. Ihre Genehmigung zu Ysells Anstellung hatte sie aber gegeben - und das war das Einzige, was zählte.

      Noch am Abend des selben Tages holte Ysell ihre Kleidung, ihr Bettzeug und all ihre kleinen Schätze von Zuhause ab. Bogan wies ihr ein Bett in einer Kammer direkt neben dem Zwinger an. Jetzt war sie eine Aufspürerin.

      Keiner freute sich mehr über Ysells Anstellung als Läufer. Der Welpe war ganz begeistert von Ysell. Langsam begann er, sich von seiner Mutter zu lösen und sich mehr und mehr seiner neuen Freundin zuzuwenden. Nachdem er das klein gehackte Fleisch, das Ysell den Welpen täglich brachte, zunächst misstrauisch beäugt und beschnüffelt hatte, beteiligte er sich schon bald an der Rangelei seiner Geschwister um die besten Brocken. Anschließend legte er sich flach auf den Bauch und wischte sich die Schnauze mit ruckenden Bewegungen auf dem staubigen Lehmboden des Hofes ab. Ysell versuchte einmal, ihm mit einem Lappen behilflich zu sein, aber das hatte er nicht so gern. Eigensinnig legte er sich nach überstandener Prozedur flach auf den Boden und sah nach kurzer Zeit einem feuchten Maulwurf wieder ähnlicher als einem stolzen Trosshund, der er ja mal werden wollte.

      Überhaupt nicht begeisternd fand Läufer auch die Behandlung, die Ysell ihm und den anderen Welpen auf Bogans Geheiß hin antun musste. Fünf Tage lang hatte sie jedem der Tierchen ein bitteres Gebräu einzuflößen, das Bogan in der Küche aus allerlei Kräutern selbst hergestellt hatte. „Entwurmen“ nannte er das und schärfte Ysell ein, nur ja recht genau damit zu sein, denn wenn die Welpen die Medizin nicht nähmen, dann würden sie bald schon sehr krank werden.

      Die Kräuterbrühe schmeckte wirklich abscheulich, wie Ysell feststellte, denn sie probierte natürlich ein paar Tropfen davon. Sie konnte schon verstehen, dass die Welpen sich winselnd hinter ihrer Mutter zu verbergen suchten, wenn sie das Gefäß und den Löffel bloß sahen. Ysell hatte aber mittlerweile überhaupt keine Angst mehr vor Féira, und die dachte überhaupt nicht daran, ihre Welpen zu beschützen, denn erstens hatte sie ihre Anweisungen von Bogan und zweitens spürte sie, dass Zweibein-Welpe es gut mit ihren Kindern meinte.

      Die Welpen wehrten sich nach Leibeskräften, wenn Ysell ihnen sanft, aber mit Nachdruck den randvollen Löffel zwischen die Kiefer zwängte. Sie strampelten, knurrten, zeigten die Zähne und versuchten fortzulaufen - aber es half alles nichts, Ysell war unerbittlich. Mehr als einmal musste sie den Löffel nachfüllen oder sogar neues Gebräu aus der Küche holen, wenn die Welpen die Schale wieder einmal umgeworfen hatten. - Aber so wild sich die jungen Hunde auch gebärdeten, nie versuchte einer von ihnen, Ysell wirklich zu beißen - es war nur ihre Art zu zeigen, dass sie das Zeug einfach ekelhaft fanden.

      Féira sah sich das ganze Spektakel auf den Hinterbeinen sitzend ruhig an und wartete darauf, dass wieder Ruhe einkehre. Seit sich die Welpen langsam an feste Kost gewöhnten, ließ sie sie immer seltener bei sich trinken und ihr Mutterinstinkt erlosch wirklich nach und nach, genau, wie Bogan es vorausgesagt hatte.

      Fast einen Mond lang dauerte es, bis Ysell dazu kam, sich abends einmal ihre mitgebrachten Kinderschätze genauer anzusehen.

      Es war Regenzeit. Gewaltige, schwarze Wolkenbänke waren aus dem Norden herangezogen und schon seit Tagen stürzten solch ungeheure Wassermassen auf die Stadt nieder, dass an ein geregeltes Arbeiten nicht mehr zu denken war. Schon lange waren die Bewässerungsgräben übergelaufen, und das Wasser bahnte sich gurgelnd seinen Weg von den Feldern und Plantagen in den Fluss hinab. Die tiefer gelegenen Teile der Stadt waren nun schon kniehoch überflutet, und das Wasser stieg immer noch. Die Erwachsenen waren mürrisch. Sie hatten sich, so gut es ging, in ihre Häuser verkrochen, und nur die Kinder nutzten die ungewohnten Spielmöglichkeiten, die das Wasser ihnen bot, mit Vergnügen.

      Auch das Zwingergelände war nun schon knöcheltief unter Wasser, so daß die täglichen Übungen mit den Tieren ausfallen mussten. Also hatte Bogan seinen Leuten aufgetragen, nur noch die allernotwendigsten Arbeiten durchzuführen. So kam es, dass Ysell nach getaner Arbeit schon recht früh am Tag allein in ihrer Kammer saß. Sie hatte sich umgezogen und sich trockene Sachen herausgesucht. Dabei war ihr das kleine Bündel wieder in die Hände gefallen, das sie schon fast vergessen hatte. - Die „Schätze“, die sie als Kind gesammelt und an einem sicheren Ort verborgen hatte, den nur sie kannte. Bei ihrem Umzug hatte sie die Sachen einfach zusammengerafft und in das Bündel gestopft, das nun offen vor ihr lag.

      Ysell wollte nun kein Kind mehr sein, also stellte sie einen leeren Eimer bereit und fing an zu sortieren. Der getrocknete Frosch hätte ja vielleicht noch einen hübschen Wandschmuck abgegeben, aber nach längerem Überlegen wanderte er dann doch in den Eimer, wo schon der weiße Mäuseschädel und die Sammlung seltener Blätter auf Gesellschaft warteten. Die zerbrochene Kleiderspange konnte man vielleicht noch reparieren; sie würde mal herumfragen, wie man so etwas macht, und auch der Stein, der aussah wie der Kopf eines Tragtieres durfte keinesfalls wegkommen. Jeder Gegenstand, den sie berührte, hatte seine eigene Geschichte, und plötzlich stand Ysell das Bild der Stadt wieder so deutlich vor Augen, als sei sie erst gestern noch ziellos durch die Straßen gestreift. Ysell erinnerte sich an all die Fundorte und ihr war, als erwache die Stadt jenseits der Zwingermauern zu einem seltsam fremden, fast vergessenen, aber doch vertrauten und verlockenden Leben. Sie erinnerte sich an die endlosen, sonnendurchglühten Tage, an denen sie rastlos durch die Außenbezirke der Stadt gesteift war, immer auf der Suche nach einem kleinen Abenteuer. Die kleinen Diebstähle in den Obstgärten kamen ihr wieder in den Sinn, für die sie sich so manche Ohrfeige eingefangen hatte, und die Nachmittage am Ufer des Flüsschens, das die Stadt mit Wasser versorgte. Es schien Ysell fast, als könne sie hier in ihrer Kammer den Geruch der überreifen Früchte auf dem Markt wahrnehmen und sie sah vor ihrem

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