DÄMONEN DER STEPPE. Michael Stuhr

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DÄMONEN DER STEPPE - Michael Stuhr

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Für sie war es heute so weit, dass sie ihre Schützlinge von sich gab und nicht wusste, was das Leben ihnen bringen würde. Ysell verspürte Trennungsschmerz und ein wenig Angst vor der Zukunft - denn auch ihr Leben würde sich ab heute verändern. Sie würde als vollwertige Aufspürerin für die weitere Ausbildung von Läufer zuständig sein - und Läufer würde schon heute Nacht in dem kleinen Zwinger hinter ihrer Kammer schlafen.

      In dieser Nacht nahm Läufer zum ersten Mal Verbindung mit Ysells Geist auf.

       DAS RUDEL

      Ysell ging durch die breiten Straßen der Stadt, die ihr noch nie so schön vorgekommen war wie heute. Es war nicht allein der Sonnenschein, der warm und golden über allem lag und es war auch nicht die milde, klare Luft, die alles so verändert erscheinen ließ; es waren die Menschen, die Ysell traf. Denn wo sie auch hinschaute, überall sah sie nur freundliche Gesichter.

      Ysell freute sich, dass alle so gute Laune hatten, und ging weiter. Die Kühle, die vom Wasserspiegel eines nahen Brunnens herüberwehte, traf ihr Gesicht. Sie ging hinüber und trank etwas. Das Wasser war köstlich und so kalt, dass sie die einzelnen Schlucke bis in den Magen hinein spüren konnte.

      Plötzlich erhielt Ysell einen Stoß in die Seite. Ysell sah sich um. Ein anderes Kind stand nun am Brunnen und trank. Sie machte sich nichts daraus und ging weiter. Die Straßen wurden enger. Hoch ragten die lehmfarbenen Häuser über Ysell auf. Ein Händler auf dem Markt hielt ihr eine köstlich Frucht entgegen und freudig nahm sie das Geschenk an. Noch immer lag diese angenehme Heiterkeit über der ganzen Stadt. Selbst der Sitz des Rates, dessen hoch aufragende Mauer die eine Seite des Marktes ganz beherrschte, wirkte heute freundlich. Andere Kinder stürmten an Ysell vorbei und fielen bettelnd über den Obsthändler her. Der Mann lachte und gab freudig. Ysell wurde neidisch, die Frucht in der Hand genügte nicht. Sie wollte mehr! Eilig drängte sie sich zwischen die anderen Kinder und streckte die Hand aus. Sie wurde geschubst und schubste lachend zurück. Es war herrlich, hier mit den anderen um die Früchte zu wetteifern; noch nie hatte Ysell sich so wohl gefühlt.

      Plötzlich waren alle Kinder um sie herum verschwunden. Ysell stand allein auf dem Marktplatz, nur der Obsthändler war noch da und musterte sie mit kaltem Blick.

      Ysell bekam Angst. Wo eben noch Sonnenschein und Heiterkeit gewesen waren, hatten die Farben nun ihren Glanz verloren und es herrschte bedrückendes Schweigen.

      Ysell sah sich um. Der Marktplatz war leer. Wo waren nur die anderen geblieben? Ysell lief los, um sie zu suchen, aber der Marktplatz hatte keinen Ausgang mehr. Alle Straßen, alle Gassen waren verschwunden, selbst die Häuser hatten keine Eingänge mehr. Glatter Stein stellte sich Ysell entgegen, wohin sie auch sah. Wo waren nur die anderen? Sie musste doch unbedingt die anderen wiederfinden. Ysell geriet in Panik. Sie würde nie wieder fröhlich sein können, wenn sie die anderen nicht fand!

      Ysell eilte zurück zu dem Händler. Er musste ihr helfen! Sie streckte ihre Hand nach der seinen aus. Seine Hand war ganz warm und feucht. Ysell zuckte zurück. Sie hörte das Rascheln von Stroh. Das Gesicht des Händlers verschwamm vor ihren Augen. Es wurde dunkel. Stroh raschelte. Etwas Warmes berührte ihre Hand.

      „Läufer!“ Ysell schnellte zu sitzender Stellung hoch und Läufer zuckte vor Schreck zusammen. Es dauerte einen Moment, bis Ysell erkannte, dass das Warme, das ihre Hand im Traum berührt hatte, Läufers Zunge gewesen war. Er musste schon eine ganze Zeit neben ihrem Bett gesessen haben, denn ihre Finger waren ganz feucht.

      Ysell stellte die Füße auf den Boden und legte sich die Decke um die Schultern. Läufer drängte sich sofort an ihre nackten Beine und schnüffelte sacht an ihrer Wade. Dann ließ er sich mit einem wohligen Aufstöhnen direkt auf ihre Füße fallen und machte es sich dort bequem.

      Ein hellerer Fleck in der Dunkelheit zog Ysells Blick an. Läufer musste die Klappe, die zum Zwinger führte, leise aufgedrückt haben. Sie hatte sie ja auch mit Absicht nur angelehnt, damit er sie besuchen könnte, wenn er sich einsam fühlte.

      Ysell war inzwischen ganz wach und versuchte, über ihren Traum nachzudenken; aber die Bilder waren zu schnell verblasst und je mehr sie sich anstrengte, um so weniger konnte sie sich erinnern. Das Einzige, was zurückgeblieben war, war das Gefühl von Verlassenheit und Verzweiflung.

      Lange saß Ysell still da und versuchte, dieses Gefühl abzuschütteln. Sie zog sich die Decke enger um die Schultern und beugte sich zu Läufer hinab. Sanft streichelte sie sein seidiges Fell. Das Gefühl der Verzweiflung wich sanfter Traurigkeit, gemischt mit einem unbestimmten Wohlbehagen.

      Da begriff Ysell plötzlich, was geschehen war. Blitzartig zog sie ihre Füße unter Läufer hervor, warf ihre Decke auf den Boden, kniete sich darauf und redete wie wild auf das verdutzte Tier ein. „Läufer - ist es das, was du fühlst? - Du armes Hundchen bist ganz traurig, nicht? - Du hast mir diesen Traum gemacht, stimmt’s? - Weil du traurig bist, muss ich auch traurig sein, ja? - Weil du mit mir gesprochen hast! Natürlich! Weil du mit mir gesprochen hast!“ Bei den letzten Worten hatte sie Läufer dicht an sich herangezogen und drückte ihn nun fest an sich. Läufer strampelte und Ysell ließ ihn sofort los, denn sie hatte ein vages Gefühl von Unbehagen gespürt - so etwas wie Frei-sein-Wollen, ein Signal, das ganz ohne Zweifel von Läufer gekommen war.

      „Jaa!“, schrie Ysell begeistert, sprang auf und tanzte in der Kammer herum. „Er kann sprechen! - Läufer kann mit mir sprechen!“

      „Was ist los?“, kam eine dunkle Stimme aus der Kammer nebenan, in der Esra, ein anderer Aufspürer wohnte.

      „Mein Hund - Läufer - er spricht! - Wir können miteinander sprechen! - Ich - ich kann mit meinem Hund sprechen!“

      „Gratuliere!“, sagte Esra und Ysell hörte durch die dünne Bretterwand, wie er gähnte: „Das geht aber auch leise.“

      Esras Desinteresse und die Zurechtweisung glitten an Ysell ab, wie Wasser von gewachstem Tuch. Trotzdem flüsterte sie jetzt lieber mit Läufer. „Du darfst leider nicht bei mir im Bett schlafen“, erklärte Ysell dem erstaunten Hundchen, denn das hatte Bogan rein vorsorglich streng verboten.

      „Komm“, sagte Ysell also. „Erzähl mir was!“ Sie warf schnell ein paar Hand voll Stroh aus ihrem Bett auf den Boden und breitete ihre Decke darauf aus. Dann legte sie sich darauf, nahm Läufer in den Arm, genoss das Wohlbehagen, das er ausstrahlte, und versuchte, ihm Ruhe und Sicherheit zu geben. Es funktionierte. - So schliefen sie bis zum frühen Morgen und beider Träume waren sanft und heiter.

      Nur einmal noch ging Ysell in die Wohnung ihrer Eltern. Bogan hatte ihr zur Zeit der Hochsonne für die Dauer von zwei Handmaß freigegeben und sie war bester Laune in die Stadt gegangen, um ihre Mutter zu besuchen. Ysell hatte so viel erlebt in letzter Zeit - sie musste ihren Eltern einfach davon erzählen.

      Ysells Mutter war nicht allein.

      Ysell war fröhlich die Treppe hinaufgepoltert und hatte sich schon darauf gefreut, ihrer Mutter von all ihren Erlebnissen zu berichten. Jetzt stand sie stumm in der Tür des Zimmers, das die Familie bewohnte. Mit einem Blick hatte sie die Situation erkannt.

      Erhitzt und mit hochroten Gesichtern standen Ysells Mutter und ein Soldat der Stadtwache mitten im Zimmer und versuchten hastig, ihre Kleidung zu ordnen. Wein stand auf dem Tisch und um den Fuß des Kruges hatte sich eine rote Pfütze gebildet, in der ein paar kleine Münzen lagen. Der Soldat war schon alt; er grinste Ysell verlegen an, und sie sah, dass er kaum noch Zähne im Mund hatte. Ysell hätte das zerwühlte Bett gar nicht erst sehen müssen, um zu wissen, was hier geschah - bei was sie gestört hatte.

      Wortlos wandte

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